Die „Traumpaare“ bei der Route du Rhum: Frohe Botschaft und eine Trennung

Es ist ein Mädchen

Die größte Leistung während der vergangenen Route du Rhum absolvierte eine Skipperin, die gar nicht dabei war. Clarisse Cremer brachte Töchterchen Mathilda auf die Welt, während der Vater auf dem Atlantik kämpfte.

Mit dem Händchen der Neugeborenen. Clarisse Cremer verfolgt das Rennen des dritten Familienmitglieds per Tracker. © Cremer

Clarisse Cremer (32) gehört zu den Shooting-Stars der IMOCA-Szene. Positive, junge Ausstrahlung verbunden mit Intelligenz und Kampfgeist hatten ihr vor der vergangenen Vendée Globe einen Sponsorvertrag mit Banque Populaire eingebracht und einen leistungsfähigen IMOCA beschert, für den sie eigentlich noch zu wenig geleistet hatte.

Cremer noch mit Baby an Bord. © Cremer

Aber die Vorschuss-Lorbeeren waren gut platziert. Cremer segelte ihren gecharterten Nicht-Foiler, den potenziell schnellsten der Flotte – mit dem Paul Meilhat 2018 die Route du Rhum gewann (ex SMA) – eher vorsichtig aber an einem Stück um die Welt, wurde als Zwölfte beste Frau – nach dem Ausfall von Sam Davies und Isabelle Joschke – und soll 2023 den schnellsten Foiler „Apivia“ übernehmen.

Die größte Aufgabe bewältigte sie aber zwischen den beiden Vendée Globe Projekten. Am 19. November schenkte sie Töchterchen Mathilda das Leben. Dabei musste sie ohne ihren Mann Tanguy Le Turquais auskommen, mit dem sie das Traumpaar der Szene bildet. Bei der nächsten VG werden beide gegeneinander antreten, Turquais auf der ex-Apicil von Damien Seguin, die der Paralympics-Sieger auf den sensationellen Rang sieben gesteuert hatte.

Tanguy Le Turquais überglücklich bei seiner Ankunft in Guadeloupe. © Pilpre Arnaud RdR

Am 19. November erfährt Le Turquais mitten auf dem Atlantik, dass er erstmals Vater geworden ist. Bis dahin hat er schon ein starkes Rennen in den Top 15 abgeliefert, Seite an Seite mit Vorbesitzer Seguin durch die Stürme der ersten Tage, bis dieser schließlich mit seiner ex Vendée Globe Siegeryacht vom Frachter überfahren wurde.

Le Turquais gibt nach der frohen Botschaft mächtig Gas, fährt eine starke Route du Rhum und verliert erst bei der Guadeloupe-Rundung als 13. den Platz des besten Nicht-Foilers. Wenn es dann ernst wird im Hinblick auf die Vendée Globe, wird er aber wieder im Schatten seiner Frau stehen. Dass das für ihn kein Problem ist, zeigte schon Anfang des Jahres, als er ihr sein Schiff für zwei Regatten lieh.

In Zukunft gegen den Ex

Problematischer ist die Beziehung des großen Promi-Traumpaars der Szene, das sogar die vergangene Vendée Globe schon gemeinsam bestritten hat, Sam Davies und Romain Attanasio. Noch vor der Route du Rhum beendeten sie ihre 19 Jahre andauernde Beziehung.

Sam Davies und ihr Lebenspartner Romain Attanasio an Pontons beim Start der Vendee Globe in les Sables d’Olonne, Frankreich, am 8. November 2020. Er segelt selber mit auf Rang 14. © Jean-Marie Liot / Alea

Die Spatzen pfiffen es in Lorient schon von den Dächern, dass es nicht mehr so gut läuft. Attanasio, der Boris Herrmanns Schiff gekauft hat, wurde schon mit anderer Frauenbekanntschaft gesichtet. Und Davies machte die Trennung schließlich proaktiv per Social Media publik: „NAch 19 Jahren mit Romain, Liebe, Abenteuer, Projekte, Stress (!), Lachen und Spaß haben wir entschieden, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Danke für diese gemeinsame Nonstop-, Full-Speed-Etappe unseres Lebens.

Der FB-Post von Sam Davies.

Bei der Route du Rhum sind beide Skipper erstmals als Singles gegeneinander angetreten. Ob das Ausrufezeichen in dem Post als Beziehungsstress bewertet werden kann? Davies Botschaft hört sich jedenfalls souverän und versöhnlich an.

So hat das Duell auf dem Wasser aber eine neue Brisanz erhalten. Schon fragte sich die Szene, ob es Zufall war, dass die beiden nach zwei Tagen dicht beisammen lagen. Davies überholte ihren Ex mit ihrem Neubau jedenfalls gut drei Knoten schneller. Der Höllenspeed gelang ihr in nächster Nähe. Ob das Überholmanöver in nächster Nähe eine besondere Genugtuung war, ist nicht bekannt.

Kurz danach dreht sich der Spieß auf sportlicher Ebene allerdings um. Davies fährt Attanasio zwar bis auf 20 Meilen davon, aber dann beginnen technische Probleme und sie fällt weit zurück.

Schließlich segelt sie auf Platz 28 ins Ziel viereinhalb Tage hinter dem Sieger. Sie erklärt: „Obwohl ich wusste, dass es schwierig sein würde, mit einem so neuen Boot, auf dem ich noch nicht wirklich trainiert habe, konkurrenzfähig zu sein, will man trotzdem gut abschneiden. Aber es ist frustrierend, wenn man das Training und die Meilen nicht absolviert hat und das Boot nicht immer schnell segeln kann.

Ich hatte anfangs ein paar Probleme, die nicht wirklich ernst waren, aber das führte dann zu einem schlechten Timing an den Fronten. Sie haben mich viel Kraft gekostet und ich glaube, dass ich das nicht gut hinbekommen habe.

Da war die Familienwelt noch in Ordnung: Romain Attanasio mit Sohn Ruben im VG -Ziel im Mai 2021 – Mutter Sam kommt nach ihrem Schaden später an. © Liot VG2020

Danach war ich zu vorsichtig, denn immer mehr kaputt. Meine J3-Fockschiene brach genau inmitten des schlimmsten Teils der Front bei 40 Knoten. Ich bin dann nach Lee abgelaufen und habe gleichzeitig meine Windanlage am Masttopp verloren“. Das Boot sei außer Kontrolle geraten und mit dem Bug in die Wellen getaucht. Es sei eine äußerst kritische Situation gewesen. Später habe es noch ein Problem mit dem Kiel gegeben, weshalb sie zusätzlich Speed aus dem Boot nahm.

Und ihr Ex? Attanasio absolvierte noch eine gute zweite Phase der Regatta. Er segelte am fünften Tag kaum 25 Meilen direkt vor Boris Herrmann, ließ diesen dann aber in der Flaute stehen. Zuletzt sah er bei achterlichen Passatwindbedingungen im direkten Vergleich mit Benjamin Dutreux und Isabelle Joschke nicht gut aus und schien auch noch Pip Hare ziehen lassen zu müssen. Er holte die Britin aber noch ein und belegte einen guten 10 Platz.

 

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

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