Eigentlich könnte die portugiesische Insel Ilha Culatra vor der Algarve für den Einhandsegler Jan und seine „Ahora“ paradiesisch sein. Doch die CoVID19-Krise macht auch vor Fahrtenseglern in exotischen Gefilden nicht halt!
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Irgendwie halten sich immer noch die Fake-News, dass es Fahrtensegler in Zeiten wie diesen am besten hätten. Vor allem für die südlichen (und somit derzeit wärmeren) europäischen Reviere werden gerne Visionen gesponnen, die für Corona-geschwängerte Zeiten erstaunlich viel mit grenzenloser Freiheit und gelebter Individualität zu tun haben.
Die Realität sieht offenbar anders aus.
So sind etwa die französischen Häfen entlang der Atlantik- und Mittelmeerküsten definitiv dicht. Es wird nur noch ein Notfall-Service unterhalten, jegliche Freizeitaktivitäten auf dem Wasser sind untersagt. Wer etwa von einem Atlantik-Törn in einen der geschlossenen Häfen einfährt, wird zwar nicht abgewiesen, kann aber unter Quarantäne – und zwar auf dem Boot – gestellt werden.
Ausgangssperre oder Quarantäne?
In Spanien und Portugal ist die Situation ähnlich, wenn auch nicht ganz so eindeutig. So sind ebenfalls offiziell Wassersportaktivitäten entlang der Küsten und auf den Binnenseen verboten, die Einhaltung der Vorgaben wird jedoch von den Betreibern der großen Häfen und von den jeweiligen Behörden unterschiedlich gehandhabt. So werden in manchen spanischen und portugiesischen Häfen Regatta-Trainingsaktivitäten rigoros verboten, ankommende Fahrtensegler dürfen zwar festmachen, müssen aber nachweisen (etwa per AIS-Tracker) woher sie kommen.
Erst dann wird (nach unterschiedlichen Kriterien) festgelegt, ob sich die Bootscrew „nur“ nach den Regeln der offiziellen Ausgangssperre oder nach verschärften Quarantäne-Vorschriften richten muss. Ein kleiner, aber letztendlich schwerwiegender Unterschied: Wer unter der Quarantäne- Ausgangssperre steht, darf noch nicht mal zum Supermarkt oder eine Runde joggen und muss seine Zeit auf dem Boot verbringen, wer „nur“ mit der allgemein üblichen Ausgangssperre konfrontiert ist, darf wenigsten seine Einkäufe selbst erledigen.
Wurde das Boot nicht unter Quarantäne gestellt, darf man aus manchen Häfen wieder auslaufen, man muss aber damit rechnen, dass im nächsten Törn-Stopp eine Quarantäne über Boot und Crew verhängt wird.
Nicht von Bord gehen!
Von der unterschiedlichen Sichtweise der zuständigen Behörden kann zum Beispiel der frischgebackene Langfahrtsegler Jan C. Athenstädt sein Liedchen singen. Der Informatiker ist seit 2016 stolzer Besitzer seiner „Ahora“ (spanisch „jetzt“), einer Laurin 31.
Letztes Jahr begann er ein neues Leben als Langfahrtsegler. Nach drei Jahren Vorbereitungszeit auf seinem Spitzgatter wollte er eigentlich in aller Ruhe die französischen, spanischen und portugiesischen Küsten entlang segeln, in einladenden Buchten ankern oder von schönen Häfen aus die umliegenden Gegenden erkunden. Später will er über den Großen Teich in die Karibik segeln, um dort für eine Weile zu leben.
Doch mit dem Müßiggang vor spanischen und portugiesischen Küsten ist in Corona-Zeiten logischerweise erstmal Schluss – wenn auch auf besonders ernüchternde Weise: Jan und seine Ahora wurden auf der paradiesischen Ilha Culatra von der örtlichen Policia Maritima festgesetzt. Man erklärte ihm freundlich, aber bestimmt, dass er sein Boot nicht verlassen dürfe – auch nicht für den Einkauf von Lebensmitteln.
Auf seiner ausgesprochen sehenswerten Website berichtet Jan im Blog von seiner Reise und natürlich auch von seinen „Abenteuern“ in virusgeschwängerten Zeiten. Seine Blog-Artikel sind höchst unterhaltend und informativ. Und so findet man nun zwischen eher lässigen, manchmal auch fahrtenseglertypischen Überschriften wie „Wunderschöne Südbretagne“, „Vor Anker im Norden Galiciens“, „die wunderlichen Bootsbastler“, „Männer die auf Boote schauen“, „endlich Sommer-Feeling“, „was kostet die Welt?“ nun auch einen Betrag mit dem Titel „Gefangen an Bord – jetzt wird’s unlustig!“
Auszüge:
Die Policia Maritima kam eben längsseits und überbrachte mir die „frohe Botschaft“. Nicht einmal zum Einkaufen darf ich nun von Bord. Stattdessen wurde mir die Nummer des örtlichen Supermarktes auf Culatra gegeben, der mich im Notfall mit Nahrungsmitteln versorgen würde.
Quarantäne wofür?
Wie es dazu kam? Ich vermute, es liegt daran, dass ich heute morgen von Faro aus hierher motort bin. Dort hatte ich letzte Woche Schutz vor Starkwind gesucht und außerdem meine Wasservorräte aufgefüllt. Doch dort hat man mich heute Morgen weggescheucht, weil die Muring, an der ich lag, privat (und angeblich nicht für meine Bootsgröße ausgelegt) sei.
Also motorte ich heute Vormittag gemütlich die 1,5 Stunden von Faro zurück zur Ilha Culatra, die ja sowieso viel schöner ist. Vor allem, wenn man nichts machen kann außer spazieren oder joggen gehen. Aktuell herrscht in Portugal wegen Corona zwar der Notstand, allerdings sind kurze Aufenthalte an der frischen Luft, z.B. zum Sport machen, offiziell erlaubt. Das nutzte ich auch, joggte mittags am menschenleeren Strand entlang und ging eine Runde Schwimmen.
Diese Freiheit war aber leider von äußerst kurzer Dauer. Am Abend bekam ich einen Besuch der Policía Maritíma, die mir freundlich, aber bestimmt erklärte, dass ich von nun an mein Schiff nicht verlassen dürfe. Die Argumentation, dass ich ja bloß von Faro gekommen sei und nicht etwa aus Spanien, wurde nicht gelten gelassen.
Das war natürlich ein Schock, denn auch wenn ich mein Schiff mag, darauf eingesperrt sein möchte ich natürlich nicht. Ich kann gut verstehen, dass alle nötigen Maßnahmen getroffen werden, um die Seuche einzudämmen. Aber ich kann nicht nachvollziehen, dass alle Portugiesen (und auch alle Ausländer, die mit ihren Wohnmobilen hier sind) spazieren und einkaufen gehen dürfen und ich hier an Bord in Quarantäne festhänge, obwohl ich schon seit Oktober in Portugal und seit über zwei Wochen hier in der Lagune bin.
Ich dachte zunächst, dass alle Segler hier in der Lagune das selbe Problem haben. Aber offensichtlich betrifft es nur ein englisches Boot, dass auch von Faro aus kam, und mich. Mein Freund Micha ist um die Schikane herumgekommen, obwohl er ebenfalls aus Faro kam. Aber er hat kein AIS, und ich schätze, das wird der Grund sein.
Ich hatte mir schon vor dem Losfahren überlegt, ob ich den AIS-Transponder nicht lieber ausschalten sollte, um quasi „unter dem Radar“ zu bleiben. Ich habe mich dann aber bewusst dagegen entschieden, da so ein Track ja auch ein Beweis ist, dass ich eben nicht aus Spanien eingelaufen bin.
Jedenfalls bin ich gerade ziemlich deprimiert, denn so macht das Bootsleben wirklich keinen Spaß mehr. Wie gesagt, ich bin absolut für strickte Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Aber was mir hier passiert, ist meiner Meinung nach unnötige Schikane. Ich werde morgen einmal bei der Polizei anrufen, vielleicht schaffe ich es ja, die Lage zu klären. Noch habe ich Hoffnung. Drückt mir die Daumen!
P.S.: Trotz allem Ärger ist mir bewusst, dass es eine Menge Leute gibt, denen es gerade deutlich schlechter geht als mir. Ich bin gesund und habe genug zu Essen. Insofern möchte ich nicht allzu viel jammern. Allen Lesern wünsche ich alles Gute und hoffe ihr bleibt ebenfalls gesund und sicher!
Klabauterkiste und Klabautershop (Online-Magazin und Online-Shop, die Jan zur Finanzierung seiner Reise mit vielen seemännischen und fahrtenseglerischen Informationen und vorwiegend elektronischen Produkten betreibt)
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