35. America’s Cup: Artemis neue Herausforderung – Hutchinson erhebt schweren Vorwurf

+++ Zweiter Versuch +++

Das schwedische Artemis Team hat nach dem Team New Zealand offiziell als zweites Syndikat seine Herausforderung für den 35. America’s Cup bekannt gegeben.

Artemis Racing

Artemis in San Francisco. Das schlechteste von vier Teams. © Sander van der Borch/Artemis Racing

Die Anmeldefrist für den America’s Cup ist bereits am 8. August abgelaufen, aber das America’s Cup Management hat noch nicht bekanntgegeben, wer wirklich dabei ist. Es wird davon ausgegangen, dass fünf Herausforderer am Start sind. Offiziell sind bisher nur die Kiwis dabei.

Die Franzosen sind noch ein Wackelkandidat, Luna Rossa wird als wahrscheinlicher Challenger of Record gehandelt und das britische Ainslie Team startet ebenfalls so gut wie sicher.

Desaströse Kampagne

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Die Starboot Olympiasieger Loof (r.) und Salminen mit Artemis Besitzer Tonqvist. © Sander van der Borch/Artemis Racing

Auch das jetzige öffentliche Bekenntnis des schwedischen Artemis Teams zur Teilnahme ist alles andere als ein Geheimnis. Schon bei der vergangenen Herausforderung hatte der Öl-Milliardär Torbjörn Törnqvist klar gemacht, dass er mindestens zwei Auflagen bestreiten wolle.

Es ist allerdings nahezu ein Wunder, dass der gebürtige Schwede nach dem unglücklichen Auftritt beim 34. America’s Cup nicht die Lust verloren hat. Denn es war eine desaströse Kampagne.

[ds_preview] (Ab hier Text für SR-Clubmitglieder)

Designer Juan Kouyoumdjian, dessen Entwürfe drei Volvo Ocean Races gewannen, griff bei der Konstruktion des 72 Fuß Katamarans völlig daneben, indem er nicht auf die Tragflächen-Technik setzte. Bei dem Weg aus der Sackgasse kam es zu Zerwürfnissen im Team um den US-CEO Paul Cayard. Es musste viel Zeit aufgeholt werden.

Hutchinson tritt nach

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Teamchef Iain Percy (GBR) und Steuermann Nathan Outteridge (AUS). © Sander van der Borch/Artemis Racing

Und Steuermann Terry Hutchinson, der vielleicht beste US-Segler überhaupt, verließ Artemis. Erst im Interview vor einer Woche mit der Zeitschrift Maxim, gab er seine Version zu den Gründen des Rauswurfs preis.

Ein heftiger Streit mit Törnqvist soll dazu geführt haben. Es sei um die Sicherheit des Katamarans gegangen, die Hutchinson bezweifelte. Zehn Wochen danach habe es den Unfall gegeben, bei dem Andrew Simpson starb. „Es war allgemein bekannt, dass dieses Boot nicht sicher ist. Eine Tragödie.“

Ein solcher Vorwurf zeigt, wie sehr es noch in dem Amerikaner brodelt. Er deutet an, dass die Schuldfrage für das Auseinanderbrechen des Katamarans neu bewertet werden müsste. Und in einer Gerichtsverhandlung hätte diese Darstellung wohl ein schweres Gewicht. Aber so weit ist es nie gekommen. Es gab Untersuchungen, aber sie schienen nicht darauf ausgerichtet, einen Schuldigen zu finden. Verfehlungen der Führungspersonen oder Konstrukteure wurden nicht festgestellt.

Danach bestand die Gefahr, dass das Team auseinander bricht und jeder hätte verstanden, wenn es aus der Regatta ausgestiegen wäre. Aber stattdessen wurde es offenbar durch das unglaubliche Unglück zusammengeschweißt. Iain Percy, der seinen Starboot-Vorschoter und besten Freund verlor, übernahm die Chef-Rolle im Team und war offenbar tief beeindruckt von Törnqvists Loyalität im Umgang mit dem Todesfall. Es gab keine großen Schuldzuweisungen. Und für Simpsons Familie ist gesorgt.

Team der Olympiasieger

So baute Percy das neue Team auf, dessen Kern die australischen 49er Olympiasieger Nathan Outteridge und Iain Jensen darstellen. Allein diese Konstellation spricht für viel Qualität. Schwieriger ist es, dem Team eine nationale Identität zu geben.

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Das Artemis Team bei der Präsentation in Stockholm. © Sander van der Borch/Artemis Racing

Törnqvist steht der russisch geprägten Firma Gunvor vor mit ihrem Hauptsitz in der Schweiz. Fast schien er in den Strudel der Ukraine Krise zu geraten, als sein russischer Partner Gennadi Timtschenko auf die US-Sanktionen-Liste geriet. Aber der hörte wohl ein Vögelchen zwitschern und übertrug kurz bevor Gunvor Schaden nehmen konnte seine Anteile auf Törnqvist, der jetzt mit 87 Prozent Hauptaktionär ist.

Beim vergangenen Cup trat der Schwede mit einem internationalen Team an und fand zuhause kaum Beachtung. Diesmal aber versucht er, sein Heimatland mit mehr Präsenz und nationalen Verpflichtungen hinter sich zu bringen.

Nationenregel erfüllt

Dafür üben Frederik Loof (44) und dessen 20 Jahre jüngerer Vorschoter Max Salminen seit mehr als einem Jahr das Schnellsegeln auf Katamaranen. Die Starboot-Olympiasieger, die nach ihrer Goldmedaille in Weymouth zu Nationalhelden avancierten, waren von Anfang an für das Team vorgesehen. Zumal das neue Protokoll neuerdings eine Nationenregel vorsieht. Zwei von acht Seglern müssen aus dem Land des Herausforderers kommen.

Loof, der sich seit vielen Jahren mit Percy im Starboot auseinandersetzt, segelte mit weiteren schwedischen Teams eine Rennserie auf M32 Katamaranen in Skandinavien und den USA. Und der Finn- und Star-Weltmeister, der keine America’s Cup Erfahrung hat, sah nicht immer gut dabei aus.

Aber nun ist Percy offenbar überzeugt, dass Loof und dessen Vorschoter, der sich auch an einer Finn Dinghy Olympiakampagne versucht, eine gute Ergänzung im Segelteam sind. Sie passen auch perfekt ins körperlich anspruchsvolle Anforderungsprofil, da von dem modernen America’s Cup Segler im AC62 viel Arbeit am Grinder erwartet wird. Da bleibt kein Platz an Bord für stumpfe Kraftmaschinen oder Taktiker, die von physischen Aufgaben freigestellt sind.

Die Segellegende Rod Davies

Außerdem benannte das Artemis Team nun mit dem Dänen Christian Kamp einen der besten skandinavischen Segelprofis und mit der Segellegende Rod Davies (59, NZL) den vielleicht besten Trainer im Geschäft.

Auf der Designseite ist der Franzose Vincent Lauriot-Prévost ein großer Name. Der Mitbegründer der führenden Hightech-Werft und VPLP stand immer in vorderster Front der Multihull-Entwicklungen. Unter anderem entwickelte er federführend den Oracle Monster Trimaran USA17 für den Sieg beim 34. America’s Cup. Aber auch der Brite Adam May, ehemaliger Tornado Olympia-Vorschoter, gehört zur jungen aufstrebenden Generation der High Speed Designer.

Loïck Peyron, der bei der vergangenen Auflage dem Segelteam von Artemis helfen sollte, wird diesmal im Designteam geführt. Der Franzose dürfte aber auch diesmal wieder als Allzweckwaffe aktiv sein und dem Team ein besonders sympathisches Gesicht geben.

Alles in allem ist längst klar, dass die Schweden besonders gut aufgestellt sind und sicher zu den stärksten Herausforderern gehören werden. Aber sie dürften diesmal sehr vorsichtig sein. Denn solche Vorschusslorbeeren bekamen sie schon beim vergangenen America’s Cup. Und sie scheiterten so dramatisch wie vor ihnen wohl noch kein Team gescheitert ist.

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

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