Schweinswale in der Ostsee: Population schrumpft um 28.000 Tiere in neun Jahren

Was die Säuger tötet

2022 war der Schweinswal „Tier des Jahres“, um auf seine Not aufmerksam zu machen. Aber die Situation hat sich seitdem weiter verschlechtert. Die Bestände gehen dramatisch zurück – mit ernsten Folgen für das marine Ökosystem.

Schweinswale in der Kieler Innenförde
Schweinswale in der Kieler Innenförde. © Stephan Boden

Wer regelmäßig auf der Ostsee segelt, hat es vielleicht schon bemerkt: Die Sichtungen von Schweinswalen, den einzigen in der Ostsee heimischen Walen, werden seltener. Wie Dagmar Struß, Leiterin der Landesstelle Ostseeschutz beim Naturschutzbund (NABU), gegenüber der Deutschen Presse-Agentur erklärt, ist der Rückgang alarmierend: „Die Population geht stark zurück.“ Zwischen 2016 und 2022 sei die Zahl der Gewöhnlichen Schweinswale (Phocoena phocoena) in der westlichen Ostsee von etwa 42.000 auf nur noch rund 14.000 Tiere gesunken.

Besonders kritisch ist die Lage in der inneren Ostsee – etwa rund um Rügen und den Darß. Laut Auskunft des Deutschen Meeresmuseums in Stralsund leben dem aktuellen dpa-Bericht zufolge dort nur noch 100 bis 1.000 Individuen. Diese kleine Population gilt als akut vom Aussterben bedroht. „Der Rückgang erinnert an das traurige Beispiel des Kalifornischen Schweinswals“, erklärt Struß. Diese Art, auch Vaquita genannt, gilt heute nahezu als ausgestorben – 2024 wurden weltweit nur noch sechs bis acht Exemplare gesichtet.

Stellnetze, Lärm und Fischmangel – eine tödliche Kombination

Die Gründe für den Rückgang der bis zu zwei Meter langen Meeressäuger-Populationen sind vielfältig – und menschengemacht. „Die Stellnetzproblematik liegt ganz vorne“, sagte Struß. Immer wieder verheddern sich Schweinswale in Fischernetzen und ertrinken. Doch auch der zunehmende Lärm im Meer, verursacht durch Schiffe und andere menschliche Aktivitäten, setzt den Tieren zu. „Gerade in lauten Regionen sind Schweinswale schlechter ernährt“, so Struß. Denn statt weiter nach Nahrung zu suchen, verharren die Tiere bei Störung regungslos am Meeresboden – in der Hoffnung, dass die Lärmquelle bald verschwindet.

Ein weiterer Faktor ist der Rückgang der Fischbestände in der Ostsee. „Wenn die Fischerei ihre Existenz schon nicht mehr sichern kann, dann wird es auch für den Schweinswal knapp“, sagte Struß. Die Tiere müssen nahezu ununterbrochen Nahrung aufnehmen und sind daher auf ein stabiles Nahrungsangebot angewiesen.

Schweinswal in der Nordsee (Symbolbild) © Shutterstock, Elise V

„Es ist so, dass die Probleme schon vorher da waren, aber der Klimawandel verschärft diese noch mal“, betonte Struß. So hängt das Überleben des Schweinswals eng mit dem Hering zusammen – einem seiner Hauptbeutefische. Doch wenn diese durch veränderte Wassertemperaturen früher schlüpfen, keine Nahrung finden und sterben oder zusätzlich noch überfischt werden, bleiben auch für die Schweinswale kaum noch Reserven.

Was jetzt getan werden sollte

Laut dem Deutschen Meeresmuseum braucht es dringend neue Fangmethoden, die den Beifang von Schweinswalen vermeiden – besonders in Stellnetzen, die als häufigste Todesursache gelten. Schweinswale würden zudem von einer „sauberen Ostsee“ profitieren: weniger Schadstoffe, weniger Unterwasserlärm, mehr Ruhezonen.

Dagmar Struß fordert in diesem Zusammenhang ein Umdenken beim Schutz der Ostsee: „Einzelne Flicken im Meer, wo nicht gefischt werden darf, sind gut, aber viel zu wenig“, sagte sie. Ihr Plädoyer: ein Nationalpark Ostsee. „Alle, die in irgendeiner Form negative Einflüsse auf die Ostsee haben, müssen sich ein Stück weit zurücknehmen.“ Der Schweinswal, so Struß weiter, stehe sinnbildlich für den Zustand der Ostsee und ihre Schutzbedürftigkeit.

Eine Antwort zu „Schweinswale in der Ostsee: Population schrumpft um 28.000 Tiere in neun Jahren“

  1. Ulrich Jäger

    sagt:

    Schon mal jemand über den Dauerlärm und die Vibrationen der Windräder nachgedacht ? Ist auch erstaunlich das in der mittleren Ostsee kein Dorsch mehr zu fangen ist, und ab Skagerrak Fischfang sehr ergiebig möglich ist

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