Class 40: Simon Koster im Interview – Countdown Route du Rhum

Es boomt

Der Schweizer Simon Koster über Regattaerfolge, Class40-Boom, Scow-Bug, gestreckte oder runde Unterwasserschiffe und warum ein Kielverlust etwas mit „Spiel“ zu tun haben kann.

Simon Koster im Konzentrationsmodus © Ian Videography

Ortstermin in Lorient – Lunchtime mit Simon Koster. Der Schweizer Hochseesegler hat sich für das Gespräch mit SR zwischen zwei Arbeitsgängen an der Class 40 „Banque de Lemans“ ein bisschen mehr Mittagspause als sonst gegönnt. Das Boot sei derzeit für einen Sommer-Check auf dem Trockenen, es gebe einiges zu tun, berichtet der 34-Jährige. Und überhaupt stehe derzeit alles unter dem Zeichen der legendären Einhandregatta „Route du Rhum“ (RdR), an der Simon in diesem Jahr teilnehmen will.

Tut gut!

SegelReporter: Simon, Deine Saison hat im Hinblick auf ihr Highlight Route du Rhum doch ganz vielversprechend angefangen.
Simon Koster: Nun, die Saison ist aus finanziellen Gründen eher kurz dieses Jahr, ich konzentriere mich eben voll auf die RdR. Im April war ich einhand bei den „1.000 milles des Sables“ dabei und landete nach einem Flautenpoker für die Spitzengruppe auf Rang 4. Im Juli habe ich am Dhream-Cup mitgemacht, da wurde ich Dritter und hab’ damit auch die Qualifikation für die Route du Rhum erledigt. Die Regatta war besonders spannend, weil einige neue Boote dabei waren und Figaro-Größen wie Yoann Richomme mitmischten. Das tut dann schon gut, wenn man die hinter sich lässt! Aber solche Regatten sind auch wichtig, um zu sehen wie man im Vergleich zu den anderen unterwegs ist, an was man noch feilen muss, wo Änderungen vorzunehmen sind und und und.

Rundes oder gestrecktes Unterwasserschiff? © ian videography

SegelReporter: Nenn’ uns doch bitte ein paar Beispiele, was ihr am Boot – oder am Skipper – geändert habt?
Simon Koster: Ich habe vor allem am Rhythmus gearbeitet. Denn wenn man – wie Valentin Gautier und ich – zuletzt viel zweihand segelte, dann ist das solo eine ganz andere Sache: Die Segelwechsel müssen punktgenau stimmen, weil sie für eine Person deutlich schwerer sind, als zu zweit. Außerdem feile ich an der Vorwind-Performance: Wieviel Segelfläche braucht es bei welcher Windstärke? Wie hoch muss ich fahren, damit ich gut über die Welle komme? Wir haben ja ein eher gestrecktes Boot mit einer weniger gebogenen Längslinie – bei zuviel Welle „steht“ das Boot dann irgendwann „an“.

Konfigurationen aus dem Pool

Das ist für mich der kritische Punkt, weil ich im Hinblick auf die Route du Rhum hier die richtige Lösung finden muss. Ich hatte zum Beispiel bei den „1.000 Miles des Sables“ eher flache Vorwindsegel dabei und war damit ganz zufrieden, denke aber, dass ich für diese Konfiguration noch ein wenig mehr Wind brauche, als es damals der Fall war.
SegelReporter: Vergleichst du dich dann mit anderen Booten während der Regatta oder arbeitest du eher mit Daten, die du bei Trainingsfahrten und bei den Regatten sammelst?
Simon Koster: Eigentlich beides. Während Regatten schaut man immer zwangsläufig nach den anderen und wenn sie auf dem selben Bug unter den gleichen Bedingungen segeln, kann man ganz gut vergleichen. Hauptsächlich stützen wir uns jedoch auf die selbst gesammelten Werte. Seitdem wir auf unserer Class 40 segeln, arbeiten wir mit KND Sailing Performance in Valencia zusammen. Die sind spezialisiert auf die Auswertung solcher Daten. Im Prinzip schmeißen wir alle Daten in einen Pool und die Software findet dann heraus, welche Performance-Daten zwischen 95 und 110 Prozent liegen. Aus diesem „Topf“ ziehen war unsere Erkenntnisse, wann welche Segelkonfiguration unter welchen Bedingungen wirklich gut waren bzw. für die Zukunft gut sein werden. Ich bin sehr zufrieden mit dieser Zusammenarbeit, weil solche Auswertungen erfahrungsgemäß leider immer am Ende der Prioritätenliste stehen, wenn man alles selbst machen will.

Wer alleine segelt, hat mehr zu tun © ian videography

SegelReporter: Bleiben wir noch ein wenig bei der Technik: Ihr war mit Eurem Boot ja nach Ian Lipinski die Zweiten, die mit einem runden Bug und einem voluminöseren Bug an den Start gegangen sind. Ganz offensichtlich hat sich das bewährt, alle danach gebauten Boote sind ebenfalls so aufgebaut.

Simon Koster: Klar, die Unterschiede zwischen der „klassischen“ Bugform und den neuen, runden Formen, ist schon groß.

SegelReporter: Wie groß ist „groß“ ? 2-3 Knoten?

Simon Koster: Eher 1-2 Knoten, beispielsweise im Vergleich zwischen einer Mach 3 und 4. Und das tut auf raumen Kursen dann schon weh…

SegelReporter: Das maximal von der Klassenregel erlaubte Volumen in den Rumpf zu packen, ist das Eine. Aber in der Class 40 spielt auch noch eine andere technische Besonderheit eine elementare Rolle…

Simon Koster: Es geht darum: auf was optimierst Du Deine Rumpfform? Du kannst im Prinzip ein sehr flaches Unterwasserschiff bauen, das bei Leichtwind sehr viel benetzte Fläche hat, aber bei mittlerem Wind sehr schnell anspringt und ins Gleiten kommt. Wenn der Wellengang zu hoch wird, ist allerdings wieder das Problem mit dem „Einstechen“ in die Welle da. Am Wind ist das alles kein Problem, weil die Class 40 gekrängt gesegelt werden. Ich werde oft gefragt: Wie kann man mit so einem voluminösen Bug ordentlich Höhe fahren? Aber wenn man das Boot 20 Grad krängt, segelt es wie auf Schienen auf der unteren Chine. 8-9 Knoten Speed bei 45 Grad – die Class 40 werden selten höher gefahren.

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