Malizia bei The Ocean Race: Boris Herrmann gibt sich siegessicher

"Wir können wirklich gewinnen"

Solch laute Töne ist man von Boris Herrmann nicht gewohnt. Vor dem Start der Königsetappe bei The Ocean Race geht er mit frischem Selbstbewusstsein in die Offensive und kündigt einen möglichen Sieg an.

Boris Herrmann © Antoine Auriol / Team Malizia

“Unser Schiff hat sich auf der zweiten Etappe bei den starken und rauen Windbedingungen im Südpolarmeer gut geschlagen – wir waren sogar schneller als die anderen”, sagt Boris Herrmann in einer Online-Pressekonferenz. “Deshalb freut sich die Crew auf die nächste Etappe, ich natürlich auch. Und dieses Mal sind wir nicht so zurückhaltend wie sonst. Ich denke, wir können sagen, dass wir wirklich eine Chance haben, die nächste Etappe zu gewinnen.”

So offensiv und selbstbewusst hat man den deutschen Skipper noch nicht gehört. Aber er geht mit ermutigenden Fakten in diesen dritten Abschnitt der Welt-Regatta. Für genau dieses vor ihm liegende Seegebiet ist Malizia gebaut. Der Southern Ocean soll genau das Spielfeld sein, wo der Neubau funktioniert. Dafür hat Herrmann die Leichtwind-Defizite der Konstruktion ertragen, die bei den ersten beiden Etappen und der Route du Rhum sichtbar wurden. Aber das Schiff hat eben auch schon gezeigt, dass es trotz zeitweise angezogener Handbremse wegen eines angeknacksten Foils offenbar genau das abliefern kann, was die Designer von VPLP eingebaut haben: Speed bei harten Bedingungen.

Boris Herrmann ist bester Laune. © Antoine Auriol / Team Malizia

Den durfte er in der Endphase der ersten Etappe schon selbst erfahren und auch bei der zweiten Etappe überzeugte das Schiff im Südpolarmeer. So ist es etwas unglücklich, dass sich diese Entwicklung nicht am Punktestand ablesen lässt. Denn schließlich fielen die wichtigen Entscheidungen insbesondere beim jüngsten Etappen-Finale bei leichtem Wind.

Davor sei man auch diesmal nicht gefeit, sagt Herrmann, etwa wenn die Startphase von Kapstadt nur wenig Wind bringt, oder nach der Rundung von Kap Hoorn das Finale in Brasilien leichtwindig wird. Aber das habe man eben nicht in der Hand. Bis dahin hofft der deutsche Skipper, schon viele Meilen in Führung zu liegen.

11th Hour baut in Kapstadt die beschädigten Flügel aus. © 11th Hour Racing

Die bisherige Leistung gegenüber der Konkurrenz kann durchaus Hoffnung machen. Insbesondere, weil nun 11th Hour nach dem Tausch zu seinem alten Satz Foils gehandicapt sein könnte. Ein Grund für den Foil-Schaden ist bisher nicht genannt worden. Aber beruhigend ist es nicht, dass durch die Dauerbelastung Risse auf gleich beiden Seiten entstanden sind. Das könnte auf ein größeres Stabilitätsproblem hindeuten. Skipper Charlie Enright dürfte bei harten Bedingungen nun eher früher als später vom Gas gehen.

“Weil ich dumm war”

Die Brandverletzung sei gut ausgeheilt, sagt Boris Herrmann. In Kapstadt habe er sich sogar einer speziellen “sehr fortschrittlichen” Behandlung unterziehen können, die sehr gut angeschlagen hat.

Die Verbrennung sei im Übrigen nicht wegen einer unsicheren Apparatur entstanden, sondern einfach “weil ich dumm war”. Man habe nun dennoch einige Änderungen vorgenommen, um die Kocherbedienung so sicher wie möglich zu machen. “Wir legen unsere gefriergetrockneten Lebensmittel jetzt einfach unter das Ventil und öffnen es, so dass wir den Topf mit dem heißen Wasser nicht mehr bewegen müssen.”

Herrmann weiter: “Ich freue mich auf die Etappe, denn ich habe wirklich das Gefühl, dass wir eine sehr gute Leistung bringen können.” Die erwarteten Bedingungen scheinen zu den Stärken von Malizia zu passen. “Die Umrundung von Kap Hoorn wird einer der großen Momente des Rennens sein. Es ist ein so cooles Wahrzeichen. Ich hoffe, wir können es sehen, wenn wir es passieren und haben dann auch eine gute Position im Rennen.”

14 Tag an Bord von Malizia. OBR Antoine Auriol und Yann Elies schützen sich mit Kopfhörern vor dem Dauerpfeifen. Nicolas Lunven nutzt Ohrstöpsel. © Antoine Auriol / Team Malizia

Der Skipper geht auch auf das nervige Pfeifen ein, das die Crew stark belastet hat. Malizia gilt als das lauteste Boot der Flotte in dieser Hinsicht. Die Crew war im Highspeed-Modus ständig auf ihre Noise-Cancelling-Kopfhörer angewiesen, um den lauten Ton des fliegenden IMOCA ausblenden zu können.

Insbesondere Rosalin Kuiper spricht über ihre Probleme. Selbst an Land sei sie ihren Tinitus nicht losgeworden. Sie sagt: “In den letzten Tagen habe ich einige Ärzte und Spezialisten besucht und dabei gute Hilfe sowie besseren Gehörschutz erhalten. Der Tinitus ist noch da, aber ich habe das Gefühl, dass ich mental darüber hinwegkommen kann und ich bin zuversichtlich, dass es besser wird.”

In der aktuellen Episode 3 der Malizia Doku-Serie macht sie das Problem noch einmal deutlich:

Herrmann erklärt, dass man in den vergangenen Tagen nun intensiv auch am Shape der Foils gearbeitet habe. Sie seien nicht nur an der Achterkante verstärkt worden, die nach hinten rotieren und beim Anschlagen in der Foil-Aufnahme beschädigt wurden, sondern auch an den Enden neu profiliert. Ein Austrittswinkel von 45 Grad sorge normalerweise dafür, dass die Geräusche leiser werden. Das war auch schon vorher bekannt, nun seien die Arbeiten aber noch genauer ausgeführt worden. Er hoffe auf eine deutliche Erleichterung der Belastung bei hohem Speed.

 

 

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Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

4 Kommentare zu „Malizia bei The Ocean Race: Boris Herrmann gibt sich siegessicher“

  1. avatar Andreas Borrink sagt:

    Hm. Ich dachte immer, die bauen diese Foils auf dem Niveau von Airbus-Leitwerken (CAD/CAM, Prepreg, Autoklav etc.)……..aber wenn ich dann lese, dass nun da allenthalben “die Kanten verstärkt” und “der Austrittswinkel….genauer ausgeführt” wird, kommen mir da Zweifel. Bei einem hydrodynamischen Profil, dass bei diesen Geschwindigkeiten optimal funktionieren soll (kein Strömungsabriss, wenig Vibrationen etc.) kommt es bei der Geometrie mindestens auf Zehntelmillimeter an. Diese Genauigkeit wird bei den Arbeiten vor Ort kaum einzuhalten sein; von der strukturellen Seite mal ganz abgesehen.

    Umso mehr drücke ich allen Konkurrenten die Daumen, dass im Südpolarmeer alles gut geht. To finish first, you first have to finish!

    • avatar Tim sagt:

      Das was in dem Artiel steht ist auch so von Malizia nicht kommuniziert worden. Lediglich die Form des Kiels und des Ruders wurden verändert. Die sind wohl als hauptsächliche Lärmquelle identifiziert worden. Die Foils wurden an den genannten Stellen “nur” verstärkt und repariert.

      • avatar Till sagt:

        die Kantenverstärkung betrifft nur den Bereich des Foils im foillager der beschädigt war, das liegt vermutlich daran, dass die foilaufnahme in Malizia komplett anders funktioniert als in den Maunard Imoca. die Anpassungen an den Kanten waren hauptsächlich an den Rudern und am Kiel, da stand in irgendeinem Interview dass die Kanten asymmetrisch geschliffen werden um den Lärm zu reduzieren.

        • avatar Bertram S. Pinat sagt:

          Da muss einem Hydrodynamiker trotzdem das Gesicht entgleisen. Tausend Stunden am Rechner und in der Versuchsanstalt… Egal, machen wir in Kapstadt mit der Flex anders.

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