Transat Jacques Vabre Start: “Hugo Boss” schockt Konkurrenz – Herrmann vorne dabei

Demonstration der Stärke

Bei der Transat Jacques Vabre scheint Alex Thomson mit seinen Gegnern zu spielen. Mit einem erstaunlichen Speed-Boost seiner neuen “Hugo Boss” raste er am Feld vorbei, nahm aber wieder den Fuß vom Gas.

Er wolle einfach nur ins Ziel kommen, sagte Alex Thomson zu seinen Zielen für die erste große Atlantik-Regatta Transat Jacques Vabre mit seiner neuen “Hugo Boss”. Und es mochte sich wie notorische Tiefstapelei anhören. Schließlich sollte der IMOCA-Neubau als eine der heißesten, extremsten und mit rund sechs Millionen Euro teuersten Konstruktionen der neuen 60 Fußer Generation zu den Favoriten gehören.

Der Am-Wind-Start bei der TJV vor Le Havre. “Hugo Boss” vor “Charal” in Lee. © TJV

Andererseits macht es für ihn keinen Sinn, große Risiken einzugehen. Schließlich steht erst im nächsten Jahr der große Zielwettkampf für den Briten an, die Vendée Globe. So gab Thomson die Parole aus, vor allem viele Performance-Daten über das Segelverhalten des Schiffes sammeln zu wollen, um dann besonders in den Wintermonaten die Foils weiter zu optimieren zu können.

Mit dieser Strategie hat auch der große Konkurrent Jeremie Beyou in die Erfolgsspur gefunden. Seine “Charal”, erster Foiler der neuen Generation, benötige gut ein Jahr, um sich zur Siegeryacht zu entwickeln.

Umso erstaunlicher ist es, was Alex Thomson da gerade beim Transat Jacques Vabre abliefert: Eine Demonstration der Stärke.

29 IMOCAs über den Atlantik

Seit Sonntag-Nachmittag sind 59 Schiffe mit Zweihand-Crews unterwegs von Le Havre nach Salvador de Bahia in Brazil auf die andere Seite des Atlantiks. 4.450 Meilen müssen sie absolvieren, um die Transat Jacques Vabre Regatta auf der ehemaligen Kaffee-Route zu beenden, und besonders die IMOCA-Klasse steht neben den Class40 und den Multi50 Trimaranen im Fokus.

Neal Mac Donald an Hugo-Boss-Pinne außenbords. Keine bequeme Position. Dafür ist das Boot nicht gemacht.

29 60Fußer sind am Start, und wer im nächsten Jahr bei der Vendée Globe eine Rolle spielen will, sollte bei dieser Generalprobe schon einmal punkten können. Es ist der erste große Test der neuen Foiler-Generation gegen die alte. Und auch einige der älteren Yachten haben massive Uprgrade erfahren, deren Wirksamkeit sie nun im Rennmodus zeigen können. Nach dieser Regatta wird die Hackordnung in der IMOCA-Klasse neu definiert.

Der Start der Flotte ist von den Franzosen wie gewohnt als großes Spektakel gefeiert worden. Sie konnten verfolgen wie sich die Yachten gegen den 12 bis 14 Knoten Wind und eine starke Strömung erst nach Norden zu einer 16 Meilen entfernten Wendemarke vor der Küste kreuzen mussten.

Taktik-Fehler oder Kalkül?

Auf diesem von den Foiler-Crews ungeliebten Kurs kam insbesondere “Hugo Boss” schwer in Fahrt. Der Speed-Test Seite an Seite mit Charal schein positiv auszufallen, aber dann segelten die Briten so weit auf die schließlich benachteiligte linke Seite der Kreuz, dass sie an der Wendemarke erst auf Platz 24 geführt wurden.

“Apivia” Einer der neuen Foiler ist schon bestens in Form. © TJV

Ein taktischer Fehler, oder Kalkül? Bei dieser Regatta wird man es bis zu Ende nicht wissen. Die Skipper werden nicht alle ihre Karten aufdecken. Denn die Analysten der Gegners sehen sich genau an, was die jeweiligen Favoriten-Designs leisten können. Es besteht noch genu Zeit, größere Umbauten am eigenen Sportgerät vorzunehmen.

Oder war der unnötige Extremschlag auf die linke Seite doch ein taktischer Fauxpas? Alex Thomson werden solche Schnitzer im Infight schon mal zugetraut, aber nicht Neal Mac Donald an seiner Seite. Der 56-jährige Segelprofi ist einer der profiliertesten britischen Segler überhaupt nach einer Olympia-Teilnahme (6. im FD 1988) und drei America’s Cup-Kampagnen, als 14-Footer-Weltmeister, 49er Europameister und mit sieben Volvo Ocean Races im Gepäck. Seit einigen Jahren arbeitet er als Performance Manager in Thomsons Team und steht ihm nun auch für dieses Zweihand-Rennen zur Seite. Er ist jemand, der auch taktisch weiß, wie es geht.

Aber mit dem Ausflug ans Ende des Feldes mag das Duo nur den folgenden Performance-Ritt vorbereitet haben. Jedenfalls raste es bei einer frischen Backstagbrise as Nordost in kürzester Zeit am gesamten Feld vorbei.

3,5 Knoten schneller

Gut zehn Meilen betrug der Rückstand nach drei Stunden auf die führende PRB, fünf Stunden später war egalisiert. Thomson raste gleich 3,5 Knoten schneller in unmittelbarer  Nähe an seiner alten “Hugo Boss” (11th Hour) vorbei, die unter dem Amerikaner Charlie Enright längst nicht zum alten Eisen gehört.

Und auch das Duell gegen den aktuellen Klassen-Primus “Charal” und den neuen Foiler “Apivia” ging an die Briten. Ebenfalls konnte der Neubau “Advens for Cybersecurity” von Thomas Ruyant nur kurz mithalten. Der kürzlich vom Stapel gelaufene IMOCA musste mit Autopilot-Problemen nach Cherbourg ablaufen, will nach der Reparatur aber wieder ins Rennen eingreifen.

Bei der Ushant-Passage lag Thomson in Führung, scheint danach aber den Fuß vom Gas genommen zu haben. Jedenfalls ist “Charal” auf einem leicht südlicheren Kurs gut 15 Meilen davon gesegelt, und selbst “11th hour” konnte wieder überholen.

Selbst Boris Herrmann liegt mit seinem britischen Partner Will Harris nur 15 Meilen achteraus. “Malizia” kam beim Start nicht besonders gut weg, rundete die Wendemarke nach einer starken Kreuz über die rechte Seite aber auf Rang sechs und hielt sich stabil im Vorderfeld auf. Inzwischen ist der deutsche Skipper aber auf Platz elf zurückgefallen.

Hugo Boss nach der Startkreuz auf Rang 24 an der Wendemarke…

Thomson fliegt 3,5 Knoten schneller an seine alten Hugo Boss vorbei (orange)

Hugo Boss ist auch an Charal vorbei gerauscht.

Bei der Ushant Passage liegen die beiden schwarzen Boote gleichauf. (Charal r.)

In der Class 40 hat es schon einen Mastbruch gegeben. Der führende Brite Luke Berry mit seinem französischen Co-Skipper Tanguy Le Turquais hat die Rennleitung darüber informiert, dass “Lamotte – Module Creation” das Rigg verloren hat.

Jörg Riechers segelt mit Cedric Chateau bisher noch seinen Ansprüchen auf Rang neun noch hinterher aber mit 24 Meilen Rückstand zum Führenden befindet sich das Duo noch in Schlagweite. Die Bruhns Brüder liegen auf Rang 19 von 27 Startern 44 Meilen zurück.

Der Start:

Tracker Transat Jacques Vabre

 

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Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

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