Kieler Woche: Die iQ-Foiler bringen das Windsurfen zurück nach Kiel

Mit 32 Knoten übers Wasser fliegen

„I’m back!“ Mit dieser kurzen Pressemitteilung hat Michael Jordan vor einem Vierteljahrhundert sein Comeback angekündigt. Nicht ganz so legendär, aber doch fulminant sind nun die Windsurferinnen und -surfer nach neun Jahren zur Kieler Woche zurückgekehrt. Seit Donnerstag fliegt die iQ-Foil-Klasse über den Parcours. Zwölf Männer und zwölf Frauen sind dabei und zeigen eindrucksvoll, was Surfen anno 2021 bedeutet und wie es zu den Olympischen Spielen 2024 die Massen begeistern soll.

Internationales Feld der Frauen auf iQ-Foilern beim Windsurf-Comeback zur Kieler Woche 2021.  Foto: ChristianBeeck.de

Der deutsche Überflieger der Szene ist Sebastian Kördel. Der Mann vom Bodensee, der für den NRV Hamburg startet und im spanischen Tarifa lebt, fegte mit vier Siegen und einem zweiten Platz am ersten Tag der Konkurrenz davon. Mit 22 Knoten Geschwindigkeit foilten die Aktiven über die Ostsee, und das war nur der gedämpfte Speed. Denn die Seegrasfelder auf der Außenförde ließen die Höchstgeschwindigkeit nicht zu. „Bis 28 Knoten wären sonst möglich gewesen. Bei optimalen Bedingungen wie zuletzt bei der WM auf dem Silvaplanersee in der Schweiz sind es sogar 32 Knoten“, so Kördel.

Das relativ kleine Feld von zwei Dutzend Surfern sei bei der Premiere nur ein Bruchteil dessen, was an Startern möglich wäre. Mit einem Preisgeld ließe sich die Profiszene mit weit über 100 Teilnehmern locken, das sei unbestritten, aber nicht „mal eben“ finanzierbar. Die Kieler Woche setzt in jedem Fall weiter darauf, ab 2022 zum angestammten Termin Ende Juni wieder alle olympischen Klassen vor Ort zu haben – und auch die iQs mit einem stattlicheren Feld. Kördel: „Es ist ein wichtiges Zeichen, dass wir schon diesmal hier dabei sind. Und die packenden Videos vom Auftakt dürften einen positiven Eindruck hinterlassen haben.

Viermal auf die Eins surffoilte Sebastian Kördel zum Auftakt der Kieler Woche.  Foto: ChristianBeeck.de

Hinter Kördel reiht sich in der Ergebnisliste eine bunte Mischung aus iQ-Foilern ein, die nicht nur aus der World-Cup-Szene der Windsurfprofis stammen, sondern auch den Umstieg aus anderen Bootsklassen gewagt haben. Auf den ersten Blick scheint das ungewohnt. Und auch Profi Nico Prien aus Schönberg/Holstein, zur Halbzeit Zweitplatzierter zur Kieler Woche, erstaunt es, dass viele Segler aufs Windsurfboard umsteigen. Seine Erklärung: „Normalerweise wird das Windsurfen auf einem Brett mit Finne gelernt, das dauert länger. Aber bei gewissen Vorerfahrungen im Windsurfen oder Foilen beim Segeln ist der Einstieg in die iQ-Foil-Klasse relativ einfach.“ Gründe seien das kippstabile Board und das neutrale Segel mit einer großen Bandbreite bei der Windstärke.

Aktiver Profi und Brand Manager für das olympische Material der iQ-Foil-Klasse: Nico Prien.  Foto: ChristianBeeck.de

„Das Material ist einfach zu handhaben und vor allem für alle gleich. Außerdem gibt es nur eine Segelgröße. Das erspart einem das Dilemma, möglicherweise das falsche Segel gewählt zu haben. Im Windsurf-Cup habe ich immer zehn unterschiedlich große Segel dabei und muss genau überlegen, womit ich starte. Dagegen ist es in dieser Klasse echt entspannt“, ergänzt Prien, der Brand Manager bei „Starboard“ ist, dem Unternehmen, das das Material für die olympische Klasse entwickelt hat.

Auch Lena Erdil, die bei der Kieler Woche zu den Favoritinnen zählt, aber erst verhalten in Fahrt kam (Platz sieben), bestätigt: „Wer bereits ein bisschen Windsurfen kann, dem fällt der iQ-Einstieg nicht schwer. Nach ungefähr einer Woche wird geflogen“, so die Deutsch-Türkin. Sie hat nach einer erfolgreichen World-Cup-Karriere mit zwei Vize-WM-Titeln erst im vorigen Jahr die Disziplin gewechselt. Bei der ersten Weltmeisterschaft der Klasse in Silvaplana im August surfte die 32-Jährige auf Platz 13 von 72 Teilnehmerinnen.

Bereits im Alter von 13 Jahren bestritt Erdil erste Windsurfwettbewerbe. Mit 20 Jahren stieg sie in die World-Cup-Serie ein. Ihr mittelfristiges Ziel: Bei den Olympischen Spielen 2024 in Marseille/Frankreich am liebsten ganz oben auf dem Siegerpodest stehen.

Mitfavoritin Lena Erdil kam nicht so schwungvoll wie erhofft in die Kieler Woche, setzt aber ganz auf das Wochenende, um weiter nach vorne zu fliegen.  Foto: ChristianBeeck.de

Die Spiele findet zwar auch Nico Prien reizvoll, glaubt aber kaum an eine eigene Teilnahme: „Ich bin inzwischen beruflich zu eingespannt, dass ich leider nicht mehr ganz so viel trainieren und auch nicht jeden Wettbewerb mitfahren kann. Da wäre eine Vorbereitung auf Olympia schwierig. Aber ich werde auf jeden Fall regelmäßig an Regatten der Klasse teilnehmen.“

Sein Ziel zur Kieler Woche ist ein Platz auf dem Podium. Hinter Sebastian Kördel hat er gegenüber der Konkurrenz einen klaren Speedvorteil. Bislang hatte viermal Kördel die Nase vorn, aber Lokalmatador Nico Prien ist ihm zumindest auf dem Tableau dicht auf den Fersen. „Natürlich wollen wir beide gewinnen, aber wenn einer von uns am anderen vorbeizieht und klar ist, wer gewinnt, rufen wir uns schon mal freundschaftlich etwas zu“, erklärt der langjährige Profiwindsurfer lachend.

Seit 2013 geht Prien bei der Welttour der PWA (Professional Windsurfers Association) an den Start. Derzeit liegt er dort in der Weltrangliste zwei Plätze vor Sebastian Kördel auf Rang elf und in der Disziplin Foil-Racing auf Platz 13 hinter Kördel (5.). Auch bei der nationalen Windsurf-Cup-Serie ist Prien Stammgast auf dem Siegerpodest. In der iQ-Foil-Klasse ist er erst seit kurzem zu Hause. „Eigentlich fahre ich lieber bei starkem Wind, aber hier wäre Brise im mittleren Bereich perfekt, gerade noch für ausreichend Druck im Segel, aber trotzdem noch leicht genug für Slalomrennen. Wind aus West ist günstiger als aus Ost, weil wir dann weniger oder kein Seegras auf der Bahn hätten“, so Prien.

Die Regatta in Kiel ist der erste internationale iQ-Foil-Wettbewerb in Deutschland und gleichzeitig nach vorangegangen Events auf Binnenseen auch der erste auf dem offenen Meer. Die weiteste Anreise zur Kieler Woche hatte Malik Hoveling von der Karibikinsel Aruba. Nach zwölf Stunden Flugzeit und achteinhalb Stunden Autofahrt kam er in Kiel an. Aus seiner Heimat ist er das Windsurfen auf dem offenen Meer, teils auch bei viel Wind gewohnt. Am ersten Wettbewerbstag hat sich das für ihn bereits ausgezahlt. Nach den fünf ausgetragenen Rennen lag er auf Platz fünf und damit kurz hinter den deutschen Topfahrern. Nicht nur das vergleichsweise warme September-Wetter dürfte ihn und viele andere motivieren, nächstes Jahr wiederzukommen, auch wenn die Rennen am Freitag wegen zu wenig Wind ausgefallen sind. Die sollen am Sonnabend (11. September) nachgeholt werden. Die iQ-Besten der Kieler Woche 2021 werden am Sonntag gekürt. (khe)

 

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