A-Cat Flügel aus Berlin: Thilo Keller über den sportlichen Mehrwert seiner Kat-Konstruktion

Wing made in Germany

Berliner A-Cat mit seinem neuen Flügel als Ausstellungsstück. © Andreas Hartmann

Der Berliner Bootsbaustudent Thilo Keller (24) hatte schon mit der erfolgreichen Entwicklung seiner eigenen Katamaran-Plattform „Arrow“ in der Szene für Aufsehen gesorgt. Nun stellte er im April sein neuestes Projekt, einen A-Cat-Flügel vor.

Die Konstruktion soll nach dem Vorbild der C-Cats und der aktuellen Americas-Cupper zukünftig auch in der Einhand-Katamaran-Klasse das gewohnte Softsegel ersetzen. Diese allgemeine Entwicklung wird unter Seglern durchaus kritisch bewertet, da Flügelkonstruktionen die Komplexität des Sportes und den Aufwand für den Segler erhöhen.

Es werden negative Einflüsse auf die Klassengröße befürchtet. Die Beliebtheit des A-Cats lebt heute auch von der Einfachheit und Leichtigkeit des Bootes. Keller hält dagegen, dass sich Flügel durchsetzen werden, wenn sie einen sportlichen Mehrwert bieten. Auch sei ein Verbot für eine freie Konstruktionsklasse keine Lösung, da diese sich nicht auf Dauer dem Stand der Technik verschließen kann.

Rainer Bohrer: Thilo, Ende April hast Du mit Deinem Team den Prototypen eines A-Cat –Flüges vorgestellt. Gratulation zum erfolgreichen Projekt. Wie aufwendig war der Bau?

Berliner Designer Duo. © Andreas Hartmann

Thilo Keller: Danke, es war ein enormer Aufwand. Ein Projekt studienbegleitend mit insgesamt etwa 15.000-20.000 Arbeitsstunden durchzuziehen, ist keine Kleinigkeit. Sicherlich hätten wir auch Zwischenstände kommunizieren können, das hätte die Aufmerksamkeit für das Projekt vielleicht sogar erhöht, aber so haben wir vielleicht einen größeren Vorsprung gegenüber der Konkurrenz.

Welche Motivation war ausschlaggebend für das aufwendige Projekt? möchtest Du mit dem Flügel die A-Class Catamaran Worlds in Islamorada 2012, Florida gewinnen?

(lacht) „Motivation war und ist, wie Audi so schön sagt: Vorsprung durch Technik! Es geht uns in der Tat um das Gewinnen von Regatten, sicherlich auch mit Blick auf Florida! Nach dem ursprünglichen Plan wollten wir schon letztes Jahr  mit dem Flügel zur WM antreten. Dies war aber leider durch die längere Bauzeit aufgrund technischer Probleme in der Fertigung nicht zu realisieren.

Wir haben jetzt aber auf jeden Fall die WM im Oktober 2012 als Ziel vor Augen. Auf dem Weg dorthin müssen wir aber noch ein paar Probleme lösen. So brauchen wir einen Trailer, in dem wir mit dem Flügel auch vernünftig und sicher reisen können.

Prachtstück mit künstlerischen Formen. © Andreas Hartmann

Wo seht Ihr die grundsätzlichen Vorteile des Flügels gegenüber den heutigen, schon hochentwickelten Mast-Segel-Kombinationen?

Der Hauptvorteil gegenüber normalen Segeln ist klar das stabilere Profil, man kann also übliche nachteilige permanente Bewegungen vermeiden. Gleichzeitig bietet unsere Konstruktion die Möglichkeit trotzdem im gewünschten Rahmen Flexibilität zu gewährleisten. Beispielsweise heißt das, der Flügel muss wie ein normales Segel in einer Böe etwas twisten.

Im Endeffekt entsteht durch das stabilere Profil ein geringerer Windwiderstand. Der beträgt immerhin etwa 70 Prozent des Wasserwiderstandes und hat damit einen hohen Anteil am Gesamtwiderstand des Bootes in Fahrt. Die Kräfte, die im Rigg wirken sind dabei enorm.

Aus meiner Sicht ist es einfach logisch, dass die zukünftige Weiterentwicklung insbesondere im Rigg stattfinden muss. A-Cat-Plattformen sind bereits weitgehend ausgereizt, somit ist das größte Potential sicherlich über Wasser zu sehen. Auch heute sieht man bei den Segeln jedes Jahr einen kleinen iterativen Entwicklungsschritt. Dem wollen wir mit dem Flügel einen Innovationssprung entgegenstellen.

7 Kommentare zu „A-Cat Flügel aus Berlin: Thilo Keller über den sportlichen Mehrwert seiner Kat-Konstruktion“

  1. jorgo sagt:

    Hut ab, Thilo (und Team natürlich)! Egal wie sich die Sache weiter entwickeln wird ist es schon sehr beeindruckend wie Du Dich für Deine Ideen einsetzt. Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg!

    In unserem Sport kann sich ja jeder nach Belieben zuordnen … von LowTech bis MegaHighTech.
    Schön finde ich, dass es auch im Bereich der kleinen Katamarane diese Bandbreite gibt.
    Siehe Patin a vela (der Kat ohne Ruderanlage) vs. A-Cat mit Flügel.

  2. Flyer2 sagt:

    Könnte mir vorstellen, daß sich der Flügel durchsetzt, wenn er unter € 10.000 realisierbar ist – sportlicher Erfolg natürlich vorausgesetzt. Das ist viel Holz, aber ein Mast plus diverse Segel ist ähnlich kostspielig. Der finaziell nicht ganz so gut bestückte A-Cat-Segler hat sich ja schon länger mit jungem gebrauchten Material abgefunden/abfinden müssen. Mehr Speed durch den Flügel wird es sicher geben, denn nicht umsonst wird dort wo Geld keine Rolle spielt auf diese Technik gesetzt.

    Bedenken habe ich eher, daß man mit so einem Teil der unübertroffenen Unabhängigkeit und Spontanität mit seinem A beraubt wird.

  3. A-Cat-Addicted sagt:

    Wow, was man als Student auf die Beine stellen kann… zum Glück habe ich das hinter mir, sonst hätte ich jetzt auch noch ein schlechtes Gewissen 🙂
    Wenn der Flügel etwas bringt, wird er sich mE recht schnell in der Weltspitze durchsetzen (vielleicht fünf bis zehn in den Top 20), und das wäre ja für den Start genau richtig… dann werden sich einige Fragen von selbst entscheiden. Wir Anderen warten wohl zuerst mal recht interessiert ab, was da so passiert…

  4. schärenkreuzer sagt:

    Toller Artikel! Sieht superg*** aus der Flügel, superspannende Technologie,
    aber leider für normale, selbst regattaverliebte Kat-Segler wahrscheinlich preislich und logistisch nicht machbar, oder? Die Dinger sehen ausserdem SEHR empfindlich aus… Hält so ein Flügel eine Kenterung aus, oder darf man dann Balsa-Alu-Puzzle spielen… 😉

  5. Uwe sagt:

    Der Flügel bringt eine exorbiotante Steigerung der Kosten und gravierende Nachteile beim Aufriggen und Transport.
    Ob der minimale Geschwindigkeitszuwachs dies aufwiegt, ist mehr als zweifelhaft.

  6. dreas sagt:

    toller beitrag! die technischen hintergundinfos der letzten zeit sind grosse klasse!

    zum thema, die abrupten strömungsabrisse sind sicherlich gerade an tonnen ein grosses problem.
    dem kann man natürlich vorbeugen, trotzdem bleibt es mangels twist ein kritikpunkt, welcher bei kleinen kats im regattagedränge nicht zu unterschätzen ist.

    die technische entwicklung geht weiter und es ist gut, dass gerade bei uns in deutschland in diesem segment pionierarbeit geleistet wird. die trimmprobleme wird man immer besser meistern und sonstige anfangsschwierigkeiten in den griff bekommen.

    wichtig ist den flügel möglichst schnell und in der breite bei allen möglichen klassen einzusetzen um berührungsängste und vorbehalte abzubauen.

    vg
    dreas

  7. Christian sagt:

    interessantes Interview zu einem spannenden Projekt!

    Aber ob sich der Flügel je durchsetzen wird, ist mehr als zweifelhaft. Dem durchschnittlichen A-Cat-Segler fehlt es sowohl am Ingenieurswissen als vor allem auch am finanziellen/ logistischen Hintergrund, um einen Flügel je leistungssteigernd betreiben zu können… aber wir werden sehen.

    Bei den Foiler-Motten, deren Wing wesentlich kleiner wäre, konzentriert man sich derzeit schon wieder auf die Optimierung anderer Dinge (Foils, Gewichtsreduzierung etc.).

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