SR-Test Libertist 853: Kohlefasergeschoss zum Tourensegeln – Euphorisierender Trimaran

Schweben statt segeln

© F.-X. de Crècy

Wenig Gewicht, viel Segelfläche und zwei feste Foils sorgen dafür, dass der Tri schon bei leichter Brise seine Bugspitzen aus dem Wasser hebt und loszischt. Aber richtig!

Die Kunst besteht darin, Ruhe zu bewahren und die Pinne im entscheidenden Augenblick nur ein ganz kleines My zu sich heranzuziehen. Auf keinen Fall mit einem Ruck, denn nur, wenn man sensibel genug zu Werke geht, entschließt sich der Libertist 853, seinen Turbo dazuzuschalten.

Andernfalls bleibt er im schnellen Segelmodus stecken, anstatt in den superschnellen zu wechseln. Wartet man aber den richtigen Augenblick ab und gibt den perfekt-leichten Impuls mit der Pinne, zischt der filigrane Trimaran los. Und wie! In Sekundenschnelle klettert seine Logge von neun auf fünfzehn Knoten. Und mehr, wenn die Böe lang genug ist – bei gerade einmal drei Windstärken. Diese Beschleunigung euphorisiert so sehr, dass man nicht genug davon bekommen kann.

Am besten lässt sich die Fahrt vom Luvschwimmer aus genießen. Durch das Trampolin sieht man das Wasser unter sich hindurchzischen, und das ist eine im wahrsten Sinne des Wortes eine berauschende Erfahrung. Von dort aus lässt sich etwas nur erahnen, aber nicht sehen, das dabei hilft, diese rasante Geschwindigkeit überhaupt einzuleiten und so lange wie möglich aufrechtzuerhalten.

Es sind die beiden kurzen, festen Foils, die auf Höhe des vorderen Beams in den Auslegern stecken. Sie helfen, die Bugspitzen ein gutes Stück aus dem Wasser zu heben, sodass der Tri nur noch mit den hinteren Schwimmerabschnitten im Wasser bleibt. Fliegen kann der Libertist 853 zwar nicht, wohl aber unglaublich schnell segeln.

Für einen Trimaran bietet das Schiff recht viel Platz im Cockpit © F.-X. de Crècy

Um das Konzept dieses achteinhalb Meter langen Trimarans zu verstehen, muss man sich näher mit der Firmenphilosophie beschäftigen. Libertist Yachts gibt es seit 2015. Die Idee, die zur Gründung führte, bestand darin, Yachten zu entwickeln, die gut segeln, ohne viel Ausrüstungsschnickschnack auskommen und von einer kleinen Crew zu bewältigen sind. Auf keinen Fall sollen Schiffe angeboten werden, die dem Mainstream folgen und überflüssige Luxusausrüstung über schnelle Segeleigenschaften stellen.

Zusammen mit dem französischen Konstrukteur Eric Lerouge werden Trimarane entwickelt, die den genannten Designvorstellungen entsprechen. Die Fertigung übernehmen Werften, die sich mit der Verarbeitung von High-Tech-Materialien auskennen, darunter die polnische REGA-Werft. Sie ist bekannt für den Bau hochwertiger Kohlefaser-Yachten.

Französisch-polnische Zusammenarbeit

Jüngstes Modell der Firmenpalette ist der Libertist 853, dessen Baunummer eins wir segeln. Alles an diesem Schiff ist besonders. Seine Rümpfe sind aus Kohlefasern gefertigt, sein Rigg ebenfalls. Beides ermöglicht das sehr geringe Gesamtgewicht von nur 1.400 Kilogramm.

Darüber hinaus sorgt der drehbare Mast für eine gute Anströmung des Großsegels und das flache, langestreckte Profil erhöht auch noch die Segelfläche. Dabei ist die ohnehin schon ausnehmend groß. Allein das Groß bringt es auf 40 Quadratmeter. Die Fock erweitert um 19 Quadratmeter, und wird der Spinnaker gesetzt, wofür wir uns bald nach dem Auslaufen entscheiden, kommen nochmals 78 Quadratmeter hinzu.

Die Bedienung der Segel übernimmt am besten die Cockpit-Crew. Im Cruising-Modus reichen dafür ein oder zwei Personen. Platz gibt es für vier und sogar mehr Mitsegler, die ihre Sitzplätze auf den Bänken zu beiden Seiten der Cockpitwanne finden. Fallen, Schoten und Strecker, darunter auch das fürs Schwertfall, werden auf zwei Winschen achtern auf dem Deckshaus geführt. Sogar Solo-Handling ist dank dieser Beschlagsanordnung möglich, denn die Pinne ist mit einem langen Teleskopausleger ausgerüstet.

Nur, um die Umlenkblöcke für die Code-Zero-Schoten anzubringen, muss überhaupt jemand aus der Crew das Cockpit verlassen. Dafür klettert er über das Trampolin, auf dem der Rudergänger am liebsten sitzt, weil das Steuern von dort aus am meisten Spaß macht. Zumindest bei schönem Wetter – bei Sturm und Kälte bietet das Cockpit mehr Schutz vor Wind und Wellen, was bei stärkerer Brise sicher wünschenswert ist, denn irgendwann sitzt man oben mitten in der Gischt. Wir erleben das am Testtag nicht. Bei den vorherrschenden drei Windstärken bleiben wir tatsächlich knochentrocken, egal, wo wir sitzen.

Zum Racen und zum Cruisen

Der Libertist 853 ist als Cruiser-Racer gedacht. Vom Charakter her als sportlich einzustufen, passt er zu Eignern, die richtig segeln wollen, mal auf Regatten, mal auf längeren Törns. Im Tourenmodus schalten Tri und Skipper einfach einen Gang runter. Letztgenannter bleibt dann gemütlich im Cockpit sitzen, lässt den Spi unter Deck und genießt den lauen Fahrtwind bei immer noch ansprechendem Speed.

Vier Personen braucht man mindestens zum Racen, vier können aber auch zusammen auf Törn gehen. In der Vorschiffskoje beträgt die größte Breite 1,40 Meter bei einer Länge von 2,00 Metern. Achtern unter dem Cockpitboden liegt eine zweite, etwas schmalere Doppelkoje. Noch ist der Zugang etwas mühsam, doch mit Baunummer zwei wird die Niedergangsstufe verschiebbar sein, was den Einstieg dann erleichtert.

Insgesamt präsentiert sich der Tri unter Deck größer als vermutet. Die Stehhöhe im Salon beträgt sogar 1,82 Meter, und ist damit ausreichend, um sich das Ölzeug ohne allzu große Verrenkungen anzuziehen. Erstaunlicherweise gibt es sogar einen richtigen Salon mit Sitzbänken und Esstisch, dazu noch eine kleine Pantry. Schaut man sich den Tisch genauer an (dasselbe gilt für die Seitenwände), wird klar, wie sorgfältig der Tri tatsächlich gearbeitet ist, denn die Tischplatte zeigt attraktives Sichtcarbon – dessen hübsches Karomuster sich auch in den Wänden wiederfindet.

Um den Innenraum optimal zu nutzen, wurden vielerorts kleine Stauräume eingearbeitet, zum Beispiel in die Schotten. Hier gibt es Tuchtaschen, die in Löcher eingehängt sind. Sie dienen als Schwalbennester und sind nützlich, um Brillen, Handys etc. zu verstauen. Selbst auf ein WC muss der Tourensegler nicht verzichten. Es liegt im Durchgang zum Vorschiff.

Was will ein Seglerherz mehr, wenn es dazu noch eine sportliche Herausforderung erhält? Eventuell sein Schiff über die Straße verholen, um möglichst viele unterschiedliche Reviere kennenzulernen? Auch das ist relativ unkompliziert möglich, denn der Tri kann auseinandergenommen werden und bietet dann Transportmaße mit einer Maximalbreite von 2,55 Metern. Damit – und mit seinem geringen Gewicht ist der Tri auch für den Überlandtransport vernünftig gerüstet.


Technische Daten:

Konstruktion: Erik Lerouge
Gebaut bei: Rega Yacht / Polen
LüA: 8,53 m
LWL: 8,53 m
Breite insgesamt: 7,10 m
Mittelrumpfbreite: 2,44 m
Tiefgang: 0,45 – 1,95 m
Verdrängung: 1,4 t
Stehhöhe: max. 1,82 (im Salon)
Kojen: vorn: 1,40 x 2,00 m; achtern: 1,20 m (Kopf), 1,20 m (Fuß), 2,00 m (Länge)
Motor: 10 PS Außenborder
Groß: 40 m²
Rollfock: 19 m²
Gennaker: 41 m²
Asym. Spi: 78 m²
Preis: ab 150.000 Euro
Näheres: www.libertist.eu
Deutschlandvertrieb: www.chiemsee-yachting.com


Fazit

Der Libertist 853 bringt Spaß, vor allem jenen, die gern superschnell unterwegs sind. Im Gegenzug zum Geschwindigkeitsrausch muss man natürlich Geräumigkeit einbüßen. Wer aber beides will, Nervenkitzel und Tourenkomfort (allerdings ohne allzu großen Luxus), sollte eine Probefahrt auf dem sehr wertig gebauten Trimaran vereinbaren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert