America’s Cup: Vor Ort bei Alinghi Red Bull – Dem Aushilfsglöckner beim Arbeiten zugeschaut

Besuch in Barcelona

Segelreporterin Judith Duller-Mayrhofer war in die Alinghi Red Bull Zentrale geladen und konnte sich einen persönlichen Eindruck von der Basis machen. Auf dem Wasser halfen auch 800 PS nicht, um Schritt zu halten.

Bimmel Bammel, Bimmel Bammel! Bevor das Alinghi Red Bull Racing Team ausdockt, wird stets eine große, von einem lokalen Künstler in Handarbeit gefertigte Glocke geläutet. Heute übernimmt diese Aufgabe niemand geringerer als der Schweizer Skistar, Weltmeister und Olympiasieger Marco Odermatt.

Die Schweizer Glocke auf der Alinghi-Basis. © Duller-Mayrhofer

Er ist auf Stippvisite in Barcelona, besucht die Alinghi Red Bull Basis – und darf als erster Gast überhaupt an Bord von BoatOne mitsegeln, jenem AC75, mit dem die Schweizer um den America’s Cup kämpfen wollen; über die Kampagne und ihre schwer einzuschätzenden Erfolgsaussichten haben wir bereits ausführlich berichtet.

Odermatt zu Gast bei Alinghi. © Alinghi Red Bull Racing

Ich bin Teil einer kleinen Gruppe von Fachjournalisten und stehe auf der Terrasse des lässigen Lounge- und Gastro-Bereichs im ersten Stock. Von dort aus kann ich den dreifachen Weltcup-Gesamtsieger und Aushilfsglöckner bei seinem Tun beobachten und überblicke beinahe das gesamte, 2.300 Quadratmeter umfassende Gelände.

Die Basis ist mitten in Hafen Port Vell situiert, zwischen einem großen Freizeit- und Shoppingcenter und dem Aquarium, und wurde im Juli 2023 in Betrieb genommen. Die zentrale Lage sei dem Team sehr wichtig gewesen, erklärt die freundliche Mitarbeiterin, die uns durch die Anlage führt. Man wolle nah dran sein, an den Fans aus aller Welt und an den Bewohnern der Stadt.

Im Gegensatz zu Valencia, wo die Syndikate nebeneinander im Hafen aufgereiht waren, liegen die Basen in Barcelona rund um Port Vell verteilt und der Platz, den sich Alinghi Red Bull gesichert hat, gehört mit Sicherheit zu den attraktivsten. In direkter Nachbarschaft befinden sich das britische INEOS-Team sowie das Museum America’s Cup Experience, in dem sich die Besucher unter anderem per Virtual Reality Brille einen Eindruck davon machen können, wie sich ein Ritt auf einer aktuellen AC-Yacht anfühlt.

Zu meiner Rechten ragt das auffällige Hotel W, dessen Silhouette an ein Segel erinnert, hoch in den blitzblauen Himmel. Seine Fassade war heute Nacht nicht wie sonst weiß, sondern rot beleuchtet: Das ist die offiziell vereinbarte Ankündigung, dass Alinghi Red Bull am nächsten Tag trainieren wird. So weiß ganz Barcelona, ob der Schweizer Challenger im Hafen bleibt oder segeln geht; was für ein cooles Signal.

Hotel W rot beleuchtet, wenn Alinghi segeln geht. © Duller-Mayrhofer

Die für den letzteren Fall nötigen Vorarbeiten habe ich bereits staunend mit eigenen Augen verfolgt: Zunächst wird der Bootsrumpf mit einem Gabelstapler aus der riesigen Garage, „The Shed“ genannt, geholt, dann per Kran der Mast gestellt und das Boot schließlich zu Wasser gelassen. Den 40 Meter hohen Kran mit seinem 24 Meter langen Arm braucht es auch, um die Segel an Bord zu hieven. Sie werden in einer eigenen, nicht minder riesigen Halle gelagert, in der auch sämtliche Reparatur- und Näharbeiten vonstatten gehen. Das größte misst stattliche 28 x 7 Meter.

Die Segelmacher bei der Arbeit. © Duller-Mayrhofer

Jetzt wird es ernst (Video). Skipper Arnaud Psarofaghis und seine Crew gehen an Bord, Marco Odermatt ist als Teil der Power-Group eingeteilt. Er soll also in die Pedale treten und dabei helfen, jene Energie zu produzieren, die es für den Trimm braucht. BoatOne wird von zwei mächtigen Motorbooten mit jeweils 4 x 350 PS Mercury Racing Aggregaten begleitet, wir Journalisten steigen auf ein 36 Fuß langes Modell mit 2 x 400 PS.

Reporterin vor dem neuen AC75 made in Switzerland. © Duller-Mayrhofer

Schnell, aber nicht schnell genug, um mit dem foilenden Racer mitzuhalten, wie sich bald herausstellt. Der erreicht nämlich die vierfache Windgeschwindigkeit, das ist bei den heute vorherrschenden 12 Knoten ein Speed von fast 50 Knoten und der geht sich auch mit 800 PS (und noch dazu bei Wellengang) beim besten Willen nicht aus.

Die Dynamik und Beschleunigung der AC-Krake am Wasser zu erleben, ist ein eindrückliches Erlebnis, Odermatt wird später sagen, dass es sich ähnlich rasant wie ein Abfahrtslauf angefühlt habe. In meinem Erfahrungsschatz dürfte sich wohl nichts vergleichbares finden…

Das Team an Bord mit Odermatt. © Alinghi

Zurück in der Basis werden wir von Marc de Antonio begrüßt, einem Mann mit vielen Talenten. Er ist ein engagierter Segler, der gemeinsam mit seiner Frau Sofia Bertrand das sehr erfolgreiche J/80-Team Bribon-Movistar führt und dort als Steuermann fungiert. Er ist Vizepräsident des prestigeträchtigen Real Club Náutico de Barcelona, hat hier in der Stadt Produktdesign am renommierten IED (Instituto Europe di Design) studiert und 2012 die Motorboot-Werft De Antonio gegründet, in der man sich Jahr für Jahr über volle Auftragsbücher freuen darf.

Dass sich so ein Typ bei einem AC in der Heimat engagiert, liegt auf der Hand und davon zeugt nicht nur ein 37-Fuß-Modell in auffälligem Alinghi-Red-Bull-Design, das vor der Basis vertäut liegt. De Antonio schloss nicht nur mit dem Schweizer Syndikat, sondern auch mit AC-Direktor Grant Dalton ein Bündnis ab.

Sein jüngster Wurf E23, ein mit Elektromotor betriebener Katamaran mit integriertem Foil, wird beim AC als VIP-Shuttle und Begleitboot für die autonomen Bojen zum Einsatz kommen, und auch das 50 Fuß lange Startschiff stammt aus seinem Stall. Das garantiert maximale Medienpräsenz und öffentliche Aufmerksamkeit. Sein Hintergrund als Segler wird bei diesem Deal vermutlich nicht geschadet haben.

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