Seenotretter fischen Forschungsboje aus dem Wasser

Spur der Schwertwale zieht sich bis Cuxhaven

Die Spur der Schwertwale zieht sich bis in die Nordsee – zumindest Orca-Daten und die anderer Wal- und Delfinarten: Die Besatzung des DGzRS-Seenotrettungskreuzers “Anneliese Kramer” hat vor Cuxhaven eine Forschungsboje aus Frankreich gesichert.

Arg mitgenommen – dem französischen Forschungsgerät ist die mehr als 540 Seemeilen (rund 1.000 Kilometer) weite Seereise durchaus anzusehen. Foto: Die Seenotretter – DGzRS

Wie sich später herausstellte, war die Forschungsboje mehrere Wochen zuvor vor der Küste der Bretagne verloren gegangen. Inzwischen steht fest: Durch die „Rettung“ des Geräts konnten wertvolle Daten gesichert werden, die ein Team der Ingenieurshochschule ENSTA Bretagne in Brest für seine Forschung über die Lebensweise und Verbreitung von Meeressäugern benötigt. 

Besonderer Fund

In der Außenelbe hatten die Seenotretter der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger Anfang Februar den ungewöhnlichen Fund gemacht: Sie nahmen eine Art Boje mit Messgeräten an Bord. „Wir nahmen an, dass es eine beschädigte Fahrwassertonne ist, und wollten sie einsammeln“, berichtet Hanno Renner, Vormann der “Anneliese Kramer”.

Doch schnell ist klar: Das ist etwas anderes. Auf dem gelben Gerät mit rotem Auftriebskörper sind eine französische Telefonnummer und eine E-Mail-Adresse vermerkt – Vormann Renner nimmt Kontakt auf.

Aufmerksame Seenotretter: Ralf Sarközy und Kai Schöps präsentieren das Fundstück vor dem Seenotrettungskreuzer ANNELIESE KRAMER. Foto: Die Seenotretter – DGzRS 

Forschungsgerät aus Brest

Rund 1.100 Kilometer Luftlinie weiter westlich löst die Nachricht der Seenotretter Begeisterung aus. Der Fund vor Cuxhaven ist ein Forschungsgerät der Ingenieurshochschule ENSTA Bretagne (École nationale supérieure de techniques avancées) im bretonischen Brest. Damit und mit mehreren baugleichen Sonden erforschen Flore Samaran, Maëlle Torterotot und ihr Team die Geräusche von Meeressäugern im maritimen Nationalpark Iroise an der Westküste Frankreichs. „Das Gerät war eigentlich fest vor der Küste montiert“, erklärt Torterotot. „Doch als Ende 2022 die Akkus gewechselt werden sollten, mussten wir feststellen, dass die Meeresströmung es losgerissen hatte.“

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Flore Samaran, Maelle Torteroto und Julie Beesau (von links) von der französischen Ingenieurshochschule ENSTA Bretagne freuen sich über die Rückkehr des Hydrophones. Foto: ENSTA Bretagne 

Mikrophon hört Wale ab

Das Projekt CETIROISE sammelt Daten über die Verbreitung und Lebensweise der Wal- und Delfinarten an Europas Westküste. Die Daten der Messboje wähnte das Forschungsteam bereits verloren. Maëlle Torterotot: „Wir waren unheimlich aufgeregt, als wir erfuhren, dass die DGzRS unser Gerät gefunden hatte. Wir hätten nie gedacht, dass es so eine weite Reise hinter sich bringt.“

Schwertwale auf dem Zug. Foto: Shutterstock

Der Iroise Marine Natural Park (Le parc naturel marin d’Iroise) und ein Forschungsteam der ENSTA Bretagne zeichnen mit Hydrophonen – Unterwassermikrophonen – Walgeräusche auf. Jede Walart gibt unterschiedliche Arten von Geräuschen ab und verwendet unterschiedliche Frequenzbereiche, die für sie spezifisch sind. Über die akustischen Aufnahmen der Hydrophone kann dann in etwa ermittelt werden, ob und wie regelmäßig ein Gebiet von bestimmten Walarten genutzt wird. 

Neben verschiedenen Delfinarten sind im Iroise Zwergwale heimisch.  Buckelwale und Finnwale und natürlich Schwertwale – Orcas – ziehen regelmäßig durch. 

In einem vorherigen Projekt hatten sich die Wissenschaftler von ENSTA direkt mit Orcas befasst – im Mittelpunkt dabei stand die regelmäßige Plünderung von Fischernetzen durch die Schwertwale. In diesem Zusammenhang wurde ENSTA Bretagne als Expertin vom französischen Amt für Biodiversität beauftragt, ein passives akustisches Überwachungsprogramm zur Überwachung von Meeressäugerpopulationen in den 4 marinen Subregionen Frankreichs (Ärmelkanal-Nordsee, Keltische See, Golf von Biskaya, Mittelmeer) zu entwickeln. In einem weiteren Schritt könnte es im Rahmen der Europäischen Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) in größerem Maßstab eingesetzt werden.

Durch den Ärmelkanal

Welchen Weg das Forschungsgerät von der Bretagne nach Cuxhaven zurückgelegt hat, kann in der von der DGzRS betriebenen deutschen Rettungsleitstelle See, dem Maritime Rescue Coordination Centre (MRCC) Bremen, berechnet werden. Anhand eines speziellen Computerprogramms zur Suchgebietsplanung im Falle über Bord gegangener Schiffbrüchiger lassen sich die Drift- und Strömungsverhältnisse der Nordsee zurückverfolgen. Das Ergebnis: Die bretonische Boje kam definitiv durch den Ärmelkanal zur Kugelbake.

Auf dem Postweg gelangt das Gerät zurück an seinen Ursprungsort. Die Freude dort ist groß: Die verbaute Speicherkarte lässt sich noch auslesen.

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