Normalerweise hat man nach so einem Trip die Nase gestrichen voll von Boot und Meer – doch Lenk wäre am liebsten gleich wieder los. Obwohl es nicht an Widrigkeiten mangelte.
Schon im zarten Alter von 12 Jahren träumte Dominik Lenk von einer Teilnahme bei der MiniTransat – als 26-jähriger will er dieses Jahr im September auf seinem Proto „348“ erstmals dabei sein. Unter anderem müssen sich Mini-Segler für die legendären Einhand-Transatlantikregatta mit einem 1.000-Seemeilen-nonstop-einhand-Trip bewähren und qualifizieren. Ein Törn, den der „Jungsegler des Jahres“ (England, 2009) mit Bravour bewältigte. Obwohl ihm selbst auf offener See reichlich „Steine in den Weg“ gelegt wurden. Sein Bericht:
Mein Trip startete in La Trinité, zwei Tage nach dem Mini en Mai. Ich hatte meinen Autopiloten wieder repariert, kalibriert, initialisiert und war guter Dinge den Kurs auch relativ schnell abzusegeln.
Der erste Abschnitt führte zur Coningbeg Boje vor Irland; übrigens die einzige Boje, die ich kenne mit einem Twitter Konto. 100 Meilen segelte ich neben Nikki auf der 741, die ihr Boot nach Douarnenez überführte und mir auch ihren Ersatzautopiloten auslieh, sollte meiner mal wieder Probleme bereiten.
Als sie dann rechts abbog, wurde mir schlagartig klar, was der Zweck so eines Qualifkationstrips ist: Es ist etwas völlig anderes, tagelang nur Wasser zu sehen als ein Küstenrennen gegen und neben anderen Booten zu segeln. Über Funk verabschiedete ich mich mit “bis in ein paar Tagen”, worauf sie antwortete “ich glaube, Du brauchst ein bisschen länger als nur ein paar Tage”. Vor allem nachdem die letzten eineinhalb Tage von Flauten geprägt waren.
Mit Stirnlampe überm Ruder
Doch jetzt hatte ich Wind, fühlte mich wohl in meiner Haut und wendete auf das offene Meer hinaus. Douarnenez verschwand hinter mir, der Autopilot summte und ich kam hervorragend mit den 20 Minuten Schlafeinheiten zurecht.
Direkt neben Ushant holte mich die Flaute wieder ein und ich verbrachte den Rest des Tages dümpelnd 100 Meter neben einer der tollsten Leuchtturm-Ansammlungen, die es gibt. Der Skipper, mit dem ich 2009 das „Rolex Fastnet“ segelte, erklärte mir damals scherzhaft, dass in Frankreich, jedes Mal wenn eine Glühlampe kaputt geht, gleich ein neuer Leuchtturm gebaut wird.
Am Morgen darauf passierte ich die Scilly Inseln – immer noch am Wind – und nahm Kurs auf Irland. Gegen Mittag zog ich den Code 0 hoch, doch alles in allem zeigte sich die Irische See eher ruhig.
Mitten in der Nacht erreichte ich Coningbeg, allerdings nicht, ohne vorher noch ein kleines Debakel mit einem meiner Ruder zu erleben: 500 Meter vor der Boje kollidierte ich mit irgendetwas, die Sollbruchstelle brach und das Ruder schnellte aus dem Wasser. Fluchend hängte ich mich mit Stirnlampe aus dem Boot und bändselte den Kick-Up-Mechanismus wieder nach unten: Ohne Ruder eine Boje zu runden ist nun mal nicht drin.
„Eigentlich bin ich über Bord gegangen“
Pünktlich zur Rundung von Coningbeg drehte der Wind. Weiter ging es auf dem anderen Bug zurück Richtung Frankreich, also wieder am Wind, der Kurs, für den Minis überhaupt nicht gemacht sind.
Ganze 15 Minuten später nahm der Wind so plötzlich zu, dass ich nicht mehr rechtzeitig reffen konnte. Im Dunkeln sieht man Wolken oder Böen leider nicht. Nach einiger Überraschung bekam ich es hin, zwei Reffs ins Groß zu binden und versuchte mich dann im Dunklen auf einem bockendem Vordeck zu halten, um die Fock ebenfalls zu reffen. Schlussendlich nahm ich sie dann einfach ganz herunter.
Während ich noch über ein drittes Reff nachdachte, fielen bei 35 Knoten die Windinstrumente aus; wenige Sekunden später schaltete sich der Autopilot ein und wendete das Schiff.
Ein Alarm signalisierte mir, dass ich angeblich über Bord gegangen war. Ich stand allerdings ziemlich eindeutig im Cockpit – mitsamt dem Transponder für die Mann-über-Bord-Mechanik. Fluchend verschwand ich unter Deck, um die Elektronik neu zu starten.
Zwar verstummte der Alarm, doch danach ging auch mein Autopilot nicht mehr. Déjà Vu! Also zurück unter Deck, das Boot wild in der Welle herumeiernd, um wieder mal eine Sicherung auszutauschen und den Piloten neu zu initialisieren.
„… und würgte mir die Galle hoch“
Doch während alle meine bisherigen Duelle mit dem Autopiloten durch Unwissen und mangelnde Langstrecken-Erfahrung zum Problem wurden, hatte ich dieses Mal anscheinend ein richtiges Problem: “Too many collisions on the bus” hieß die Fehlermeldung.
Wer kollidierte hier mit wem? Und warum jetzt erst und nicht schon ein paar Tage vorher? Im Logbuch steht “All hell broke loose last night”. Ich trieb mit zwei Reffs im Groß ohne Fock ohne Autopilot vor der Küste Irlands. Nach der 40-Knoten-oder-schlimmer-Front war der Wind wieder komplett weg. Die Welle blieb. Ich saß unter Deck, kontrollierte Kabelverbindungen und würgte die mir hochkommende Galle wieder runter.
Ich vermutete, dass die Front meine Windinstrumente beschädigt hatte. Also abklemmen. Kein Resultat. Nach und nach klemmte ich mal dies, mal das ab und fand das Problem nicht. Den Tag verbrachte ich unter Deck, nachdem ich das Boot wieder in die richtige Richtung gedreht hatte und die Pinne festgebunden hatte.
Glücklicherweise funktioniert das am Wind und zum ersten Mal seit vier Tagen war ich froh, dass das Wetter mir einen so langsamen Kurs bescherte.
Trotzdem installierte ich den Ersatzautopiloten, den ich vorsorglich mitgenommen hatte. Zuerst mit Panzerband und Kabelklemmen, danach etwas professioneller mit einem Bolzen, den ich durch ein abgesägtes Stück einer GoPro-Halterung drehte. Weiter geht’s …
Tüfteln und fressen
Bis zur französischen Küste blieb mir nichts anders übrig als immer wieder an meiner Elektrik zu tüfteln (ohne Erfolg) und mich durch meinen Proviant zu fressen.
Als ich zum zweiten Mal an Douarnenez vorbei kam, war die Stimmung im Keller. Wenn ich wollte, könnte ich hier abbiegen und vor Ende des Tages im Hafen sein. Die Hälfte des Qualifikationstrips lag noch vor mir und mein Autopilot funktionierte nicht!
Zwar hatte ich den Ersatzpiloten, doch der fuhr wie besoffen jede Welle herunter. Als der Wind zum ersten Mal seit 600 Meilen von hinten kam, war ein Setzen des Spis deshalb undenkbar. Also von Hand steuern. Später dann der Kompromiss: Unter Code 0 brachte der Pilot es fertig, wenigstens keine Patenthalsen mehr zu fahren. Und es ging bei dem Trip ja glücklicherweise nicht um Geschwindigkeit. Ich musste lediglich ankommen.
Diese Erkenntnis verbesserte meine Stimmung ungemein. Als ich Rochebonne zum zweiten Mal in etwas mehr als einer Woche passierte, grinste ich nur so vor mich hin. Anluven und das Boot zum ersten Mal auf diesem Trip mit zehn Knoten die Wellen herunterjagen.
Selbst als ich wenig später vor La Rochelle zum xten mal wieder in der Flaute saß, fand ich das eigentlich gar nicht so schlimm. Die letzte Ecke war gleich geschafft und danach ging es “nach Hause” nach Douarnenez.
OK, das dieses letzte Stück wieder einmal eine Kreuz war, fand ich nicht ganz so berauschend. Auch nicht, dass ich sie mit zwei Reffs im Groß und einem in der Fock segelte. Bei einem Wendewinkel von 120°!
Überhaupt, dass ich herausfand, dass mein AIS seine Daten vom Autopiloten kriegte und schon seit Irland nicht mehr sendete (die leicht panische, besorgt hinterfragende SMS meiner Mam machte mich darauf aufmerksam, als ich in Landnähe kam.) Oder dass ich vor Les Sables d’Olonne mein Toplicht in der Welle abschüttelte. Alles nicht ganz so prickelnd …
Trotzig ausfeiern
Doch als ich wenig später die gesamte Elektronik verlor, weil eine Welle durch die zerbrochene Mastdichtung meinen 12 Volt-Wandler flutete, hatte ich endlich mal wieder genug.
Aber, hey, ankommen würde ich. Auch wenn ich für die letzten 200 Meilen die Batterien aus dem Barometer klaubte, um mein GPS wieder zu beleben während ich fast nur auf Sicht mit festgeschnürter Pinne die Küste hochfuhr … Ankommen würde ich!
Es ist unglaublich wie viel kleine Dinge die Stimmung massiv beeinflussen wenn man alleine auf See ist. Eine kleine Flaute lässt einen verzweifeln, ein klein bisschen bessere Geschwindigkeit sorgt dafür, dass man stundenlang vor lauter grinsen nicht mehr schlafen kannst. Und ein wenig Trotz, warmes Essen und die Bereitschaft, kleine Erfolge gnadenlos auszufeiern, helfen ungemein viel.
Wie gesagt: Es ist etwas anderes tagelang nur Wasser zu sehen als ein Küstenrennen gegen und neben anderen Booten zu segeln.
Nach 10 Tagen und 12 Stunden kam ich in Douarnenez an, legte mich für 2 Stunden auf den Steg und machte mich danach daran, das Boot aufzuräumen. Leider gibt es eine ziemlich lange Liste an Sachen, die repariert werden müssen, nicht zuletzt die Elektronik und der Autopilot. Auch die Segel haben langsam genug gesehen und müssen vor dem Transat zum Teil ersetzt werden.
Weiter geht es am 14. Juni mit dem Mini Fastnet, einer Zweihand-Regatta von Douarnenez um den Fastnet Rock und zurück. Dies ist der letzte Test für das Boot – danach ist nur noch Training geplant, bevor es am 19. September dann endlich über den Atlantik geht.
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