Langfahrt-Traum mit Fragezeichen: Zweifel nagen nach Kenterung der “Flow”

"Ich hatte Angst, zitterte und weinte..."

Was habe ich (Marcus) aus diesem Knock down gelernt:

  • Bei solchen brechenden, steilen Seen werde ich in Zukunft die Wellen direkt von Achtern nehmen und eher einen Umweg segeln.
  • Ich werde frühzeitig reffen. Was sind schon 0,3 Knoten weniger Fahrt bei einer Strecke von 580 Meilen? Dies muss ich mir immer wieder sagen, weil der Geschwindigkeitsrausch und der Wunsch, schnell anzukommen, manchmal stärker sind. Ein großer Fehler!!! Mit weniger Segel verringert sich die Gefahr, dass die flow schneller anluvt und so quer zu den Wellen steht.
  • Ich werde mich in Zukunft noch genauer über die Kaps informieren. Bei diesem Kap hätten wir mehr Abstand vom Land einhalten sollen.

Verluste:

  •  Selbstvertrauen
  • Lust am Segeln (erst nach zwei Tagen war sie bei Marcus wieder da)
  • Neuer Yahama-Außenborder von der Halterung an der Reling abgerissen (für 900 Euro erst im Juli 2010 angeschafft, weil bei dem nur drei Jahre alten Honda Außenborder die Ölwanne durchgerostet war.)
  • Relingstaschen zerstört
  • Spritzschutz abgerissen
  • Werkzeug, das Draußen lag
  • Aufblasbare Rettungsboje von der Reling weggerissen
  • Radarwarner durch Salzwasser zerstört
  • Zwei Zacken des Ruderquadranten abgebrochen

Mit dem Verlust und der Neuanschaffung von den kaputten bzw. über Bord gegangenen Dingen müssen wir ca. 2.000 Euro investieren. Demzufolge wird unsere Reise sechs Monate kürzer dauern. Wie wir die Route legen, müssen wir uns noch überlegen.

Was hat es in uns ausgelöst:

Wir mussten nach diesem Knock Down noch zwei weitere Tage auf See verbringen. Anne traute sich am Tag nach dem Unglück nicht nach Draußen, weil die Wellen noch hoch waren. Bei jedem Wellengetöse schrak sie zusammen.

Für Marcus zerbrachen alle Träume. Der Spaß am Segeln war wie weggeblasen. Er wollte so schnell wie möglich weg von der flow. Zwei Tage kam keine Freude für irgendwelche zukünftige Erlebnisse auf. Er war leer und ziellos…

Wir überlegten, wie es nun weitergeht für uns. Wir schmiedeten so viele Pläne. Jeden Tag kam eine andere Variante zur Sprache. Eine Möglichkeit bestand darin, nicht mehr weiter zu segeln und einen Wiedereinstieg in Berlin zu versuchen. Wir wollten Abstand von dem Erlebten. Die flow sollte in Panama für 10 Monaten in eine Marina, um danach in Richtung Pazifik zu starten.

Nach langen Überlegungen haben wir uns schließlich für eine Segel-Pause nach unserer Kenterung entschieden. Wir hoffen, dass uns der “Landgang” in Berlin auch den flow zurückbringt, der uns in letzter Zeit manchmal fehlte. Die `Flow´ liegt nun bis Dezember an einer Mooringboje in Panama. Der weitere Reiseverlauf ist jedoch noch offen. Ursprünglich wollten wir durch den Panamakanal in den Pazifik – aber wer weiss schon, was die Atomkatastrophe für Auswirkungen hat …”

Anne und Marcus berichten über ihre Reise unter: www.flowglobal.com

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

3 Kommentare zu „Langfahrt-Traum mit Fragezeichen: Zweifel nagen nach Kenterung der “Flow”“

  1. Jürgen Brandmüller sagt:

    Ein Mr.Perfekt würde erst gar keine Segeljacht fahren wollen.Ich denke,neben dem Segeln muss man ja auch noch wohnen und leben können.! Also,weiter Kopf hoch und weiter gehts,bei Bobby Schenk sieht es an Bord auch nicht so aufgeräumt aus wie in einem Zahnlabor.!

  2. Grenå sagt:

    Es ist immer das gleiche Szenario, hier nicht anders als bei Rollo Gebhardts Kenterung mit seiner HR 42 vor über 30 Jahren oder bei den Roevers letztes Jahr vor Afrika; totales Chaos unter Deck, Verletzungen, verstopfte Pumpen, usw.. Warum werden Polster, Ausrüstung und vor allem Bodenbretter nicht ordentlich gesichert? Und an Deck das Gleiche, jede Menge beschädigte oder verlorene Ausrüstung. Warum werden Außenborder, Kanister, Solarzellen, Instrumententräger, Biminis usw. schlecht gesichert spazieren gefahren? Man hat es doch schon hundert Mal von anderen gelesen.

    • Torsten sagt:

      Sicher liest man immer wieder solche Kenter-Geschichten. Nur: Kann man wirklich alle die Teile, die Du gerade aufgezählt hast, ernsthaft sichern – und das Boot gleichzeitig noch mit erträglichem Aufwand bewohnen, ohne ständig irgendetwas los- und wieder festzulaschen? Mich würde interessieren, wie Du das schaffst. Ich würde auch behaupten, dass man niemals alle losen Teile sichern kann. Und selbst wenn das ginge, hätte man bei einer ruppigen Kenterung noch eine Verletzungsgefahr. Ich wünsche den beiden jedenfalls gute Erholung – und dass sie irgendwann wieder segeln, wo sie wollen.

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