America’s Cup: Oracle radelt erstmals über das Cup-Revier in Bermuda – Was bringt das?

Slingsby schwingt sich in den Sattel

Das Oracle Team USA hat erstmals in Bermuda das nachgerüstete Grinder-Fahrrad in Aktion gezeigt, über das schon viel spekuliert wurde. Taktiker Tom Slingsby testete die Position auf dem Wasser.

Der America’s Cup-Verteidiger Oracle ist in Bermuda erstmals mit einem neuen Feature auf seinem AC50 Katamaran gesegelt. Taktiker Tom Slingsby verließ seine Position am Arm-Grinder, kletterte an Wing-Trimmer Langford und Steuermann Spithill vorbei und setzte sich im Achterschiff auf eine Beinkurbel-Maschine.

Oracle Team USA

Die normale Oracle Konfiguration mit Taktiker Slingsby (3. v. l.) an der Kurbel. Er kann wenig sehen. © Oracle Team USA

Slingsby (l.) hat seinen Platz hinter Spithill auf dem Rad eingenommen.

Offenbar reagiert das US-Team damit auf die guten Trainingseindrücke der Neuseeländer, die mit ihren vier Rad-Grindern viel Energie in die Hydraulik-Systeme einspeisen. Allerdings ist die Konfiguration bei Oracle deutlich anders. Die zusätzliche Rad-Kurbel steht hinter dem Steuermann, und die beiden Hand-Grinder-Vorrichtungen verbleiben am Platz.

Weniger Windwiderstand und mehr Kraft

Die Vorteile: Slingsby ist in der Lage, mit den Beinen mehr Watt zu erzeugen, als mit seiner Armkraft. Aber er kann aus der erhöhten Position hinter dem Steuermann besser das Geschehen auf dem Wasser kontrollieren. Auch die Kommunikation mit dem Steuermann könnte sich verbessern, obwohl er ohnehin per Funk mit Spithill verbunden ist. 

Die Arm-Grinder vom Softbank Team Japan im Einsatz. © Matt Knighton/ Softbank

Hilfreich ist auch, dass er die Hände auf dem Rad frei hat. Somit könnte er Aufgaben vom Trimmer oder Steuermann übernehmen. Außerdem befindet sich seine Position im Windschatten von Spithill, so dass der vermeintliche Nachteil der höher im Wind kurbelnden Radgrinder durch den größeren Windwiderstand weniger zum Tragen kommt. Die Vorteile scheinen auch das zusätzliche Gewicht der Anlage im Boot auszugleichen.

Die körperliche Belastung dürfte für Tom Slingsby nicht ungewohnt sein. Der Weltmeister und Olympiasieger im Laser ist es gewohnt, viele Kilometer auf dem Fahrrad zu verbringen. Die verbesserte Blutversorgung im Oberschenkel-Muskel gilt als einer der Hauptfaktoren für eine gute Ausreit-Leistung in Einhand-Jollenklassen.

Effizienz der Hydraulik

Aber wie wichtig ist die zusätzliche Energie durch die Rad-Grinder tatsächlich? Wenn man die Japaner fragt, ist der Hype um die Bein-Kurbeln völlig übertrieben. Vielmehr gehe es um die Effizienz der Systeme, sagt Glenn Craig, der Hydraulik-Ingenieur beim Softbank-Team. Wie gut kann die Energie in die Hydraulik eingespeist werden? Wie reibungsarm ist die Übertragung auf die Trimmelemente. “Auf diesem Gebiet werden die großen Fortschritte gemacht.”

Man habe im Team vom ersten Tag an großen Wert auf die Entwicklung perfekt schließender Ventile oder auf den Millimeter genau passende Röhren gelegt. “Wenn wir die Konkurrenz auf dem Wasser beobachten, erkennen wir, dass es nicht bei allen so ist.” Wenn ein Team glaube, mehr Kraft generieren zu müssen, dann habe es der Effizienz der Systeme nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt.

So ist es durchaus interessant, dass aber gerade die Kooperationspartner von Oracle diese Auffassung nicht zu teilen scheinen. Aber vielleicht sind die Japaner auf diesem Gebiet auch weiter fortgeschritten. Es dürfte jedenfalls einer der wenigen Bereiche sein, in dem sich die beiden America’s Cup Syndikate  gegenseitig nicht in die Karten sehen lassen.

63 Prozent stärker an der Arm-Kurbel

Softbank-Coach Ryan West, der 2013 noch für Oracle arbeitete, weist auch darauf hin, dass weithin unterschätzt werde, wie viel Watt die Arm-Grinder inzwischen aus ihren Maschinen pressen. Das bewege sich schon in der Nähe der Bein-Kurbler. Im Vergleich zu den Werten von 2013 werden von seinen Seglern inzwischen 20 bis 30 Prozent höhere Leistungen erreicht. 

Ein Beispiel sei der Grinder Yuki Kasatani, ein ehemaliger Profi-Ruderer, der im November 2015 nach einem harten Auswahl-Test unter vielen japanischen Bewerbern zur Crew gestoßen ist. Er habe seitdem 12 Kilogramm zugenommen und wiege jetzt 92 Kilo. Er steigerte seine Bestleistung im Grinden um 63 Prozent. Der erfahrene America’s Cup Segler Derek Saward, der schon vorher einer der weltweit Besten an der Kurbel war, ist nun um 31 Prozent besser.

Auf dem Wasser scheint es zu funktionieren. Die Japaner sind gut in Form und konnten auch schon gegen Oracle gewinnen. Ob der Cup-Verteidiger nun nach dem Umbau noch eine Schippe drauflegen kann?

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Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

3 Kommentare zu „America’s Cup: Oracle radelt erstmals über das Cup-Revier in Bermuda – Was bringt das?“

  1. avatar SR-Kritik sagt:

    Ich finde, hier ist immer weniger los.

    Und über den AC berichtet die YACHT genauso gut. Und zwar gratis !

    YACHT hat bereits Riechers letztes Regattaergebnis veröffentlicht, während man hier noch schläft

  2. avatar Andreas Borrink sagt:

    Dank an den SR für die gute, zusammenfassende Berichterstattung über den AC; ist schon komfortable, sich das nicht alles aus den üblichen (englischsprachigen) Quellen zusammensuchen zu müssen!

    Das wird ein spannender Cup, kann es kaum erwarten. Immer größer die Parallelen zum dirty boxing – verbal schenkt man sich nichts und attakiert jetzt schon im Training. Adrenalin pur. Die Sympathien wieder klar bei den Kiwis (meine jedenfalls), den vermeintlichen underdogs. Genial die Aktion Radfahrer, was für Psycho-Punkt. Sogar Alpha-Mann Spuckhügel schwenkt ein. Wow!

    Kiwis, go!

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