DIGGER: Überführungstörn auf der Illbruck

One Night Stand

Ich hatte am Freitag eine wunderbare Nacht mit einer Legende: Der “Illbruck”.

“So, willst Du mal?” Gegen zwei Uhr Uhr morgens ist es soweit: Ich habe eine Premiere. Denn ich stehe an Bord der “Illbruck” irgendwo zwischen Fehmarn und dem Kiel-Ostsee-Weg und habe ein Steuerrad  in der Hand. Ich hatte bisher immer nur Pinnen in meinen Fingern. Das mit dem Rad ist völlig neu. 12-16 Knoten Wind, 9 Knoten Boat Speed und nun dieses mit Wildleder ummantelte Teil.

Überführungstörn

Überführungstörn

Eine Minute später höre ich eine Stimme: “Wenn der Speed unter 8 Knoten fällt, machste was falsch.” Ich mache was falsch – 7,4 Knoten. Mist, ich bin zu weit angeluvt. Ich drehe und drehe und drehe, und plötzlich bemerke ich den Druckpunkt. Ein paar Minuten später habe ich das Rad einigermaßen im Griff. Man hat das Gefühl, die Augen schließen zu können und nur nach Krängung und Ruderdruck den besten Kurs zu fahren.

Wahnsinnig feinfühlig das Teil. Geil! Gleichzeitig muss man, vor allem als ungeübter, unglaublich konzentriert sein, zumal es stockdunkel ist.

Bockwurstrekord

Nein, ich fahre keine Regatta. Zwar ist die Gewinnerin des VOLVO OCEAN RACE 2001/2002 dafür gemacht worden, aber manchmal muss sie auch nur von A nach B. In diesem Falle steht eine Überführung an. A ist Warnemünde, B Olpenitz, wo am kommenden Morgen Gäste zusteigen und die Schiffahrtsregatta startet. Mit mir sind vier Leute der Speedsailing Crew und einige Gäste an Bord , die am kommenden Tag die Regatta mitfahren. (Jungs, ich habe noch nie so viele Bockwürste gesehen…!)

Entspannte 10 Knoten Speed

Entspannte 10 Knoten Speed

Dieser Freitag Abend ist sicher einer der besten, die es in diesem Sommer für solch eine Überführung gibt. Es ist angenehm warm, es weht eine leichte Brise wie es sich für den Spätsommer eigentlich gehört. Raumschotskurs und etwas mehr Bumms in der Luft wäre zwar wesentlich besser, aber laut Erzählungen an Bord waren alle Überführungen Richtung Kiel dieses Jahr mit Regen, Hack und Wind auf die Nase gekennzeichnet. Passt also. Bloss nicht über diesen zickigen Rasmus beschweren.

Speedsailing im wörtlichen Sinne

Die Illbruck vor Warnemünde

Die Illbruck vor Warnemünde

Die Illbruck sieht anders aus als bei ihrem grandiosen VOR Sieg, sie ist blau und mittlerweile von Glashäger gesponsert. Besitzer ist die Firma  Speedsailing in Rostock, die mit zwei weiteren VO60  (OSPA, SEB II) verschiedene Abenteuer und Events auf den Volvos veranstaltet. Bevor ich mit dem Rib aufs Schiff transferiert wurde, waren alle drei Schiffe draußen vor Warnemünde und haben sich mit Gästen gematcht.

Mit uns verlässt die SEB 2 den Hafen und kommt mit zur Schleimündung.  Die SEB 2, beim VOR 1997/1998 unter dem Namen “Toshiba” am Start, war für das VOR 2001 das Testschiff für die SEB 1.

Rechts: Profiskipper Oli Schmidt-Rybandt

Rechts: Profiskipper Oli Schmidt-Rybandt

Wie ist es, mit solch einer Legende wie der Illbruck zu segeln? Hammergeil. Das Schiff ist jetzt blau statt grün-weiß, ansonsten ist alles so, wie es 2001 war. Kaum etwas wurde ausgetauscht oder erneuert, außer mal die eine oder andere Karbonwinsch, die in seltenen Fällen “auch mal platzen”, so Skipper Oliver Schmidt-Rybandt.

Oli kenne ich seit der boot 2014. Er ist auf der Messe immer am Stand von Pogo. Segelreporter Leser kennen ihn aus mehreren Beiträgen und Filmen. Vorm losfahren erklärt er auch allen die Besonderheiten des Bootes. Es macht durchaus Sinn, bei einer Wende die 3-Gang Winschen mit den Grindern und Fußkupplungen zu verstehen.illbruck - 47

Das VOR Gefühl

Bei jeder kleinen Bewegung des Bootes schwingt immer so ein VOR Gefühl mit. Ruhm kann man weder über lackieren noch wäscht ihn die See runter. Er bleibt für immer an Bord. Im Sonnenuntergang vor Fehmarn sieht man die SEB 2 am Horizont und irgendwie fühlt sich das nach weiter Welt an. Irgendwie fühlt sich hier alles nach weiter Welt, nach Ocean Race an, auch wenn man den Niedergang runter geht. illbruck - 58

Unter Deck ist auch noch fast alles im Originalzustand und so sieht man noch die Handschriften der damaligen Crewmitglieder, die mit Edding ihre Haken gekennzeichnet haben. Es ist gut, dass Speedsailing  den Gästen und Mitseglern an Bord das Originalgefühl der VO60s erhält. Für jemanden, der die letzten Jahre mit einem 18 Fuß Eimer unterwegs war, ist das alles eh sehr anders.

Religiöse Handlungen

Zurück an Deck, es ist dunkel und der Vollmond zeigt uns von hinten den Weg über den Kleinen Belt. Nach und nach verringert sich die Personenzahl an Deck. Die ersten schlafen schon. Zwar macht das wegen der am nächsten morgen früh beginnenden Schifffahrtsregatta auch Sinn, aber sie verpassen diese unglaublich schöne Nacht.

Irgendwann bin ich dann mit dem Steuerrad an der Reihe (“Oder widerspricht das Deinen religiösen Pinnen?”). Und irgendwann bin ich dann in der Nacht kurz mal allein an Deck.  In solch einer Situation kommt man als Einhandsegler schon mal zum träumen.

Holzwerkstatt in Olpenitz

Holzwerkstatt in Olpenitz

Ein paar Stunden später erreichen wir Olpenitz, in dem schon die meisten Konkurrenten liegen und die Crews schlafen. Nach einem Anlegeschluck gehe ich dann für eine Stunde in eine der Kojen. Während ich mich frage, welche Segellegende hier schon alles drin geschnarcht hat, schlafe ich ein.

Kurze Zeit später werde ich von einem Scharchen geweckt. Kostecki? Bist Du das? Eine Stunde später verlasse ich das Boot auch wieder und fahre müde aber glücklich nach Hause. Meine beruhigende  Erkenntnis an diesem Morgen: Decks von Legenden werden auch dreckig – vor allem in Olpenitz, wo jeder mit Baustellensohlen wieder aufs feuchte Boot kommt.

Bevor nun jemand neidisch wird – kein Grund dazu: Mitfahren kann jeder. Link zur Illbruck bei Speedsailing. Ich kann es nur empfehlen.

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Digger Hamburg

Kleiner segeln - größer leben. Filmemacher und Autor Stephan Boden verbringt jeden Sommer auf dem Wasser. Früher auf seiner VA18 "Digger" jetzt auf der Bente24, die er selbst initiiert hat. "Auf See habe ich Zeit, das schärft den Blick für Details." Zu seinem Blog geht es hier

7 Kommentare zu „DIGGER: Überführungstörn auf der Illbruck“

  1. avatar Kasimir sagt:

    ja, immer wieder ein Freude mit der Dame mitzusegeln. Sehr gepflegt und zuverlässig. Wenn man weiss, wieviel Arbeit dahinter steckt…Hut ab.

    Wird Zeit, dass da mal n paar Foils rankommen…so für epische Segelerlebnisse.. 😉

  2. avatar Firstler sagt:

    @Digger:
    Was sind denn da für den Überführungstörn für Tücher drauf gewesen? Ist das auf den Fotos Dacron oder Laminat mit beidseitig Tafetta?

    • avatar Olli sagt:

      Schau auf die Fotos. Und? Was ist da zu sehen?

      • avatar Firstler sagt:

        Das war die Frage, Klugscheißer. Sags doch einfach wenn Du es weißt oder halt Dich raus! Lehrer?

        • avatar Timo sagt:

          Ja…Segellehrer. Jedenfalls ist er nicht so unentspannt wie du.

          • avatar Olli sagt:

            “…Du weißt nicht nur alles, du weißt alles besser. Dein Verstand ist schärfer als ein schweizer Messer. Du bist Klugscheißer-Man, und ich bin dein Fan…” sangen einst die Ärzte, obwohl sie mich gar nicht kennen.
            Aber egal, hier jedenfalls die Auflösung vom Klugscheißer in Sachen Segeltücher bzw. Membrane: …trommelwirbel…es ist… die Spannung steigt… UK TAPE DRIVE Tadaaa.
            Zu erkennen übrigens an den schwarzen Tapes. in diesem Fall mit Spectrascrim und Taft beidseitig. Sauschwer aber unverwüßtlich.

      • avatar Heinrich sagt:

        Mittlerweile scheinen hier echt alle ganz gehörig einen an der Waffel zu haben 🙂

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