Bootsmarkt: Superyacht-Industrie boomt – auch wegen Corona

„Nie da gewesene Nachfrage“

Während der Corona-Pandemie ist die Nachfrage nach großen luxuriösen Pötten sprunghaft angestiegen. Mittlerweile floriert der Superyacht-Markt  sogar wie nie zuvor.

Symbolbild Superyacht © Shutterstock, Lucia.Pinto

Superyachten finden seit Monaten reißenden Absatz. Das sogenannte Global Order Book, das die Auftragslage auf dem Superyachtmarkt abbildet und jährlich von Boat International herausgegeben wird, zeigt nun das genaue Ausmaß der Lage.

Demnach verzeichnet die Superyacht-Industrie das dritte Jahr infolge ein konstantes Wachstum im Auftragsbestand. Die Pandemie spielte lediglich am Anfang kurz eine negative Rolle. Schon im vierten Quartal 2020 wendete sich das Blatt und die Bestellungen stiegen sprunghaft an, so das Ergebnis der Befragungen von Werften und Händlern. Ein großer Teil der gestiegenen Nachfrage entfiel dabei auf kleinere Semi-Custom-Baureihen, deren Bestände schnell ausverkauft waren.

Sehnsucht nach privater Insel

Weltweit sollen sich aktuell mehr als 1.000 Schiffe im Bau oder in Auftrag befinden – ein Anstieg von fast 25 Prozent gegenüber dem Wert des Vorjahres. Würde man all jene Superyachten aneinanderreihen, die bis 2026 gebaut, vom Stapel gelassen und ausgeliefert werden sollen, entstünde eine mehr als 40 Kilometer lange Superyacht-Kette. Das sei das Resultat einer noch nie da gewesenen Nachfrage, so das GOB.

Für Interessenten sei es inzwischen eine echte Herausforderung, überhaupt noch ein Semi- oder Full-Custom-Projekt zu finden, das vor 2024 zum Kauf angeboten werde. Superyacht-Broker Will Christie erklärte gegenüber dem britischen „Guardian“, dass die angespannte Lage dazu führe, dass viele Kunden bereit seien, einen Aufschlag zu zahlen, um den Slot eines Kunden zu übernehmen, dessen Yacht früher geliefert werden kann.

Den entscheidenden Grund für den Boom sehen die Werften sowie viele Experten in der Corona-Pandemie. Als Reaktion auf die strengen Abriegelungen und Reisebeschränkungen sehnen sich Käufer offenbar verstärkt nach einer privaten, sicheren schwimmenden Insel, auf die sie sich zurückziehen können. Zudem passe der Trend zum immer größer werdenden Wunsch nach Freiheit und zu den neuen Möglichkeiten des mobilen Arbeitens.

Deutlicher Zuwachs auch im Segelyacht-Bereich

Dem Global Order Book zufolge ist die Nachfrage in fast allen Superyacht-Kategorien und -Größen hoch, besonders ausgeprägt jedoch bei Schiffen unter 45 Metern. Die Auftragszahlen von Yachten unter 30 Metern seien gegenüber dem Vorjahr sogar um 30,5 Prozent gestiegen.

Ein 30-Meter Luxusgefährt – die Wally 101 © wally

Ein Blick auf die verschiedenen Yachttypen zeigt 133 Prozent Wachstum im zuvor verhältnismäßig schwachen Bereich der Sportfischeryachten, 33 Prozent bei den Expeditionsyachten und 18,6 Prozent in der Segelyachtbranche, die damit die die besten Zahlen seit 2018 verzeichnet. Bei den Sport-Superyachten gab es in diesem Jahr ein Wachstum von 5,2 Prozent. Das Segment der Mehrrumpfboote hat verglichen mit den Zahlen des Global Order Books des vergangenen Jahres um 65 Prozent zugelegt.

Die gestiegene Nachfrage scheint sich auch bereits in der Anzahl der Superyacht-Werften niederzuschlagen. Nachdem der Bericht 2018-19 ein Zehnjahrestief von 151 aktiven Werften verzeichnete, gibt es derzeit wieder 186 aktive Werften, die Superyachten bauen. Die hohe Kapazitätsauslastung locke stetig neue Akteure in die Branche.

Außerhalb der Superyacht-Branche dürfte die Entwicklung wohl eher kritisch gesehen werden. Wissenschaftler beklagten erst vor wenigen Monaten den großen CO2-Fußabdruck von Milliardären, an dem ihrer Untersuchung zufolge Superyachten den größten Anteil haben. Peter Newell, Professor für internationale Beziehungen an der Universität Sussex, kritisierte die Superreichen anlässlich der Veröffentlichung des neuen Global Order Books im „Guardian“ entsprechend scharf: „Ob es sich nun um Yachten oder um Privatjets oder um Reisen in den Weltraum handelt, sie zeigen dem Rest der Gesellschaft einfach den Stinkefinger.“

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert