Travemünder Woche: Abschlusstag ohne weitere Rennen – Veranstalter insgesamt zufrieden

Seichtes Auslaufen einer intensiven Regatta

Der letzte Tag der Travemünder Woche bot noch einmal ein Windszeneraio, das es in den gesamten neun Tagen zuvor nicht gab: Flaute! Da der vorherrschende Wind und die Thermik gegeneinander arbeiteten, baute sich bis zum frühen Nachmittag keine segelbare Brise auf, so dass Wettfahrten der Klassen, die an diesem Sonntag noch ausstanden, nach und nach abgesagt wurden. Die Seesegler, Katamaran-Akteure, Kiter und Bundesligisten feierten so ohne weitere Rennen ihre Sieger.

, Travemünder Woche 22. – 31.07.2022, Formula Kite, GER 20, Jan VÖSTER, Württembergischer Yacht-Club e. V

Freud und Leid liegen bei einem Tag der Wettfahrtabsagen dicht beieinander. Doch die Erkenntnis, dass der Wind auf den Bahnen der Lübecker Bucht nicht segelbar war, wurde allen deutlich. Die Seesegler hatten zum Abschluss der TW ihre Mittelstrecken-Rennen auf dem Plan, absolvierten am Sonnabend immerhin eine Wettfahrt über 20 Seemeilen durch die Lübecker Bucht. Am Sonntag war früh klar, dass es nicht zu einem weiteren Rennen reichen würde, so dass sich zur schönsten Mittagszeit die Crews zur Siegerehrung zusammenfanden.

„Gestern waren es genau unsere Bedingungen, es lief perfekt für uns. Unterwegs haben wir uns mit anderen Booten gematcht. Da kam richtig Regatta-Feeling auf, wie sonst eher bei den Up-and-Downs. Dass es heute keinen Start mehr gab, spielt für uns keine große Rolle. Wir hätten uns ohnehin nicht mehr verbessern können“, sagte Frank Haßler, der mit der Hanse 371 „Fru Hansen“ die ORC-Wertung über alle Klassen nach berechneter Zeit gewann.

„Gestern war ein hervorragender Segeltag mit einem super Kurs. Und am Ende unter Spinnaker in die Trave einzufahren, ist immer ein besonderes Erlebnis“, resümierte Lutz Pouplier, der mit der First 32 „Tsunami“ in der Yardstick-Wertung der beiden Gruppen berechnet am schnellsten unterwegs war.

Die Seesegler haben mit der Internationalen Deutschen Meisterschaft im kommenden Jahr ebenso ihr Saison-Highlight zur Travemünder Woche wie die Formula18-Katamarane, die in 2023 ihre WM vor Travemünde aussegeln. So war die Ranglisten-Regatta in diesem Jahr ein Warm-up, das das Vater-Sohn-Gespann Jesse und Sven Lindstädt aus Norderstedt gegen die 18 Konkurrenten aus vier Nationen mit einer beeindruckenden Serie von ersten, zweiten und dritten Plätzen gewann. Dahinter folgte das finnische Ehepaar Mikko und Kirsikka Raisänen auf Rang zwei vor dem US-Team Stephen Stroebel/Steven Leuck.

Die Chance auf einen Angriff auf die Medaillenplätze blieb den deutschen Crews zum Abschluss der Europameisterschaft in der Hobie-16-Klasse verwehrt. Nachdem sie am Sonnabend aus den Podiumsrängen gerutscht waren, bangten Jens Goritz/Anke Delius (Föhr), Ulf Hahn/Katrin Wiese-Dohse (Kellenhusen) und Ingo Delius/Sabine Delius-Wenig (Bocholt) auf den Rängen vier, fünf und sechs darum, dass sich eine segelbare Brise einstellen möge. Doch die Hoffnung erfüllte sich nicht. Ohne eine sonntägliche Ausfahrt auf die Bahn Bravo durften sich die Italiener Gessa Pierandrea/Roberto Dessy zu neuen Europameistern küren lassen. Ex-Weltmeister Daniel Björnholt und seine Vorschoterin Josephine Frederiksen (Dänemark) mussten sich ebenso geschlagen geben wie die Titelverteidiger Stefan Griesmeyer/Caterina Degli Uberti. Die deutsch-italienische Kombination startet unter italienischer Flagge.

Mit einer klaren Erfolgstaktik entschieden Gessa Pierandrea/Roberto Dessy die Hobie-16-EM für sich. Foto: segel-bilder.de

Für seinen Sieg hatte der neue Europameister eine einfache Erfolgserklärung: „Die Grundtaktik war: Am Boot starten und dann rechts raus.“ Dieses Motto beherzigen Pierandrea/Dessy auch in ihrem Heimatrevier. Und was in Cagliari auf Sardinien klappt, funktionierte auch auf Bahn Bravo der Travemünder Woche. Zudem können die Italiener auf intensive Regattaerfahrung zurückgreifen. In ihrem Heimatclub werden jeden Sonnabend Vereinsregatten mit 30 Booten gesegelt. Jetzt krönten sich Pierandrea/Dessy nicht nur zu Club-Champions, sondern auch zu Europameistern, nachdem sie im vergangenen Jahr auf Platz drei gelandet waren.

„So etwas wie hier ist nahezu ideal. Wir können direkt mit PKW und Trailer auf den Strand fahren und haben mit dem großen Zelt eine schöne geschlossene Einheit und unsere eigene Hobie-Welt. Die Atmosphäre und das Ambiente am Strand auf dem Priwall sind toll“, resümiert Knud Jansen, Vorsitzender der Deutschen Hobie Cat Klassenvereinigung. Auch Check-in und Betreuung durch die Helfer seien super gewesen. „Gerne würden wir am Standort Travemünde weitere Events etablieren, vermutlich allerdings eher Ranglistenregatten, losgelöst von der Travemünder Woche“, so Jansen. Glücklich war auch Caterina Degli Uberti, die Präsidentin der europäischen Klassenvereinigung: „Wir sind stolz, was wir hier auf die Beine gestellt haben. In ein paar Jahren kommen wir gern wieder, dann mit guten Erinnerungen an Travemünde.“

Detlef Mohr, vielfacher Europa-Meister im Hobie 16, wäre am heutigen Abschlusstag gerne noch weitere Rennen gesegelt. „Gestern lief es bei mir nicht so gut, deshalb hätte ich heute gerne die Chance gehabt, mich noch verbessern zu können. Mein Ziel waren die Top Ten. Bis auf heute hatten wir immer super Bedingungen und anspruchsvolle Wettfahrten“, so der Hamburger, der schließlich auf Platz acht landete.

Auch die Klasse Formula Kite krönte ihren neuen Meister bei der Internationalen Deutschen Meisterschaft – ebenfalls ohne weitere Rennen. Schon am Sonnabend musste die Klasse nach zwei Wettfahrten abbrechen, da zu viel Seegras auf der Bahn im Wasser trieb, das die foilenden Kiter ausbremste. „Gestern war so viel Seegras im Wasser, dass der ganze Foil vollhing. Wir konnten kaum fahren. Es ist schade, dass wir heute nicht mehr starten konnten, aber es hat niemanden überrascht“, sagt der deutsche Nachwuchskiter Jan Vöster, der bei der IDM von Beginn an Kurs aufs Podium genommen hatte. „Ich freue mich über Platz zwei. Das war ein richtig gutes Event mit einer Top-Organisation“, so der Kiter vom Württembergischen Yacht-Club (WYC). Nach einem kurzen Stopp zu Hause in Neuenburg am Rhein geht es für ihn in anderthalb Wochen schon wieder im Norden aufs Wasser, bei den Kitesurf Masters in St. Peter-Ording. Lobende Worte über die IDM in Travemünde kommen auch von Alexander Ehlen, der in den IDM-Rennen Platz eins abonniert hatte und souverän den Titel erkitete. „Es war ein tolles Event und hat Spaß gemacht. Aber ich hoffe, dass wir nächstes Mal wieder mehr Starter sind“, sagt der Monegasse vom Yacht Club Monaco. Bronze ging bei der IDM im Rahmen der Travemünder Woche an den Australier Hector Paturau.

Ohne weiteres Rennen am Sonntag knallten bei der Segelbundesliga die Sektkorken. Foto: Julius Osner/DSBL

Die Sektkorken ließ auch die Segelbundesliga ohne weitere Rennen knallen. Nachdem schon die Sailing Champions League ein stimmungsvolles Event am Anfang der Woche gefeiert hatte, fanden auch die Bundesligisten an zwei Tagen perfekte Bedingungen vor. Wettfahrtleiter Wolfgang Stückl hatte mit seinem Team die Schwierigkeiten zum Abschuss vorhergesehen und schon kräftig vorgearbeitet. So waren 14 der 16 Flights gesegelt, als die Verantwortlichen der Bundesliga zur Siegerehrung baten.

Pure Freude herrschte beim Lübecker SV, der auf seinem Heimatrevier auf Rang drei in der Zweiten Liga segelte und sich damit in der Saison-Tabelle auf Platz zehn im sicheren Mittelfeld etablierte. „Das Revier liegt uns natürlich. Mit dem gleichmäßigen Wind und der Welle können wir als Nord-Crew gut umgehen und daraus einen Heimvorteil entwickeln“, sagte LSV-Skipper Sönke Boy. Gut auf Wind und Welle waren auch der ASV Warnemünde auf Platz zwei und der Konstanzer YC als Sieger des Zweitliga-Events von Travemünde eingestellt.

In der Ersten Liga ließ der NRV Hamburg der Kampfansage vor dem Event auch Taten folgen. Die Mannschaft um den ehemaligen Olympiasegler Tobias Schadewaldt hatte bereits vor zwei Wochen in Kiel gewonnen und wollte direkt daran anknüpfen. Das gelang: Mit großem Vorsprung sicherten sich die Hamburger den zweiten Sieg in Folge und spielen damit auch in der Saison-Tabelle auf Rang zwei wieder ganz vorn mit. Hinter dem NRV folgten der Berliner YC und der Düsseldorfer YC auf den weiteren Podiumsplätzen. Der bisherige Tabellenführer vom MSC aus Hamburg rutschte durch seinen 13. Platz von Travemünde auf Rang drei in der Saisonwertung ab. Neuer Spitzenreiter ist der SMC Überlingen.

Top Zahlen, tolle Momente, Freude auf die Zukunft

Nach einem Jahr Komplett-Ausfall der Travemünder Woche in 2020 und der Fokussierung auf den Segelsport in 2021 ist das Event wieder zur Regatta- und Festivalwoche angewachsen. Die Veränderungen der Flächennutzung führte zu einem deutlich luftigeren Ambiente an der Travepromenade und auf der Strandallee. Die Vorjahre zeigten aber auch, wie wichtig die einstudierten Arbeitsabläufe für die Großveranstaltung sind: „Unser große Schar an Helfern war sofort mit Enthusiasmus wieder dabei. Alle haben sich gefreut, dass es wieder losging. Aber es hat sich im Aufbau auch gezeigt, dass die Routinen noch nicht ganz wieder zurück sind. Es war in einigen Teilbereichen etwas zäher und damit schwierig, die Terminpläne einzuhalten. Aber wir haben es alles gerichtet“, berichtete Frank Schärffe. „Die Knackpunkte werden aufgearbeitet. Die Motivation ist sehr hoch unter den Ehrenamtlern, so dass wir feststellen können: Die Travemünder Woche ist sehr gut gelaufen.“

Sportdirektor Jens Kath, TW-Geschäftsführer Frank Schärffe und Festivalvermarkter Uwe Bergmann freuen sich über eine gelungene Travemünder Woche, die rund 500.000 Besucher nach Travemünde lockte. Foto: segel-bilder.de

Dem Urteil seines Geschäftsführers konnte sich Sportdirektor Jens Kath auch aus Sicht der Segler und Wettfahrtleitungen voll anschließen: „Es war eine Woche mit besten Bedingungen, wenn wir den Abschlusstag ausnehmen. Wir hatten viel Wind, wir hatten wenig Wind, leichte und starke Welle. Es war wirklich für jeden etwas dabei. Es gab viele Highlights auf der Bahn. Beispielhaft dafür stand das Finale der Sailing Champions League. Ich glaube. spannender kann man es nicht machen als der NRV Hamburg, der wirklich im letzten Moment den Titel gewonnen hat. Spektakuläre Bilder haben auch die Kiter und die Hobies auf der Seite vor der mecklenburgischen Küste geboten. Mit den Weltmeisterschaften der Ynglings und Formula 16 hatten wir Titelentscheidungen auf höchster Ebene in Travemünde“, sagte Kath. Die Zahlen untermauern den Erfolg der TW in 2022. Von den geplanten 378 Wettfahrten konnten im Wochenverlauf 350 gesegelt werden. Ein Top-Ergebnis, das in der Vergangenheit nur selten erreicht wurde.

Mit Blick auf die kommenden Jahre stellte der Sportdirektor fest, dass Travemünde sich als Spielfeld für jegliche Art von Segelklasse – vom Kielboot bis zum Kiter – bewährt hat. Der Fokus auf die Katamaran-Klassen wird auch in 2023 bleiben. Denn mit der Austragung der Weltmeisterschaft der Formula 18 ist bereits eine Klasse fest eingeplant, die sich mit bis zu 150 teilnehmenden Crews angekündigt hat. Dazu kommen die Weltmeisterschaft der J/22 und die Europameisterschaft der O-Jollen. Nach 2019 wird zudem die Deutsche Meisterschaft der Seesegler wieder zur Travemünder Woche ausgetragen.

Mit dem Einsatz der Ehrenamtler gelang eine stimmungsvolle Travemünder Woche 2022. Foto: segel-bilder.de

Die Tücken des Wiederaufbaus bekam auch Festivalvermarkter Uwe Bergmann mit seiner Agentur zu spüren: „Es war eine sehr späte Vorbereitung und es war zu merken, dass einige Betriebe von Standbetreibern und Dienstleitern erst wieder hochgefahren werden mussten. Dass wir rund 45 Prozent weniger Stände auf dem Festivalareal hatten, war dem Umstand geschuldet, dass einige Standbetreiber nicht mehr aktiv sind, aber auch, dass wir sehr bewusst darauf verzichtet haben, die Wasserseite der Strandpromenade zu bebauen. Die Travemünder Woche 2022 war auch ein wenig in der Warteschleife, um das Konzept für die Zukunft zu erstellen und dann mit einem neuen, frischen Gesicht aufzutreten.“ Aus Sicht der Festivalveranstalter ist das Angebot in diesem Jahr sehr gut angenommen worden. „Tagsüber war die Eventmeile sehr gut gefüllt. Im Abendprogramm konnten wir etwas weniger Angebote machen, da sich die auch durch die Einnahmen aus den Standbetreibern finanzieren müssen. Damit ist es an den Abenden etwas ruhiger gewesen“, so Bergmann. Mit der maritimen Atmosphäre rund um das Festival, aber auch dem guten Wetter ergaben sich „wunderschöne Momente, die die Besucher inspiriert haben, sich lange bei der Travemünder Woche aufzuhalten.“ Nach Auswertung der Parameter von Hotelauslastung, Frequentierung der Parkplätze sowie der Zahlen des öffentlichen Verkehrs ergibt sich eine Besucherzahl, die an rund 500.000 herankommt.

Zum Abschluss der 133. Travemünder Woche wird es am Sonntagabend um 22.45 Uhr das Höhenfeuerwerk mit Musikuntermalung an der Nordermole geben. 

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