Ostseetörn: Die Schwestern Svenja und Maike auf ihrem IF-Boot

Es geht bald wieder los!

Der Frühling klopft in diesen Tagen an. Im Winterlager wird überall gewerkelt. Bald beginnt die Segelsaison. Leinen los und Seele baumeln lassen. Der Bericht von Maike, die auf SR schon über ihren Sommertörn berichtet hatte, macht Lust auf das, was auch dieses Jahr wieder kommen wird.

„Tschüss, Svenja!“, „Gute Reise, Svenja!“, „Wohin fährst du, Svenja?“ und „Verlässt du uns, Svenja?“ ist von der Rentnerbank zu hören, als meine Schwester Svenja und ich mit unserem IF-Boot Janthina auf die Kieler Förde hinaussegeln. „Nöööööö“ ruft sie zurück, „in vier Wochen sind wir wieder da! Und wohin wissen wir noch nicht.“

Es geht los! © Svenja Christiansen

… Sonnenbrille auf die Nase, Armbanduhr ab, Seestiefel an. Es geht los! © Svenja Christiansen

Svenja hat in den letzten fünf Monaten auf Janthina gewohnt, ist so viel gesegelt wie noch nie und anscheinend eine ebenso feste Einrichtung in unserem Heimathafen geworden wie die Rentnerbank. Ich habe das letzte halbe Jahr in Peru verbracht und will jetzt im September mein Segelpensum für die gesamte Saison nachholen.

Was ist schon Wellenreiten auf dem Pazifik gegen Segeln auf der Ostsee! Die enge Jeans wurde gegen Jogginghose getauscht, Sonnenbrille auf die Nase, Armbanduhr ab, Seestiefel an. Der ultimative Segeltörn kann kommen.

Kiel – Schleimünde: Überschwang

Das Boot © MC

Das Boot: ein IF-Boot mit den Folkeboot Linien © MC

Segeln ist toll! Segeln ist großartig! Segeln ist wunderbar! Segeln ist – PLATSCH. Äh, Segeln ist nass. Bevor ich ganz meinen Schwärmereien erliege, zieh ich mir doch lieber eine Ölhose über. Ich weiß gar nicht, wie Svenja mich gerade aushält. Ich benehme mich wie Teenies im Kino, wenn Robert Pattinson auf die Leinwand kommt.

Es sind kaum Boote unterwegs – eine gute Sache am Segeln in der Nebensaison. Auch in Schleimünde brauchen wir keine Torpedos ausfahren, sondern finden entspannt einen Liegeplatz. Wir setzen uns mit unserem Aperitif auf den warmen Sand neben dem Naturschutzgebiet. Hinter Maasholm geht die Sonne unter, am Zaun neben uns hängt Seetang, der sich, orange angeleuchtet, sacht im Wind bewegt; der Geruch nach Heckenrosen streicht durch die Luft. Es ist ruhig. Friedlich. Schön.

Schleimünde – Marstal: Retter in der Not

Aperitif in Schleimünde © Maike Christiansen

Aperitif in Schleimünde © Maike Christiansen

Unter Segeln kommen wir in Marstal in den Hafen gesteuert. Das Großsegel ist schon unten, als wir den letzten Steg mit Rondell erreichen, die Genua schiebt uns noch gut. Es ist kaum Wind, am Steg ist nur ungefähr jede zehnte Box belegt. Wir beschließen, längsseits am Rondell anzulegen, und nehmen die Genua runter.

Auf einmal beschleicht uns eine Riesenangst vor dem Anlegen. Svenja auf dem Vorschiff weint fast, während ich hinten an der Pinne so doll zittere, dass Janthina Schlangenlinien fährt. Das scheinen jedenfalls die eifrigen Männer am Steg zu denken. Zum Glück erkennen sie sofort messerscharf die Situation und eilen uns ängstlichen, inkompetenten Mädchen zu Hilfe.

Unter ihnen befindet sich unser Held: Graf Koks. In ein schickes Hawaii-Hemd gewandet, welches schmeichelhaft den Bierbauch umspielt, eine fetzige Sonnenbrille mit fettem Gestell auf der roten Nase und coole Adidas-Schlappen an den Füßen begibt er sich breitbeinig wie der Prinz auf einem weißen Gaul zu unserer angepeilten Anlegestelle.

Leerer Steg in Marstal - eine gute Sache am Segeln in der Nebensaison © Maike Cristiansen

Leerer Steg in Marstal – eine gute Sache am Segeln in der Nebensaison © Maike Cristiansen

„Keine Sorge, ich nehme hier vorne die Leinen an!“ Puh, da fühlt sich Svenja doch gleich viel besser. Der Tränenstrom versiegt augenblicklich. Doch seine Barmherzigkeit kennt tatsächlich keine Grenzen. Lässig unsere Vorleine aus Svenjas Hand nehmend ruft er mir zu: „Wenn ich mich da mal kurz einmischen dürfte, am besten legt ihr euch mit dem Bug in den Wind, sonst pfeift nämlich der Wind direkt ins Cockpit.“

Ach, ehrlich? Boah, da hätten wir uns ja die ganze Nacht geärgert, dass so ein Durchzug herrscht. Wie schön, dass es Graf Koks gibt! „Gut gemacht“ kommt es gönnerhaft aus seinem Mund, als wir Janthina schließlich vertäut haben. Danke, lieber Graf Koks! Ohne dich hätten wir das bestimmt nicht geschafft.

Marstal – Orth: Gott, die Welt und die Liebe

Tschüß Marstal! © Maike Christiansen

Tschüß Marstal! © Maike Christiansen

Zu den Klängen von Alt-J‘s Album „An Awesome Wave“ steuere ich Janthina in Richtung Fehmarn. Svenja kuschelt sich in eine Ecke, liest und döst irgendwann ein. Ich bin ganz allein mit mir, mit der Musik, mit dem Rauschen des Wassers, mit dem Pfeifen des Windes – und ich bin froh darüber. Ich will nicht reden. Nicht lachen. Keinerlei Ausdruck nach außen zeigen. Einfach nur meinen Gedanken nachhängen, den Kopf frei machen von allem überflüssigen Ballast, die vielen Erlebnisse des letzten halben Jahres verarbeiten. Segeln – die beste Form der Meditation, die es gibt.

Der Hafen in Orth ist voll. Wir ergattern den Liegeplatz, der am weitesten außen liegt, direkt hinter der Mole. Das Klo ist so leider auch ungefähr zehn Kilometer entfernt. Philipp und Felix, zwei junge Männer Anfang 30, nehmen unsere Leinen an: „Kommt doch auf ein Bier vorbei, wir liegen gleich da drüben!“

Zusammen mit unserer Freundin Birte, die hier für zwei Tage dazustößt, sitzen wir schließlich nach dem Abendessen im Cockpit ihrer Bianca 27. Gerhard ist auch dabei, ein 81-jähriger, agiler Mann, der den Großteil des Jahres auf seinem Boot verbringt und uns nach zwei Gläsern Weißwein bis tief in die Nacht mit interessanten Geschichten über Gott, die Welt und die Liebe unterhält. Im wahrsten Sinne des Wortes. Es gibt Sachen, die will man einfach nicht wissen.

Orth – Marstal: Everybody wants to be a sailor

Der morgendliche Einkaufsbummel fällt leider aus. Beziehungsweise: Wir bummeln schon, über Kuhweiden und Campingplätze, nur leider gibt es keine Möglichkeit zum Einkaufen. Schade Schokolade. Wir besorgen stattdessen ein leckeres Brot und Franzbrötchen bei der Bäckerei von Dörte (Tipp von einer Einheimischen: „Aber Sie können auch einfach am Hafen einkaufen! Dörte macht richtig gute Brötchen und Brot, und am Imbissstand kriegen Sie auch Pommes und eine leckere Wurst – ich weiß ja nicht, worauf junge Mädchen wie Sie Lust haben!“) und verlassen uns ansonsten darauf, dass unsere Eltern, die mit ihrer H35 nach Marstal kommen, uns mit Abendessen versorgen.

Bombenwetter beim Spisegeln © Maike Christiansen

Bombenwetter beim Spisegeln © Maike Christiansen

Das Wetter ist klasse: Die Sonne scheint und es ist tatsächlich so warm, dass T-Shirtsegeln möglich ist. Nach einer erfrischenden Runde „TKKG“ (jaja, die „Drei Fragezeichen“ sind viel cooler, finden wir ja auch…) döse ich vor mich hin, während Svenja und Birte uns über den Kiel-Ostsee-Weg nach Aerö skippern.

Pünktlich zwei Meilen vor dem Hafen wache ich wieder auf. Um die letzte Müdigkeit zu vertreiben, legen Birte und ich eine laienhafte Salsa-/Hip-Hop-/Poledance-Performance auf Janthinas Vordeck hin, während wir laut die Musik aus den Lautsprechern mitgrölen: „EVERYBODY WANTS TO BE AN ASTRONAUT!“. Nachdem uns alle Leute im Vorhafen angestarrt und zugetoastet haben, droht Svenja, uns über Bord zu werfen oder alternativ selbst über Bord zu springen.

Teil 1  Es geht wieder los!
Teil 2  “Nachts segeln ist schööööön!”
Teil 3  Mädels auf Tour
Teil 4  Im Schwebezustand

3 Kommentare zu „Ostseetörn: Die Schwestern Svenja und Maike auf ihrem IF-Boot“

  1. Ein schöner Artikel! Hoffe die Fortsetzung kommt bald!

  2. avatar Sven 14Footer sagt:

    Sehr schön zu lesen. Bitte mehr davon!

  3. avatar Eule sagt:

    Einfach köstlich…
    Freue mich schon auf mehr…

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