Knarrblog: Liga-Insights vom Männer-Törn – Persönlicher Rückblick auf den Liga-Auftakt

Fehler, Freude und Fassbrause

Knapp vor dem Start des zweiten Liga-Spieltags kommt der Rückblick auf den ersten. Etwas spät, aber diese Dramaturgie muss auch erstmal verkraftet werden 🙂

„Frühstart!“ sagt Eike trocken. „Wirklich? Niemals!“, schnaube ich. Kann nicht sein, denke ich. So ein schöner Start. Aber er sagt das so überzeugend. Und diese verdammte weiße Finnland-Flagge mit dem blauen Kreuz flattert auf dem Startschiff. Ist nicht doch jemand anders gemeint?

WVH

Das WVH-Team am Starnberger See beim Liga Auftakt. © DSBL

Aber ich habe gelernt, auf Eike zu hören, drehe in die Halse, fahre zur Linie zurück, peile zur gelben Flagge am Startschiff und drehe wieder hoch.

Hmm, die Einzelrückruf-Flagge bleibt oben. Waren wir es doch nicht? Oder noch ein anderes Boot. Auch der Flensburger Segel-Club dreht ab. Dann werden die es wohl gewesen sein. Egal. Wer auch immer. Wir sind ja jetzt sicher.

Konzentrieren auf die Aufholjagd. Vielleicht geht da noch was? Tatsächlich. Ein fetter Rechtsdreher, und zack, wir sind wieder im Spiel. Platz zwei an der Luvtonne und dann auch im Ziel. Glück im Unglück nennt man das wohl. Aufatmen.

Betretene Gesichter

Von wegen. Betretene Gesichter auf dem Startschiff. Wir fragen nach, wer denn nun drüber war. Ich erwarte zu hören, dass wir gar nicht zu früh gestartet sind. Von wegen. Wir sind disqualifiziert. Nicht weit genug hinter die Linie abgetaucht (Tracker R1 F6). Schocking! Was für ein Mist.

Der Tracker bestätigt es. Nicht weit genug hinter die Linie gesegelt. Pffft….

Es wird still an Bord. Das muss man erstmal verkraften. Sieben Zähler statt zwei. Das sind Welten im Liga-Ranking. Eben noch auf Rang zwei, nun geht’s ab nach hinten. Alle wissen, so eine volle Punktzahl ist in der Serie kaum auszugleichen.

Das war wirklich Bockmist. Ich spule zurück. In der Hektik habe ich wohl zur falschen Flagge gepeilt. Nicht die gelbe am Bug des Startschiffs war relevant, sondern die orange in der Mitte. Man muss schon ganz schön beknackt sein für so einen Fauxpas.

Mund abwischen

Aber so ist eben die Liga. Irgendwas ist immer. Ein krasses Auf und Ab in 16 Rennen über drei Tage. Jede Crew weiß am Ende genau, wo die wichtigen Punkte verloren gingen. Dieser eine völlig verkorkste Start. Dieser blöde Penalty. Diese unglaubliche Vorwindstrecke, als gleich fünf Boote passierten. Und diese schreckliche Kreuz mit dem Extrem-Dreher, der die Platzierungen auf den Kopf stellte.

WVH

Am zweiten Tag konnte geglitscht werden. © DSBL

Mund abwischen, weitermachen. Das muss die Devise sein. Es sind doch immer die eigenen Fehler, die den Erfolg verhindern. Nicht hadern. Das nächste Rennen ist das Wichtigste. Nicht zweifeln. Nichts erzwingen wollen. Einfach Spaß haben.

Denn davon gibt es genug an so einem ausgedehnten Liga-Wochenende. Ein echter Männer-Törn. Zusammen segeln, wohnen, lachen und trauern. Man kommt sich sehr nahe. Lernt Macken und Stärken kennen. Wer räumt die Küche auf, blockiert zu lange das Klo, wird schon mal zappelig, schnarcht, duftet, haut die krassesten Sprüche raus?

Richtige Misserfolge haben wir eigentlich in dieser Besetzung noch nicht erlebt. Im vergangenen Jahr gewinnen wir gleich die Vorbereitung und Liga-Premiere. Und auch in dieser Saison geht es mit 3/1 bei den Wettkampf-Tests in Hamburg und Berlin so weiter. Aber wie klappt‘s wenn man mal durch ein Tief muss?

Ziemlich einsam

Das Frühstart-Erlebnis ist ein echter Test. Nach so einem Fehler kann man sich am Steuer sehr einsam fühlen. Besonders wenn es das letzte Erlebnis des Tages ist. Man droht, schnell die Höhepunkte des Tages zu vergessen, die zwei schönen Siege. Das Bier und die selbstgekochten Nudeln schmecken einfach nicht ganz so gut.

Wechselbad der Gefühle beim Liga-Auftakt am Starnberger See. Nur der VSaW segelte entspannt an der Spitze.

Am nächsten Morgen kommen wir  ordentlich aus den Startblöcken, schieben uns  bis aufs Podium nach vorne und freuen uns dann so sehr über den einsetzenden Starkwind – dabei wähnen wir uns besonders stark – dass wir irgendwie vergessen, auch die zugehörigen Punkte einzusammeln.

Es reicht in diesem starken Feld nicht, das Risiko beim Start zu minimieren, um sich dann einfach mit besserer Technik vorbei zu kämpfen. Auch die Freunde von der Schlei, angereist mit einem Not-Team um Folkeboot-Segler und Liga-Novize Sven Kruse unterstützt vom eisern barfuß segelnden Bruder Thomas, nehmen uns einen Punkt ab. Wir rutschen bis auf Platz neun ab nach dem zweiten Tag.

Puh, doof gelaufen. War‘s das? Wie verkraftet unser allmählich zusammenwachsendes Crew-Gebilde diesen ersten größeren Rückschlag? Nur noch vier Rennen am Sonntag. Ist das Ding noch zu drehen?

Haare raufen

Die Teamkollegen aus der Heimat melden sich mit aufmunternden Nachrichten. Die Armen haben am Bildschirm daheim mitgefiebert, und sich sicher die Haare gerauft. Nicht so viel denken, einfach segeln, ist die Botschaft vom Käpt`n. Er kennt mich schon ganz gut?.

Bei der ersten Fassbrause nach dem grottigen Tag lockert sich die Stimmung. Contender-Champ Markus droht unseren Youngstern einen Brettspiel- Abend an. Er hat tatsächlich ein mächtig verranztes Risiko- Spiel mitgebracht, und ich bin begeistert, dass noch jemand dieses ultimative Schlacht-Spektakel kennt.

Unser Youngster Tjorben, der vermutlich schnellste Spihochzieher der Liga, verdreht innerlich die Augen – auch wenn er sich äußerlich nicht erwischen lässt. Dabei sollte man dabei wunderschön seine Aggressionen loswerden können – indem man andere Länder überfällt, äh „befreit“.

Der Plan fällt allerdings der Müdigkeit zum Opfer. Und der Live-Übertragung des SailGP aus San Francisco. Zu viert auf dem Bett der Airbnb-Hütte liegend folgen wir den Manövern der HighSpeed-Pros.

Unter Druck ins Finale

Bei uns klappt am nächsten Tag die Umsetzung der Foiling Tacks  zwar nicht völlig überzeugend mit den J/70, aber wir kommen ähnlich stark aus den Startblöcken. Zwei Siege zu Beginn lassen die Welt schon ganz anders aussehen. Ein tolles Gefühl, dass wir gerade unter Druck gut funktionieren. Selbst Platz zwei ist plötzlich wieder drin.

Auch im dritten Lauf liegen wir an der Luvtonne aussichtsreich vorne. Aber dann wird’s fies. Vor dem Wind schiebt sich das Feld mit einer Böe samt Linksdreher zusammen und auf unsere Leeseite. Mit einem Luvmanöver versuche ich, den anlaufenden Windstrich zu erwischen. Ein großer Fehler. Der Druck reicht nicht aus, um das Aufgeben der Verteidigungsposition zu rechtfertigen.

Kann man besser machen! Die Vorwind-Situation im vorletzten Rennen:

Unsere ärgsten Konkurrenten im Kampf um Platz zwei vom Chiemsee schnappen sich die Innenposition an der rechten Marke, wir haben noch Glück, keine Strafe zu bekommen, ich wechsle zur linken Tonne, aber dort haben sich die Youngster des Gastgebers vom letzten Platz ganz nach vorne geschoben.

Wie gewonnen, so zerronnen

Hinter ihnen quälen wir uns im Windschatten nach rechts. Eigentlich läuft es dort gut. Die Münchener schieben sich an die Spitze. Aber ich traue der Seite nichts zu, wende nach links. Ein weiterer Fehler. Die folgende Rechtskippe findet ohne uns statt. Zack, das war’s. Wie gewonnen, so zerronnen.

Dabei sind wir am Ende mit Platz fünf noch gut bedient. Wie krass das Wechselbad der Gefühle sein kann, zeigt die Grafik oben.  Ausschläge können extrem sein. Der Bayerische Yacht-Club schiebt sich in den letzten vier Rennen von Rang 12 auf 3 vor. Die Flensburger fallen von 2 auf 9 zurück. Der NRV rutscht mit einem Zwischenspurt von Platz 12 nach drei starken Läufen auf 2 vor und rutscht dann doch wieder auf 7 ab. Die Düsseldorfer rücken am letzten Tag von 10 auf 4 vor.

Jedes Team erlebt seine eigene Dramaturgie bei diesem Liga-Format. Die kleinste Unkonzentriertheit wird hart bestraft. Aber wie immer beim Segeln gilt: Am Ende gewinnt dann doch wieder das beste Team.

Nicht anders wird es in Konstanz laufen. Ab Morgen geht es wieder los. Die Karten werden neu gemischt. Für den WVH müssen diesmal die Kollegen an die Front. Auch das Mitfiebern am Bildschirm dürfte wieder viel Energie kosten. Hier kann man die Dramaturgie verfolgen: Eventseite 2. Spieltag Segelbundesliga Konstanz

Die Ergebnisse beim ersten Liga-Spieltag.

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Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

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