Corona lässt die Häfen platzen: Ostseeliegeplätze sind begehrter denn je

„Nehmen Sie, was Sie kriegen können“

Urlaub an der heimischen Ostseeküste boomt – erst recht in Zeiten von Corona. Das bekommen auch Eigner auf der Suche nach Saison- und Dauerliegeplätzen zu spüren. Wie ist die Lage in den Häfen Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns kurz vor Saisonstart? Welche Trends zeichnen sich ab? Und ist überhaupt noch irgendwo ein Platz frei?

Auch in der Marina Heiligenhafen gibt es derzeit keine freien Festliegeplätze. Bild: HVB GmbH & Co. KG

Wer sich auf Kleinanzeigen-Portalen, in Internet-Foren und Facebook-Gruppen umschaut oder offline umhört, merkt schnell: So mancher Eigner sucht noch händeringend nach einem Festliegeplatz an der deutschen Ostseeküste für die anstehende Saison. Es scheint, als hätte Corona die Nachfrage in die Höhe getrieben. Wir wollten es genauer wissen und fragten Ende Februar in den Häfen nach entsprechenden Erfahrungen und Einschätzungen. Die Verantwortlichen aus rund 50 Marinas von Flensburg bis Altwarp schilderten uns die Situation bei ihnen vor Ort, machten Trends und Entwicklungen aus. Von einigen Häfen erhielten wir keine Antwort.

Freie Liegeplätze sind rar

Das Bild, das die Hafenmeister, -betreiber und Pressebeauftragten von der Lage kurz vor dem Start der Segelsaison zeichnen, ist tatsächlich überall ein ähnliches: Freie Dauer- oder Saisonliegeplätze für 2021 gibt es derzeit kaum irgendwo. Man könne keine Anfragen mehr bedienen, heißt es etwa aus der Marina Heiligenhafen, man sei restlos ausgebucht aus dem Passathafen in Lübeck. Und Uwe Heydorn vom Wassersportzentrum Großenbrode erklärt, dass er trotz Hafenerweiterung, durch die zur neuen Saison weitere Liegeplätze entstünden, derzeit nicht allen Interessenten einen Liegeplatz anbieten könne. „Die Nachfrage nach Liegeplätzen übersteigt bei Weitem die verfügbare Anzahl“, fasst Dennis Schlehahn von der Gemeinde Timmendorfer Strand zusammen.

Die Folge: Fast überall müssen Interessenten erst einmal abgewiesen werden. Mehrere Hafenteams berichten von Eignern, die bereits etliche Yachthäfen in der Wunschgegend abtelefoniert haben – ohne Erfolg. 26 seien es bei einem Bewerber im Gemeindehafen Maasholm gewesen, so die Auskunft aus dem Maasholmer Rathaus. Philipp Mühlenhardt, Geschäftsführer der Sporthafen Kiel GmbH, erklärt Ende Februar: „Bereits zum jetzigen Zeitpunkt werden wir für die Saison 2021 rund 100 Liegeplatzwünsche nicht bedienen können.“

Die Zahlen unserer Umfrage machen nicht unbedingt mehr Hoffnung. Von den knapp über 50 Häfen, die uns Ende Februar Auskunft über ihre Buchungslage gaben, hatten lediglich zehn Stück noch feste (Wasser-)Liegeplätze frei – meist in sehr überschaubarer Anzahl.

Eigner größerer Yachten haben es bei der Suche offenbar besonders schwer. „Gerade größere Liegeplätze werden immer mehr nachgefragt und sind nach unseren Recherchen an der Ostseeküste mittlerweile rar. Auch wir haben eine Warteliste für größere Yachten ab 40 Fuß, die wir in unserem Hafen derzeit nicht mehr unterbringen können“, sagt Falk Morgenstern vom Baltic Sea Resort, zu dem auch die Marina Kröslin gehört. „Bei kleineren Booten bestehen noch Möglichkeiten, Plätze zu bekommen.“ Vergleichbar ist die Lage auch in anderen Häfen. Die wenigen verfügbaren Saison- und Dauerliegeplätze, die wir im Rahmen unserer Nachforschung überhaupt ausfindig machen können, befinden sich häufig im 10-Meter-Bereich.

Corona als Verstärker?

Aber welchen Einfluss hat nun Corona auf die Nachfrage nach Saison- bzw. Dauerliegeplätzen an der deutschen Ostseeküste? Klar ist: Die Häfen waren schon vor Ausbruch der Pandemie gut gebucht. Bei der Stadt Greifswald spricht man deshalb bereits von einer „dauerhaften Knappheit an Dauerliegeplätzen“. Doch eine Steigerung der Nachfrage seit Ende des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 können die Hafenmeister und -betreiber ebenfalls bis auf wenige Ausnahmen verzeichnen. Während der eine Teil der Umfrageteilnehmer von einer geringen bis mäßigen Zunahme berichtet, gab es vielerorts in den vergangenen Monaten sogar einen regelrechten Ansturm auf Festliegeplätze. Zwei- bis dreimal so viele Anfragen wie in den vorausgegangenen Jahren vermeldet die Marina am Stau. Und auch Uwe Deutschmann vom Sportbootservice Westhafen Wismar schätzt, dass sich die Nachfrage nach Saison- und Dauerliegeplätzen seit Ausbruch der Pandemie bei ihm im Hafen mehr als verdoppelt hat. Laut Melanie Müller von der Priwall-Hafen Betriebsgesellschaft mbH beziehungsweise dem Rosenhof Yachthafen zog sie besonders im Januar und Februar dieses Jahres noch mal erheblich an. Dass es gleichzeitig meist weniger Kündigungen gab, kommt erschwerend hinzu. Für Neukunden ist mitunter kaum Platz. Im Gros der Häfen machen sie kurz vor Saisonstart etwa fünf bis zehn Prozent der Liegeplatzinhaber aus.

Urlaub an der heimischen Küste

Einer der Gründe für die Nachfrageentwicklung liegt nach Einschätzung der Umfrageteilnehmer im allgemeinen Trend zum Heimat- und Deutschlandurlaub, der sich auch im Wassersportbereich niederschlägt. Grenzschließungen, Quarantänevorschriften und andere Unsicherheitsfaktoren scheinen den einen oder anderen Segler in der Liegeplatzwahl zu beeinflussen. Morgenstern zufolge steht die gewachsene Nachfrage fraglos mit einem gestiegenen Bedürfnis, innerhalb von Deutschland Urlaub zu machen, im Zusammenhang. Beim Tourismus-Service Grömitz sieht man das ähnlich. Der Yachthafen Grömitz sei für die Gäste sozusagen ein „sicherer Heimathafen“, der Urlaubsfeeling unweit des eigenen Zuhauses ermögliche. Das vermehrte innerdeutsche Reisen erhöhe allgemein den Druck in den Häfen.

Rückkehr aus Dänemark

Auch Bootsrückholungen beziehungsweise -verlegungen spielen hier offenbar eine Rolle. Denn obwohl die Hafenteams längst nicht über die Hintergründe aller Anfragen und Buchungen im Bilde sind, berichten sie vielfach von Kunden und Interessenten, die ihr Boot infolge der Pandemie aus dem Ausland nach Deutschland verlegen wollen oder dies in den letzten Monaten bereits getan haben. Auch hier gibt es aber durchaus Unterschiede in den Auskünften der Verantwortlichen, die uns Bericht erstatteten. Während Bootsrückholungen in einigen Marinas noch als verhältnismäßig kleiner Faktor wahrgenommen werden, misst man ihnen andernorts eine erhebliche Bedeutung im Hinblick auf die gesteigerte Nachfrage nach Saison- und Dauerliegeplätzen bei.

In der Mehrheit der Häfen gibt es nach Auskunft der Befragten seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie allerdings verstärkt Anfragen nach Festliegeplätzen für Boote, die im Ausland liegen oder lagen. Ole Kähler, Hafenmeister in Laboe, habe in den letzten Monaten zum Beispiel ungefähr 30 derartige Anrufe von Seglern erreicht. Und unter den wenigen Neukunden, die zur neuen Saison überhaupt in den Häfen aufgenommen werden konnten, befinden sich ebenfalls Eigner, die von Rückholungen betroffen sind. Immerhin etwas mehr als 60 Prozent der Teilnehmer unserer Befragung geben an, von Neukunden zu wissen, die ihr Boot aufgrund von Corona aus dem Ausland an die deutsche Ostseeküste geholt haben oder dies zur neuen Saison noch tun werden.

Angesichts der Erfahrungen aus dem letzten Jahr hätten viele deutsche Eigner Angst, auch in den kommenden Monaten nicht zu ihren Booten zu gelangen, erklären mehrere Hafenbetreiber die Motivation der entsprechenden Interessenten und Kunden hinter den Revierwechseln. Neben bereits erfolgten oder geplanten Verlegungen aus Dänemark, die im Norden Schleswig-Holsteins eine besonders zentrale Rolle einzunehmen scheinen, haben die Hafenteams vor allem von solchen aus den Niederlanden und dem Mittelmeerraum Kenntnis.

Trend zum eigenen Boot

Aber nicht nur „Alteigner“ nehmen verstärkt die Ostseeküste in den Blick. Hinzu kommen offenbar auch Neueigner in größerer Zahl. Laut mehrerer Hafenteams haben vermehrte Bootskäufe ebenfalls Anteil an der Nachfragesteigerung. Viele Menschen hätten sich in den vergangenen Monaten ein Boot zugelegt und die Urlaubs- und Freizeitstruktur sei dabei, sich zu verändern, so der Eindruck aus dem Rosenhof Yachthafen. Durch seinen Yachthandel kennt Falk Morgenstern beide Seiten: „Auch wir sind bei den Schiffsverkäufen ausgebucht und können kaum noch Schiffe liefern“, bestätigt er. „All diese verkauften Schiffe benötigen natürlich Liegeplätze.“ Mit einer Trendumkehr in diesem Punkt rechnet Philipp Mühlenhardt von der Sporthafen Kiel GmbH nicht in absehbarer Zeit. Folglich werde der Mangel an Liegeplätzen auch die nächsten Jahre wohl weiter prägen: „Beim Blick auf die Dynamik am Bootsmarkt, auch und gerade bei den Gebrauchtbooten, erwarte ich, dass der Trend infolge der Corona-Pandemie durchaus noch ein paar Jahre anhält.“

Letzte Chance: Warteliste

Keine allzu guten Aussichten für Suchende. Aber ist die Lage für Eigner, die bisher noch nicht fündig geworden sind, nun hoffnungslos? Das Team der Yachtwerft Heiligenhafen kommentiert: „Wir raten diesen Seglern, immer wieder anzufragen und sich, wenn möglich, auf die Wartelisten setzen zu lassen. Manchmal hat man Glück und es springt kurzfristig noch ein Hafenliegeplatzinhaber ab, sodass dann neue Kunden nachrücken können.“

In den meisten Ostseehäfen bieten Wartelisten zumindest eine Chance, den ersehnten Saison- oder Dauerliegeplatz doch noch zu ergattern. Auch von anderen Hafenmeistern, -betreibern und Presse­beauftragten erreicht uns die Empfehlung, diese zu Listen nutzen – nicht selten aber mit einem Hinweis auf ihre Länge. In der Baltic Bay Marina lag die Zahl der Wartenden Ende Februar nämlich beispielsweise bei rund 100, in der Marina Wendtorf gab es für 2021 noch über 200 Interessenten und im Gemeindehafen Maasholm standen für fast alle Platzlängen circa 50 Wartende auf der Liste. Viele Eigner würden sich allerdings gleich in diversen Häfen auf die Listen schreiben lassen, gibt Christoph Volkmann vom Flensburger Yacht-Service zu bedenken. Nach Erfahrung von Manfred Wohnrade, Geschäftsführer der Heiligenhafener Verkehrsbetriebe, können sich zudem immer noch kurzfristig Möglichkeiten ergeben, weil Kunden ihren Liegeplatz aus persönlichen Gründen doch nicht nutzen können.

Im Yachthafen des Ostseebads Laboe scheint man sich darauf keine große Hoffnung machen zu müssen: Hier wird die Wartezeit für eine 10-Meter-Segelyacht mit etwa fünf bis sechs Jahren angegeben. Melanie Müller vom Rosenhof Yachthafen rät Interessenten für den Bereich Travemünde sogar bereits zum Wechsel des Standortes. Fast schon zuversichtlich klingt da der abschließende Tipp von Yachtsport-Eckernförde-Inhaber Thomas Nielsen. „Nehmen Sie, was Sie kriegen können“, lautet der.

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

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