Nacra17-Paar nach Olympia-Pleite: Trost mit Hochzeit – Romanze während der Kapagne

"Es gibt den Sport - und das Leben"

Es ist einer der traurigen Momente dieser olympischen Segelspiele, als die Britin Anna Burnet den Kopf zwischen den Händen verbirgt. Ein schwerer Fehler kostet die Medaille im Nacra17. Aber nun wird gefeiert.

John Gimson und  Anna Burnet

Das britische Nacra17-Paar lernte sich auf dem Weg zu Olympia-Silber (2021) lieben. © Team GBR

Vor dem olympischen Medalrace im Nacra17 ist die Konstellation spannend. Briten und Neuseeländer liegen punktgleich auf Platz drei, zum Silberplatz der Argentinier fehlen nur sechs Punkte. Da geht noch was.

John Gimson (41) und Anna Burnet (31) wollen nach Silber 2021 in Enoshima ihre zweite Medaille für sich und England holen. Sie geben wie die Konkurrenz schon beim Start Vollgas. Einzelrückruf wird angezeigt, die Situation ist unübersichtlich. Zwei Crews drehen um und bereinigen den Fehler und liegen hinten – darunter Argentinien. Alles scheint sich für Gimson/Burnet zu fügen. Sie liegen auf der Startkreuz in der Spitzengruppe und haben auch die Kiwis unter Kontrolle.

John Gimson und  Anna Burnet

Der Moment, als das GBR-Team aus dem Medalrace gezogen wird. © World Sailing / Lloyd Images

Von wegen. Achteraus ist das Motorgeräusch des Schiedsrichterbootes zu hören. Die Jury macht sich bemerkbar. Sie signalisiert: GBR hat ebenfalls einen Frühstart, OCS. Die Briten werden aus dem Rennen genommen, müssen abdrehen. Es ist ein Schock.

John Gimson und  Anna Burnet

Anna Burnet kann nicht glauben, dass der Frühstart im Medalrace die Medaille kostet. © World Sailing / Lloyd Images

Burnet zeigt ihre Enttäuschung. Der Traum von der zweiten Olympiamedaille ist ausgeträumt. Ihr Steuermann nimmt die Situation gefasst, äußerlich unbewegt. Dann tröstet er die Vorschoterin. Es ist eine innige Umarmung.

John Gimson und  Anna Burnet

Das Duo tröstet sich. © World Sailing / Lloyd Images

„Wir dachten nicht, dass wir über der Linie sind“, erklärt er später. “ So ein OCS ist wohl die brutalste Art zu verlieren. Ich hatte das Gefühl, dass wir den Start gut im Griff haben. Wir hatten einen guten Plan und wussten und wo die Kiwis waren. Wir haben einen Fehler gemacht, der uns die olympische Medaille kostet. Man kann sich wohl vorstellen, was wir durchmachen.“

Burnet fügt hinzu: „In diesem Moment ist es niederschmetternd. Ein schlechter Traum, aber wir sind stolz auf das, was wir erreicht haben. Wir haben in dieser Saison bei jeder einzelnen Regatta auf dem Podium gestanden. So ist das im Sport – manchmal klappt es und manchmal nicht. Wir sind wirklich gut gesegelt.“

Gimson/Burnet bei ihrem Silber-Erfolg 2021. © Team GBR

Diese Niederlage bei Olympia ist ein brutaler Moment. Aber Gimson und Burnet sind ein Beispiel dafür, dass es mehr gibt als sportlichen Erfolg. Das Duo wird im nächsten Monat heiraten.

Die Vorschoterin kann deshalb schnell wieder positiv nach vorne blicken: „Es gibt natürlich niemanden, mit dem ich auf dieser ganzen Reise lieber hier wäre, und wir haben so viel Glück, dass wir das zusammen machen können. Durch Höhen und Tiefen gehen wir gemeinsam. Es gibt den Sport und es gibt das Leben, und in diesem Moment ist beides für uns wohl ein bisschen getrennt. Der Sport ist brutaler, aber das Leben geht weiter. Wir werden heiraten und das Leben wird toll sein.“

Das ist der große Unterschied im Vergleich zu anderen Teams, die auch bei Olympia Enttäuschungen erlebt haben. Gimson und Burnet bilden nicht nur eine Crew auf höchster olympischer Ebene, sondern auch im Leben.

Vor acht Jahren taten sie sich zusammen, um den Anforderungen der olympischen Mixed Klasse im Nacra17-Katamaran zu entsprechen. Es war eine logische Partnerschaft auf dem Weg zu höchsten olympischen Ehren.

Gimson segelte eigentlich Starboot, fungierte vor den olympischen Spielen in London als Sparringspartner für Iain Percy and Andrew Simpson, um danach selbst das Ticket für Rio anzustreben. Aber dann flog der Star aus dem Programm und wurde vom Nacra17 Katamaran ersetzt. Der Brite orientierte sich um, verlor aber die Qualifikation für Rio.
Das hatte er mit Anna Burnet gemeinsam, die nach Jahren im 470er mit einer Kurzkampagne im 49erFX scheiterte. Sie wollte aber unbedingt weitermachen und glaubt, dass das auch mit ihrem berühmten Onkel zu tun hat – kein Geringerer als der Neuseeländer Sir Peter Blake. Die Schwester ihrer Mutter war mit der Segel-Ikone verheiratet, die 2001 in Brasilien von Piraten ermordet wurde.

Burnet tat sich mit Gimson zusammen und zusammen segelten sie auf Anhieb in der Weltspitze. „Ich hatte gerade die Trials für Rio verloren und es war wirklich meine letzte Olympia-Chance. Ich bin mit vielen verschiedenen Leuten gesegelt, aber als ich mit Anna auf das Wasser ging, hat es sofort Klick gemacht“, erklärt Gimson gegenüber britischen Medien.

John Gimson und  Anna Burnet

John Gimson und Anna Burnet segeln vor Marseille auf Platz vier. © World Sailing / Lloyd Images

Damit bezog er sich auf die sportlichen Erfolge, aber längst geht es immer mehr auch um Privates. Die beiden Segler erlebten an Bord ihre persönliche Romanze. Burnet erklärt: „Unsere Tokio-Vorbereitung fand unter Covid-Bedingungen statt. Wir wohnten in einem Airbnb in Weymouth, wo wir trainierten. Dann zogen wir nach Italien zu den Trainingspartnern und segelten in Sizilien. Wir haben viel Zeit eng miteinander verbracht und sind uns immer nähergekommen.“

Lange hielten sie ihre enger werdende Beziehung privat. Sie wurde erst öffentlich, als sie beiden Briten 2021 das Olympia-Podium bestiegen, um ihre Medaille zu erhalten. Die argentinische Crew hätte skandiert: „Kiss, kiss, kiss…“ Sie wussten um die Beziehung. Und so entstand ein Foto des sich küssenden Paares auf dem Podium, das die Briten-Presse begeistert verbreitete.

Vor diesem Hintergrund wirkt der Frühstart im Medalrace samt verpasster Medaille fast schon banal. Im September ist Hochzeitstermin in Schottland, der Heimat von Burnet. Dort wird dann trotzdem auch olympischer Glanz erwartet. Denn ihre Freunde und langjährigen Trainingspartner Ruggero Tita und Caterina Banti sind eingeladen. Sie konnten vor Marseille ihren Olympiasieg von 2021 wiederholen.

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

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