Odyssee im Southern Ocean: 25 Tage ohne Rigg in den „Roaring Fourties“

Er trieb vor Madagaskar

Der Finne Ari Känsäkoski (53) ist fast einen Monat lang ohne Rigg in einem der abgelegensten Gebiete des Indischen Ozeans herumgetrieben. Warum ihm die politische Eskalation in der Golfregion half.

Der Finne Ari Känsäkoski (53) nach seinem Mastbruch. Das Notrigg sieht nicht überzeugend aus. © Stefan Vyborov

Es passierte zwei Tage vor Weihnachten. Der Finne Ari Känsäkoski (53) segelte im Rahmen der Global Solo Challenge auf seiner Class40 allein um die Welt. Bei dieser Low Budget Nonstop-Regatta mit einem Startgeld von 7500,- Euro wird nach dem Känguru-Prinzip gesegelt. Die per IRC-Handicap definierten langsamsten Yachten starteten zuerst, die Schnellsten zuletzt. Es gab also keinen gemeinsamen Start der 16 gemeldeten Boote zwischen 34 und 65 Fuß im spanischen A Coruña, sondern 17 mögliche Starttermine je nach Speed-Potenzial. Der Sieger im Ziel ist auch Sieger der Regatta.

Känsäkoski bei seinem ersten Bier nach überstandener Odyssee. © Vince Nel

Ursprünglich wollte auch der Düsseldorfer Philipp Hympendahl am Start sein. Insgesamt hatten 50 Einhandskipper ihr Interesse bekundet. Aber die meisten scheiterten wie auch Hympendahl. Die S&S 34 „Bendigedig“ startete am 26. August 2023 und der 65-Fußer „Aspra“ am 29. Oktober 2023. Beide hatten seitdem mit großen Problemen zu kämpfen. „Bendigedig“ gab mit einem Autopilot-Schaden auf und liegt in Tasmanien. „Aspra“ musste einen Not-Stopp in Kapstadt einlegen und segelt aktuell auf dem vorletzten Platz.

© Stefan Vyborov

Solche Schwierigkeiten sind aber nichts im Vergleich zu dem, was Ari Känsäkoski erlebt hat. In der Nacht vom 21. auf den 22. Dezember verlor er sein Rigg. Der Vorfall ereignete sich in einem abgelegenen Gebiet des Indischen Ozeans auf über 41 Grad südlicher Breite in den berüchtigten „Roaring Forties“, die ständig von den starken Winden rollender Tiefdruckgebiete heimgesucht werden. Das untere Diagonalwant D1 brach.

Der Finne hatte die Hoffnung, den Mast noch bei dem letzten Licht in der Abenddämmerung sichern zu können. Er barg alle Segel und versuchte die Reparatur. Aber allein durch das heftige Rollen brach der Mast in zwei Teile.

Der Ort des Mastbruchs nahe der Eisgrenze für das Global Solo Challenge 100 Meilen südlich von Madagaskar.

Seine Class40 „ZEROchallenge“ (Baujahr 2007) befand sich etwa 1000 Seemeilen südlich von Madagaskar, 1200 Meilen vom afrikanischen Festland und 1400 Meilen von Kapstadt entfernt. Südwestaustralien war mehr als 3000 Seemeilen entfernt. Zwar befanden sich die abgelegenen Crozet Inseln nur 300 Seemeilen in der Nähe, aber dort gibt es nur eine Ankerbucht und keine Möglichkeit das Rigg zu reparieren.

Känsäkoski schaffte es, die Mastbruchstücke zu sichern. Er nutzte den Masttopp für den Bau eines Notriggs im Cockpit, um daran ein Sturmsegel zu setzen. Aber so weit hinten im Boot erwies es sich als wenig effektiv. Außerdem befand er sich inmitten einer östlichen Strömung des Agulhasstroms, der mit bis zu vier Knoten in östliche Richtung setzt.

ZEROchallenge treibt im starken Agulhasstrom nach Osten.

Er nutzte seine begrenzten Treibstoffressourcen, um auf einem nördlichen Kurs aus den Roaring Forties und der stärksten Strömung herauszukommen. Am ersten Weihnachtstag war aber der Tank schon leer. Er kontaktierte das Maritime Rescue Coordination Centre (MRCC) auf Reunion und das sendete eine Notmeldung an alle Schiffe in der Nähe.

Das japanische Fischereifahrzeug Tomi Maru Nr. 58 unter dem Kapitän Sachio Hagiya reagierte. Es gelang der Kontakt zu dem Finnen und trotz schweren Seegangs die Übergabe von 300 Litern Treibstoff. Der reichte allerdings nur für die Bewältigung von knapp 400 von 1200 Seemeilen.

Der japanische Fischer bringt 300 Liter Diesel. © Ari Kansakosi

Aber ein glücklicher Zufall führte das brandneue 235 Meter lange finnische RoPax Schiff „Finncanopus“ in die Nähe, das Fracht und Passagiere transportiert. Sie befand sich auf seiner Jungfernfahrt von China Richtung Ostsee, wich aber wegen der verschärften politischen Lage in der Golfregion von der traditionellen Route über das Rote Meer ab und machte einen Abstecher nach Durban.

Känsäkoski bat seine Landsleute um Hilfe. Und trotz schwierigster Seebedingungen konnten unter der Verwendung einer Wurfleine und schwimmender Kanister Diesel und zusätzlicher Proviant – auch frisch gebackenes Brot und Pfannkuchen – übergeben werden. Damit war der Einhandsegler gerettet.

Finnen-Frachter auf seiner Jungfernfahrt. Die Landsleute helfen mit weiterem Sprit. © Stefan Vyborov

Die Ankunft in Durban war für den frühen Morgen des 15. Januars geplant, aber es folgte ein weiteres Drama in letzter Minute. Nur 10 Meilen vor dem sicheren Hafen riss der Keilriemen des Motors. ZEROchallenge trieb manövrierunfähig in der Nähe der Küste. Aber die Besatzung eines Rettungsbootes half und schleppte den Skipper in die Marina von Durban.

Für den Finnen ist die Odyssee beendet, aber 13 von 16 Einhandseglern sind noch auf dem Weg um die Welt. Einsam vorneweg segelt der Franzose Philippe Delamare (59) mit seiner Actual 46 „Mowgli“. Der elf Jahre alte Aluminium-Racer geht auf ein Design von 1989 zurück, das sich eher an dem damals üblichen IOR-Rating orientiert. Es ist nominell langsamer als das Gros der Class40, die erst 20 Tage nach ihm starten durften.

Mowgli kreuzt bei leichtem Wind unter Vollzeug. © GSC

Zu diesem Zeitpunkt hatte er schon gut 3000 Meilen Vorsprung. Abei ist es auch nach der Rundung von Kap Hoorn geblieben. Delamare hat die Südspitze Amerikas am 9. Januar passiert. Ihm fehlen bis A Coruña noch knapp 2000 Meilen. Wenn nichts dazwischenkommt, sollte er das Global Solo Challenge gewinnen. Aber auf diesem Kurs um die Welt ist nichts sicher.

Tracker Global Solo Challenge

Die Actual 46 Mowgli vor dem Start des GSC. © Margherita Pelaschier

Delamare unter Deck. © Margherita Pelaschier

Klassische IOR Formen des führenden GSC-Bootes. © Philippe Delamare

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

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