Knarrblog: Faszination Fahrtensegeln. Varianta auf dem IJsselmeer. Sloten – Stavoren

"Der Kopf wird so leicht..."

Die Varianta schwebt per Kran auf ihren Heimat-Liegeplatz an der Duisburger Sechs Seen Platte. © SegelReporter.com

Das offene Meer erstreckt sich vor dem orangen Bug. Weite bis zum Horizont, scheinbare Unendlichkeit, Freiheit. Vielleicht ist es der Kontrast, der das Gefühl so überraschend intensiv macht.

Eben noch absolute Enge, nun das offene Wasser. Eben noch die friesischen Kanälen, nun das IJsselmeer. Eben noch in der Prinses Margeriet Schleuse fast von Bottern zerquetscht, nun der lange Schlag mit kaum einem Schiff in Sichtweite.

Die Varianta kommt plötzlich so zerbrechlich daher. Eine kleinen Nussschale als Spielball der Wellen. 6,50 Meter Uralt-Kunststoff auf trübem, weitem Wasser. Halten Mast, Wanten und Verbände? Brechen Püttingeisen, Mastbeschläge oder Vorstag-Rolle?

Es weht nicht stark. Dunst liegt über dem Binnenmeer. Das Vertrauen in das Schiffchen wächst. Die Entspannung wird tiefer und tiefer. Ein Phänomen. Eigentlich passiert nicht viel, wenn man stundenlang geradeaus fährt. Und dennoch passiert etwas mit dem Menschen auf dem Boot.

Knapp vier Knoten macht die Varianta am Wind. Am Ruder ist ihr sanftes Nicken in der Welle direkt spürbar. Der leichteste Druckunterschied löst eine Reaktion aus. Leichte Krängung, vorsichtiges Aufrichten, etwas Ruderdruck. Das Schiff kommuniziert. Je kleiner das Boot, umso größer die Rückmeldung.

Ein Rhythmus, den der Körper adaptiert. Beruhigend, meditativ. Das Phänomen des Fahrtensegelns. Der entspannte lange Schlag löst irgendetwas im Menschen aus, das ihm gut tut. Das der Schleichfahrt von A nach B einen Sinn gibt.

Der Kopf wird so leicht. Als würden Gedanken durch das wohlige Wackeln und Wiegen in die richtigen Gehirn-Ecken eingeordnet. Sie schwirren nicht mehr umher, sie kommen zur Ruhe.

Faszinierend!

Varianta Törn Teil vier

Varianta Törn Teil drei

Varianta Törn Teil zwei

Varianta Törn Teil eins

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

5 Kommentare zu „Knarrblog: Faszination Fahrtensegeln. Varianta auf dem IJsselmeer. Sloten – Stavoren“

  1. Ole H. sagt:

    Mal ab von den hightech- dominierten Themen wie TP 52 / MedCup /Class40 / Motten und Fliegekats: Auch das ist cool. Mit ner 3KSB in quietschorange auf Tour: „… Segeln ist cool, faszinierend, vielseitig“…
    Vielen Dank dafür.

  2. Backe sagt:

    Hi Carsten – als begeisterter Mit-Segler…. ähhhh… -Leser warte ich gespannt auf das Kartenmaterial. Ich kenne Holland nicht gut genug, um mir nur mit den Namen geographisch weiterhelfen zu können.
    Übrigens: Mit der geistigen Zustands-Beschreibung beim Fahrtensegeln liegst du ganz weit vorne! Meiner Erfahrung nach hat die Entspannung etwas mit einem permanenten, aber anstrengungsmäßig sehr niedrigschwelligen Aufmerksamkeitslevel zu tun… Man muss dauernd etwas tun auf dem Schiff (und sei es nur das Gleichgewicht zu halten), aber gleichzeitig ist es so einfach, dass man es kaum wahrnimmt – und es daher als so wohltuend und erholend empfindet.

  3. Marc sagt:

    Aha ihr schleppt also immer die ganzen Blaualgen und Co. ein in Duisburgs Seen 😉

  4. stefan sagt:

    …sorry Carsten, aber alles das was du als Botter in allen deinen Beiträgen bezeichnest, sind keine Botter.

    …Botter sind ohne Aufbau, mit sehr flachem Heck, die zur Fischerei eingesetzt wurden und lediglich eine Art Kajüte unter dem Vordeck haben. (http://nl.wikipedia.org/wiki/Botter)

    …deine „Edel-Botter“ sind Lemsteraaks (http://nl.wikipedia.org/wiki/Lemsteraak)

    …und alles was lang und schlank ist, fällt unter die Kategorie „Tjalk“ (http://nl.wikipedia.org/wiki/Tjalk)

    • Carsten sagt:

      Hast Recht. Aber ich gebrauche den Begriff Botter als Synonym für die niederländischen Oldtimer-Typen. Dichterische Freiheit 🙂
      Besten Dank für die Aufklärung. Aber schneller oder hübscher werden die „Botter“ damit immer noch nicht.