Der olympische Teil der Kieler Woche begann mit einem Tag für Leichtwind- und Taktik-Spezialisten. Bei viel Sonnenschein gelangen in den drehenden Winden auf den Kursen der Kieler Außenförde für die 49er, 49erFX und Nacra17 sowie die Finns jeweils drei Rennen. Bei den Laser Radial und Laser Standard wurde der Tag nach zwei Wettfahrten beendet.
49erFX:
Tag eins in der finalen Olympia-Ausscheidung unter den beiden deutschen Skiff-Mannschaften Tina Lutz/Susann Beucke (Chiemsee/Strande) und Victoria Jurczok/Anika Lorenz (Berlin) geht an die süd-/norddeutsche Kombination. Lutz/Beucke, die in die dritte Ausscheidungsregatta zur Kieler Woche ohnehin schon mit einem Punktevorsprung gestartet sind, kamen mit einem vierten Platz gut in die Kieler-Woche-Regatta hinein, profitierten in der zweiten Wettfahrt auf der Startkreuz von einem Rechtsdreher des Windes, um erneut als Vierte ein weiteres Top-Ergebnis einzufahren.
Diese Serie setzten sie fort und liegen nach drei vierten Plätzen auf Gesamtrang sechs. Jurczok/Lorenz kamen etwas holprig in den Tag hinein, steigerten sich aber kontinuierlich und sind mit den Ergebnissen 8, 7, 3 auf Platz neun.
Trotz jeweils eines Ausrutschers liegen die WM-Goldgewinnerinnen der vergangenen Jahre ganz vorn. Es führen die spanischen Weltmeisterinnen von 2019 Tamara Echegoyen/Paula Barcelo vor den Doppel-Weltmeisterinnen (2018, 2020) Annemiek Bekkering/Annette Duetz (Niederlande).
49er:
Die Kieler Woche 2020 bietet bei den Skiff-Männern ein buntes Feld von Startern: Nachwuchs trifft auf Routine, Combacker segeln gegen Olympia-Aspiranten. So feiern Marcus Baur/Philip Barth (Kiel), die Olympia-Starter von 2000, ein Revival. Und Thomas Berg (Kiel), der Erfolgsbundestrainer von 2016, hat sich mit Hannes Baumann (Hamburg), dem Olympia-Elften von London, zusammengetan. Beide Teams boten ein paar Farbtupfer im Mittelfeld, in dem sich nach dem ersten Tag allerdings auch die aktuellen WM-Dritten Erik Heil/Thomas Plößel (Hamburg) wiederfinden.
Nach einer Frühstart-Disqualifikation in der ersten Wettfahrt taten sie sich schwer, um in Fahrt zu kommen, liegen mit einem zehnten und einem fünften Platz nur auf Gesamtrang 15. „In unserer Eigenanalyse haben wir festgestellt, dass wir eigentlich nur unter Druck performen. Heute waren wir wohl zu relaxed. Es war allerdings auch nicht das Ziel, 100 Prozent zu geben. Denn Erik und ich waren zuletzt erkältet“, so Thomas Plößel.
Sein Steuermann kämpfte zudem vor vier Wochen mit einem Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule: „Ich bin ganz froh, dass alles gutgegangen ist heute, habe aber auch keine Sorge“, so Heil. Den Fehlstart in die Kieler Woche hatte Vorschoter Plößel zu verantworten. Er war in der Zeitnahme eine Minute zu früh. „Das ist mir noch nie passiert.“
Die Spitze hat zunächst der dänische 2008er-Olympiasieger Jonas Warrer mit Vorschoter Jakob Precht Jensen übernommen, gefolgt von den WM-Vierten von 2017, Lukasz Przybytek/Pawel Kolodzinski aus Polen.
Als beste Deutsche liegen Tim Fischer/Fabian Graf (Hamburg/Berlin) auf Rang drei. Nach der verpatzten Olympia-Ausscheidung stehen die WM-Dritten von 2018 am Scheideweg ihrer weiteren Karriere. „Nach der WM haben wir vier, fünf Monate nicht mehr gemeinsam auf einem Boot gesessen. Ich habe die künftigen Olympia-Disziplinen Kite-Foil und 470er Mixed probiert, aber festgestellt, dass der 49er das geilste olympische Boot ist“, so Fabian Graf. „Tim und ich werden jetzt die Kieler Woche und die Europameisterschaft segeln und danach entscheiden, wie es bis 2024 weitergeht.“
Laser Radial:
Die Anspannung in der Laser-Klasse der Frauen ist spürbar. Nach Monaten des Regatta-Stillstands geht es im Oktober zur Europameisterschaft in Polen. Und auf dem Weg dorthin ist für die europäische Elite die Kieler Woche eine wichtige Station. Für die deutschen Seglerinnen heißt es, sich hier zu beweisen, da die Kieler Woche zur zweiten nationalen Ausscheidung um das Olympia-Ticket erkoren wurde.
Bei der WM konnte Svenja Weger (Berlin) als einzige Deutsche mit WM-Rang 13 punkten, jetzt aber erwischte die Konkurrenz den besseren Start. Julia Büsselberg (Berlin) ist als Vierte beste Deutsche, Hannah Anderssohn (Rostock, 10.), Laura Schewe (Kiel, 12.) und Lena Haverland (Schwerin, 14.) liegen noch vor Svenja Weger auf Platz 15.
Der Druck wächst, zumal das Feld hochklassig besetzt ist. Es führt nach zwei Rennen die Olympiasiegerin und amtierende Weltmeisterin Marit Bouwmeester (Niederlande), gefolgt von der 2019-Weltmeisterin und Olympiadritten Anne-Marie Rindom (Dänemark) sowie Maria Erdi (Ungarn).
Laser Standard:
Deutschlands Olympiahoffnung Philipp Buhl (Sonthofen) bekannte vor dem Start in die Kieler Woche, dass er sich derzeit nicht in WM-Form fühlt. Die Substanz scheint aber noch sehr gut zu sein: Mit einem zweiten und einem fünften Platz nach dem ersten Tag rangiert der amtierende Weltmeister auf Platz zwei hinter dem überraschend starken Italiener Giovanni Coccoluto und dem britischen WM-Fünften Elliot Hanson.
Sehr gut startete auch Nik Aaron Willim in die Regatta. Nach den Plätzen 5/7 wird er im stark besetzten 80-Boote-Feld auf Rang zehn geführt. In den beiden Gruppen haben nach zwei Rennen schon 17 Segler einen Frühstart zu verbuchen.
Nacra 17:
Nach Monaten der Unsicherheit über den eigenen Leistungsstand ließen Paul Kohlhoff/Alica Stuhlemmer (Kiel) keinen Zweifel darüber, dass sie die zusätzliche Zeit bis zu den Olympischen Spielen bisher gut genutzt haben. In allen drei Rennen spielten sie in der Spitzengruppe eines absoluten Weltklassefeldes mit, liegen nach den Rängen 3, 5, 3 auf dem zweiten Gesamtrang.
Als sehr schnell auf dem Kurs erwiesen sich die Italiener Ruggero Tita/Caterina Banti (1, 3, 1), führen das Kieler-Woche-Feld an. Die Weltmeister von 2018 waren bei den beiden vergangenen Welttitelkämpfen nur zweite italienische Kraft. Vittorio Bissaro/Maelle Frascari gewannen 2019 den WM-Titel und waren in diesem Februar WM-Fünfte. Zum Start in die Kieler Woche liegen sie ebenfalls auf Platz fünf.
Auch die weiteren Namen auf den Top-Positionen der Kieler Woche lesen sich wie das Who-is-Who der Nacra-Segler. Platz drei nehmen die amtierenden Weltmeister John Gimson/Anna Burnet (Großbritannien) ein, dahinter lauert der Olympia-Dritte Thomas Zajac (Österreich) mit seiner Vorschoterin Barbara Matz, und auf Platz sechs liegen die Olympiasieger von Rio, Santiago Lange/Cecilia Carranza (Argentinien).
Finn:
Direkt von der Europameisterschaft in Polen sind die Spitzen-Finnsegler zur Kieler Woche gekommen. Der Terminkalender ist eben eng, und mit Blick auf die letzten Olympischen Spiele der Finn-Klasse im kommenden Jahr nutzen die Schwerathleten jede Gelegenheit, um sich in Form zu bringen. Der deutsche Verband ist in dieser Klasse noch nicht für Tokio qualifiziert, und der letzte Aspirant auf einen letzten Finn-Platz für Europa ist Max Kohlhoff.
Zur EM segelte der Kieler auf Platz 14, vor Kiel liegt er im Zwischenklassement nach drei Rennen auf dem sechsten Platz. „Ich dachte, die Bedingungen zur EM in Polen seien schwierig gewesen, aber das heute war noch mal eine Steigerung. Ich habe einiges liegen gelassen. Das ist ärgerlich gleich zum Start in die Serie“, sagte der Kieler nach den Platzierungen 4, 8, 6.
„Wir haben hier zehn bis zwölf gute Jungs am Start, und ich muss dem DSV eine klare Tendenz zeigen, um eine Chance auf einen Kaderstatus für das kommende Jahr zu haben. Ohne Kader kann ich die Olympia-Kampagne nicht weiterführen.“
Die Spitze der Kieler Woche hat der aktuelle EM-Fünfte Nicholas Heiner (Niederlande, 1, 2, 1) vor Nils Theuninck (Schweiz, 2, 4, 2) und Facundo Olezza (Argentinien, 3, 3, 3) eingenommen.
29er:
An der Spitze der Nachwuchs-Skiffs, die für ihren Euro Cup 93 Boote an die Startlinie in Kiel bringen durften, weht nach zwei Wettfahrten zwar die maltesische Flagge. Erfolgssteuermann Richard Schultheis hat aber deutsche Wurzeln, stammt aus Berlin und lebt mit seinen Eltern und seinen Geschwistern seit einigen Jahren auf der Mittelmeerinseln.
Vor Kiel segelt er mit dem Münchner Max Körner und startet mit zwei ersten Plätzen makellos. Es folgen zwei dänische Teams: Malthe Ebdrup/Peter Joos sowie Helena Wolff und Carl Emil Sloth.
OK-Jolle:
Der zweimalige OK-Weltmeister André Budzien liegt nach den ersten drei Rennen in der OK-Klasse in einem Dänen-Sandwich. Mads Bendix lief dem Rostocker mit zwei Tagessiegen und einem zweiten Platz den Rang ab. Budzien ist mit zwei zweiten und einem ersten Platz aber auf Tuchfühlung, während der drittplatzierte Bo Petersen (10, 3, 3) schon einen Ausrutscher verkraften muss.
Formula 18:
Einen beeindruckenden Start in die F18-Konkurrenz legte das französisch-dänische Duo Cedric Bader/Nicolaj Björnholt hin. Drei Starts, drei Siege verbuchten die beiden Hobie-Segler, die sich spontan für diese Kieler Woche zusammengefunden haben. Die deutschen Kieler-Woche-Seriensieger Helge und Christian Sach (Zarnekau, 4, 2, 4), die vor einem Monat die deutsche Bestenermittlung gewonnen haben, lauern hinter den Finnen Mikko und Kirsikka Räisänen (5, 4, 2) auf Platz drei.
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