Travemünder Woche: Zusammenfassung Renntag 8 – Yngling-Weltmeister – Liga-Segeln

Jamin gewinnt WM-Gold

Auf die thermischen Einflüsse in der Lübecker Bucht ist Verlass: Der Wind setzte gestern, am achten Regattatag der Travemünder Woche, zwar erst gegen Mittag ein, drehte dann aber mit Unterstützung der Sonne noch auf, um die Meisterschaften der Ynglings und Dyas zu einem perfekten Ende und den anderen Klassen weitere Wettfahrten in die Liste zu bringen. Lediglich die Kite-Foiler kamen ins Stolpern. Die Nordost-Brise der vergangenen Tage spülte Seegras auf die Kurse und bremste die Segler unterm Drachen aus.

Maarten Jamin segelte mit seiner Crew zu einem überlegenen Sieg bei der Yngling-WM. Foto: segel-bilder.de

Mission erfüllt! Unter diesem Motto stand der Goldgewinn bei der WM der Ynglings durch die Niederländer Maarten Jamin/Cristel Pessers/Jaap Smolders. 2014 hatte Jamin vor Travemünde bereits beide Hände am WM-Titel, als er mit großem Vorsprung in den Abschlusstag ging, dann aber mit der falschen Wahl seines Vorsegels alles verspielte und auf den zweiten Platz purzelte. „Das war schon ein kleines Trauma“, berichtete der 60-Jährige mit einem Lächeln. Jetzt hat er auch die Lübecker Bucht besiegt und damit seinen insgesamt fünften WM-Titel in der Yngling-Klasse eingefahren. „Das war das erklärte Ziel. Die Bedingungen waren sehr gut für uns. Wir mögen die Welle, und von den anderen Crews haben nicht viele diese Erfahrung“, so der Amsterdamer, der bei der Frage nach seinem Heimatrevier ins Grübeln kommt: „Europa!“ Neben der Yngling segelt Jamin O-Jolle und J/70, will im Oktober an der WM der J/70-Klasse vor Monaco an den Start gehen.

Dankbar ist der Niederländer, dass die Yngling-WM überhaupt stattfinden konnte. Eigentlich war sie in Slowenien geplant, dann sagte der Ausrichter ab. Spontan fand die Klasse in der Travemünder Woche einen Ersatzveranstalter. „Wir sind froh, dass wir segeln konnten. Die Organisation hat das sehr gut umgesetzt. Das Feld war durch den Ortswechsel zwar etwas kleiner als zuletzt. Das lag daran, dass einige Familien bereits ihren Urlaub in Slowenien geplant hatten“, so der neue Weltmeister, der vor dem Österreicher Stefan Frauscher und dem Belgier Stefan Wuyts siegte. Ralf Teichmann aus Wesel am Rhein stürzte durch einen verpatzten letzten Lauf noch auf Rang vier ab.

Entspannt konnten sich die neuen Deutschen Meister in der Dyas das Abschlussrennen von Land aus ansehen. Eigentlich wollten Arndt Fingerhut/Andreas Malcher (Edersee), die bereits am Vortag den Titel gewonnen hatten, auch zum Abschluss noch mit auf die Bahn. Nach der Startverschiebung nutzten sie aber die Chance, um schon rechtzeitig das Boot für die Abreise fertig zu machen und sich auf die Siegerehrung vorzubereiten. Auf den Verfolgerplätzen drehte sich noch einmal das Bild. Norbert Schmidt/Jannik Monreal von der Mosel zogen vor Manfred und Maximilian Appel (Tegernsee) auf den Silberrang.

Bei der Europameisterschaft der Hobie 16 liegen die deutschen Teams noch in Lauerstellung. Foto: segel-bilder.de

Am Schlusstag hat Harry Voss (Steinhuder Meer) in der O-Jolle seine Führung sicher verteidigt. Ein zweiter Platz reichte ihm, um das niederländische Duo Mark Tigchelaar und Sybrand Vochteloo auf die weiteren Podiumsplätze zu verweisen. Von der ersten Wettfahrt bis zum Finale lagen Herbert und Elisabeth Kujan (Forggensee) an der Spitze der Kielzugvögel und feierten schließlich den verdienten Sieg vor Wolfgang Emrich/Klaus Ebbinghaus (Wörthsee) und Michael Hotho/Jochen Wiepking (Steinhuder Meer).

Für die Klasse Formula Kite ging es am Sonnabend erst spät auf die Bahn und dann auch nur für zwei Rennen. Seegras auf dem Kurs war ein Szenario, das die Kiter bereits befürchtet hatten. „Im Sommer ist die Ostsee zum Kiten nicht ideal, weil man da immer viel mit Seegras zu kämpfen hat. Selbst das kleinste Bisschen davon am Foil bremst schon“, sagte der zweitplatzierte Jan Vöster. Aufgrund der Bedingungen stürzte in der zweiten Wettfahrt der Australier Hector Paturau, der aktuell auf Platz drei liegt, und beschädigte dabei seinen Kite. Um weiteren Schaden an Material oder Mensch zu vermeiden, machten sich die Kiter nach zwei Rennen auf den Rückweg zum Strand. Selbst wenn morgen keine weiteren Starts mehr möglich sind, können die Formula Kiter zufrieden sein. 14 Rennen an drei Tagen haben sie bereits absolviert, wodurch drei Streicher möglich sind. Die Reihenfolge an der Spitze des Feldes bleibt unverändert. Der für Monaco startende Franzose Alexander Ehlen führt mit großem Abstand das Feld an. Der deutsche Nachwuchskiter Jan Vöster belegt Platz zwei, gefolgt von Hector Paturau auf dem Bronzerang.

Bei der Europameisterschaft der Hobie 16 haben die Medaillenhoffnungen der gastgebenden Teams vorerst einen Dämpfer erhalten. Nach insgesamt zwölf Rennen lauern Jens Goritz/Anke Delius (Föhr) als beste deutsche Crew auf Rang vier. An der Spitze haben sich trotz eines Patzers in der letzten Wettfahrt die Italiener Gessa Pierandrea/Roberto Dessy festgesetzt. Dahinter folgt der Ex-Weltmeister Daniel Björnholt aus Dänemark mit seiner Vorschoterin Josephine Frederiksen. Platz drei belegen die unter italienischer Flagge startenden EM-Titelverteidiger Stefan Griesmeyer/Caterina Degli Uberti.

Einen packevollen Tag absolvierten die Formula18-Katamarane. Nach ihren Wettfahrten im Rahmen der Ranglisten-Regatta zur Travemünder Woche bogen sie auch noch zu den Showrennen in die Trave ein. Während auf dem Kurs der Ostsee das Vater-Sohn-Gespann Jesse und Sven Lindstädt den Ton angibt, setzten sich beim Volksbank Trave Race Tom Heinrich/Kilian Feindt (Kiel/Lübeck) durch. Damit konnten sie auch den Preisgeld-Scheck von 300 Euro von Volksbank-Vorstand Bernhard Rogge entgegennehmen. „Das können wir gut gebrauchen, denn am Boot gibt es immer etwas zu reparieren. Gestern erst ist uns die Großschot gerissen“, berichtete Tom Heinrich, der vor neun Jahren vor Travemünde mit dem Gewinn des WM-Titels in der Hobie-Dragoon-Klasse durchstartete und nun darauf hofft, 2028 bei Olympia vor Los Angeles vertreten zu sein und eine Medaille zu gewinnen. Dann allerdings in der 49er-Klasse.

Deutsche Segel-Bundesliga

Noch bis morgen segeln jeweils 18 Mannschaften in der Ersten und Zweiten Segel-Bundesliga direkt vor der Nordermole um den Sieg am dritten Spieltag der Saison. An der Spitze der beiden Felder halten sich beständig der NRV aus Hamburg (Erste Liga) und der Konstanzer Yacht Club (Zweite Liga). Aber auch die Segler vom Lübecker Segler-Verein haben in der Zweiten Bundesliga gute Chancen auf einen Podiumsplatz.

Die ersten beiden Wettfahrttage liefen für die Lübecker gut. „Wir waren schon mit Tag eins super zufrieden. Es war war relativ viel Wind, aber die Bedingungen waren sehr konstant. Wir konnten extrem viele Rennen segeln“, lautet das positive Fazit von Christian Maass, der an Bord für den Gennaker zuständig ist. Als Vorbereitung für den Bundesliga-Einsatz bei der Travemünder Woche hat das Team vom Lübecker Segler-Verein (LSV) neben einem Trainingswochenende noch direkt am Mittwoch vor dem Bundesliga-Auftakt bei der TW eine abendliche Einheit auf dem Ratzeburger See eingelegt. „Wir haben sonst immer ein Rennen gebraucht, um wieder in den Rennmodus hineinzukommen, aber die Mittwochssession hat geholfen. Wir sind diesmal gleich von Anfang an durchgestartet“, freut sich Maass.

Die beiden Bundesligen segeln noch am Abschlusstag der TW ihre Wettfahrten in der Lübecker Bucht aus. Foto: segel-bilder.de

Für das Ligateam des Lübecker-Segler-Vereins von 1885 ist es die achte Saison in der Segel-Bundesliga. Mit der Hilfe von Unterstützern hat der Verein eine eigene J/70 als Trainingsschiff angeschafft. Das Ligasegeln sei für den Verein durchaus ein Aushängeschild, so Maass. „Unsere Bundesliga-Einsätze werden im Verein genauestens verfolgt – teilsweise im Live-Tracking am Computer“, berichtet er. „Wir sind uns bewusst, dass wir eine gewisse Verantwortung haben, den Verein gut zu repräsentieren. Das erzeugt ein bisschen Druck“, ergänzt Steuermann Sönke Boy. Natürlich gäbe es wie in jedem Verein Befürworter und Ablehner der Bundesliga, schon aufgrund der damit verbundenen Kosten von rund 10.000 Euro pro Saison, erwähnt Maass.

Deshalb sei das Team auf der Suche nach Sponsoren und Unterstützern, um den Verein finanziell zu entlasten. Im Lübecker Team ist die Alterspanne zwischen dem jüngsten und ältesten Crewmitglied groß. Anfang 20 ist der Youngster im Team, Finn Lukas, 59 Jahre alt Niklas Reisenauer, der im Rennen für die Bedienung der Fock zuständig ist. „Niklas ist zwar der Älteste von und, aber trotzdem der Fitteste“, sagt Boy mit einem Grinsen. Beim Bundesliga-Einsatz im Rahmen der Travemünder Woche hoffen Boy und seine Crew auf eine Platzierung im vorderen Bereich. „Wir haben es mit dem Team schon einmal aufs Treppchen geschafft. Das könnten wir gerne wiederholen.“

Nach zwei Wettfahrttagen und 14 Rennen stehen die Chancen auf einen Podiumsplatz für das Lübecker Team gut. Aktuell liegt es in der Zweiten Segel-Bundesliga auf Rang drei. Angeführt wird das Feld weiterhin vom Bodensee-Team des Konstanzer Yacht-Clubs, gefolgt von der Mannschaft vom Akademischen Segelverein Warnemünde.
 
In der Ersten Bundesliga hat der NRV aus Hamburg mit dem ehemaligen Olympia-Segler Tobias Schadewaldt auch nach 14 Rennen den Bug vorn. Dahinter reihen sich der Berliner Yacht-Club und der Düsseldorfer Yachtclub ein. Morgen am letzten Tag der Segel-Bundesliga bei der 133. Travemünder Woche wären noch zwei Rennen je Liga möglich, wenn es die Wetterbedingungen zulassen.

Abschied von Wettfahrtleiter Uwe Wenzel

Erst schickte er die Seesegler über die Mittelstrecken-Wettfahrt zur Travemünder Woche durch die Lübecker Bucht, dann zeichnete er für das Volksbank Trave Rennen der Formula 18 verantwortlich, und plötzlich stand er selbst im Mittelpunkt: Seit sieben Jahren ist Uwe Wenzel bei der Travemünder Woche als Wettfahrtleiter in der Verantwortung, erlebte mit der Deutschen Meisterschaft im Seesegeln 2019 einen sportlichen Höhepunkt. Nun macht er Schluss. Am Sonntag will der Bremer noch ein weiteres Mittelstrecke-Rennen segeln lassen, wenn es der Wind zulässt, um sich dann ganz privat mehr auf das Segeln mit seinem Enkel Tammo zu konzentrieren.

Gesamt-Wettfahrtleiter Anderl Denecke ließ sich die Chance nicht entgehen, Uwe Wenzel auf dem Brückenkopf vor der Travepromenade gebührend zu verabschieden. Nach einem Korso von Booten auf der Trave, die in einer Flaggenparade und per Tafel das Signal „Danke, Uwe!“ transportierten, flossen die Tränen beim 65-Jährigen.

Uwe Wenzel nahm nach sieben Jahren als Wettfahrtleiter Abschied von seinem Posten bei der Travemünder Woche. An seiner Seite seine Ehefrau Brigitte, die ihn immer unterstützt hat. Foto: segel-bilder.de

Seit 25 Jahren engagiert sich Uwe Wenzel für die Seesegler als Wettfahrtleiter – nicht nur zuhause auf der Weser, sondern auch in Warnemünde und eben seit sieben Jahren bei der Travemünder Woche. Über Jahre war er zudem im Vorstand der Regattavereinigung Seesegeln (RVS) aktiv. Dass er seine ehrenamtliche Arbeit offenbar zur vollsten Zufriedenheit der Segler erledigt, zeigte sich bereits 2019, als er bei der Deutschen Meisterschaft Offshore Doublehand zur Travemünder Woche von den Athleten mit Standing Ovations gefeiert wurde. „Das waren wirklich spannende Rennen – mit dem Start in der Trave.“ Die engen Aktionen ließen bei manchem Zuschauer den Puls in die Höhe schnellen. Und auch das Langstrecken-Rennen der Yachten mit voller Crew ist tief in Erinnerung geblieben. Ein Gewitter zog auf und fiel über die Mannschaften her. Uwe Wenzel war bei seinen Schützlingen, lief mit einem Schlauchboot aus und beobachtete mitten im Gewittersturm, dass alles gut ging. „Einige hatten zwar Schwierigkeiten und lagen mit der Yacht platt auf dem Wasser. Aber insgesamt war es beeindruckend, mit welcher Seemannschaft die Crews das Unwetter gemeistert haben. Alle sind heil nach Haus gekommen“, blickt der scheidende Wettfahrtleiter auf spannende Zeiten auf der Regattabahn zurück.

Für seine Nachfolge ist gesorgt. Wenzel selbst hat mit Jan-Dirk Jung und Jan Fischer in den vergangenen Jahren bereits im Team gearbeitet und wird die Aufgaben nun an das Duo übergeben. Der Dank von Uwe selbst geht an seine Ehefrau: „Ohne die Unterstützung von Brigitte wäre das alles nicht gegangen.“

2022 ist ein sehr guter TW-Jahrgang

Einen Tag vor Abschluss der Regatten steuerte die Travemünder Woche auf ein Top-Ergebnis in der Anzahl der Wettfahrten zu. Über 330 Mal schickten die Organisationsteams ihre 22 Klassen auf den sieben Bahnen bereits über die Startlinie, ein paar Entscheidungen stehen noch aus. Selbst wenn die Schwachwind-Prognose für den Abschlusssonntag zutreffen sollte, kann Gesamt-Wettfahrtleiter Anderl Denecke für die 133. Auflage der Regattawoche ein mehr als zufriedenes Fazit ziehen.

„Das ist wirklich ein sehr seltenes Bild bei den großen Regattawochen, dass wir die meisten Klassen mit einem kompletten Programm bedienen konnten. Lediglich ein paar Klassen mussten auf ein oder zwei Wettfahrten verzichten. Aber auch die hatten in ihren Rennen sehr gute Bedingungen. Wir sind in diesem Jahr wirklich extrem viel gesegelt“, sagt Denecke. Mit Windgeschwindigkeiten fast immer jenseits der Zehn-Knoten-Marke konnte faire Wettfahrten gewährleistet werden. „Das Feedback ist mehr als positiv. Die Segler sind durchweg glücklich“, so Denecke. Vor allem die WM- und EM-Klassen konnten ein pralles Programm segeln und dürften den Ruf von Travemünde als perfektes Meisterschaftsrevier weiter stärken. Denecke: „Beispielhaft ist das Finale der Sailing Champions League. Noch nie in der Geschichte dieses Formats ist es zum Finale gelungen, so viele Flights zu segeln. 2022 ist ein sehr positives Jahr für die Travemünder Woche.“

Gesamt-Wettfahrtleiter Anderl Denecke freut sich über perfekte Segelbedingungen in einer Regattawoche, die kaum Ausfälle brachte. Foto: segel-bilder.de

Mit der Absage der International Games der iQ-Foil-Surfer musste die Travemünder Woche im Vorwege zwar einen Dämpfer hinnehmen, doch der Auftritt der Foil-Kiter mit der Internationalen Deutschen Meisterschaft in der neuen Olympia-Disziplin (Formula Kite) hat gezeigt, dass die Lübecker Bucht auch modernste Klassen kann. „Der Spot ist sehr gut für die Kiter, kann für den Startbereich am Strand noch etwas optimiert werden. Aber die Klasse wir jetzt international Werbung machen und könnten beim nächsten Mal wachsen“, so Denecke, der darauf setzt, dass die Kiter auch das Interesse bei den iQ-Foil-Surfern wecken: „Der Kontakt zu der Klasse besteht trotz der Absage weiterhin. Es werden bereits Gespräche geführt, in den kommenden Jahren vielleicht ein großes Jugend-Event hierher zu vergeben.“

In jedem Fall stehen für 2023, wenn der Lübecker Yacht-Club als Hauptveranstalter der Travemünder Woche sein 125-jähriges Bestehen feiert, schon einige Top-Ereignisse in den Planungsbüchern. Die Weltmeisterschaft der J/22, die Europameisterschaft der O-Jollen und vor allem die Weltmeisterschaft der Formula 18 werden im kommenden Jahr wieder hochklassigen Segelsport nach Travemünde bringen.

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