Langfahrt-Traum mit Fragezeichen: Zweifel nagen nach Kenterung der “Flow”

"Ich hatte Angst, zitterte und weinte..."

Die 40 Jahre alte 36 Fuß Yacht vom Typ Delta hat sich vor dem Knock Down gut bewährt. © www.flowglobal.com

Die `Flow´ wurde regelrecht herumgerissen, so dass die gesamte Backbordseite der See für Ihr zerstörerisches Werk offen stand. Es knirschte in der Steuersäule, beim Versuch dass Steuerrad festzuhalten. An Drehen war nicht mehr zu denken, so groß war der Wasserdruck am Ruder. Ich fühlte eine große Erleichterung, als nach diesem Geräusch noch Ruderdruck spürbar war. Damit konnte ich sicher sein, dass nicht alle Zähne am Ruderquadranten zerstört und wir noch manövrierfähig waren…

Da die Fock Back stand, legte sich die flow noch schneller auf die Seite. Seewasser drang ungehindert über den 30 cm hohen Süllrand des Cockpits in die Plicht. Nach vielleicht nur fünf oder zehn Sekunden richtete sie sich wieder auf. Der Wind wehte nach dem Durchzug der Wellen nur noch mit 22 Knoten. Die Plicht stand voll Wasser. Es dauerte mehr als eine Minute bis alles abgeflossen war, obwohl zwei 50 mm große Abläufe vorhanden sind.

Als ich mich umblickte, registrierte ich die wütende Kraft der Welle. Hinter uns schwamm die Rettungsboje, die sich gerade zu ihrer ganzen Größe aufgeblasen hatte. Schmerzhaft stellte ich fest, dass der brandneue Außenborder von seiner Halterung verschwunden war. Der war so fest an das Holz geschraubt, dass man ihn mit bloßen Händen nicht herunterreißen konnte.

Die "Flow" segelte der Sonne entgegen. Nun macht sie erst einmal eine Pause. © www.flowglobal.com

Der Relingsspritzschutz und die Relingstaschen waren nicht mehr an ihren ursprünglichen Stellen. Die Fender, die am Heckkorb befestigt waren, baumelten an ihren Leinen herum. Aber der schmerzliche Verlust des neuen Außenborders zeigte uns am deutlichsten die Ernsthaftigkeit der Lage.

Nachdem ich den Windpilot wieder in Betrieb und das Segel heruntergenommen hatte, kümmerte ich mich um Anne. Als ich herunterstieg, stand sie zitternd vor einem Kochtopf und übergab sich. Ich hielt sie fest in diesem sagenhaften Chaos.

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

3 Kommentare zu „Langfahrt-Traum mit Fragezeichen: Zweifel nagen nach Kenterung der “Flow”“

  1. Jürgen Brandmüller sagt:

    Ein Mr.Perfekt würde erst gar keine Segeljacht fahren wollen.Ich denke,neben dem Segeln muss man ja auch noch wohnen und leben können.! Also,weiter Kopf hoch und weiter gehts,bei Bobby Schenk sieht es an Bord auch nicht so aufgeräumt aus wie in einem Zahnlabor.!

  2. Grenå sagt:

    Es ist immer das gleiche Szenario, hier nicht anders als bei Rollo Gebhardts Kenterung mit seiner HR 42 vor über 30 Jahren oder bei den Roevers letztes Jahr vor Afrika; totales Chaos unter Deck, Verletzungen, verstopfte Pumpen, usw.. Warum werden Polster, Ausrüstung und vor allem Bodenbretter nicht ordentlich gesichert? Und an Deck das Gleiche, jede Menge beschädigte oder verlorene Ausrüstung. Warum werden Außenborder, Kanister, Solarzellen, Instrumententräger, Biminis usw. schlecht gesichert spazieren gefahren? Man hat es doch schon hundert Mal von anderen gelesen.

    • Torsten sagt:

      Sicher liest man immer wieder solche Kenter-Geschichten. Nur: Kann man wirklich alle die Teile, die Du gerade aufgezählt hast, ernsthaft sichern – und das Boot gleichzeitig noch mit erträglichem Aufwand bewohnen, ohne ständig irgendetwas los- und wieder festzulaschen? Mich würde interessieren, wie Du das schaffst. Ich würde auch behaupten, dass man niemals alle losen Teile sichern kann. Und selbst wenn das ginge, hätte man bei einer ruppigen Kenterung noch eine Verletzungsgefahr. Ich wünsche den beiden jedenfalls gute Erholung – und dass sie irgendwann wieder segeln, wo sie wollen.

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