Bordtablet, Teil 3. Apps

Digitales Sodbrennen

Wie nutze ich ein Tablet an Bord? Und welche Software brauche ich dafür?

Vor kurzem las ich in einer Facebook Gruppe einen Post von jemanden, der sich über mangelnde Neuentwicklungen im Bereich Wassersport-Apps beschwerte. Ich sehe das mittlerweile ganz anders, denn es gibt eh schon zuviel.

Die Hersteller von Navigationselektronik und Co. sind in den letzten Jahren dazu übergegangen, Tablet PCs in ihre Systeme einzubinden. Anfangs wurden die kleinen Wischbretter noch verschmäht und als “Mäusekino” abgetan. Als aber immer mehr und mehr Skipper mit Tablets und Smartphones unterwegs waren, wählte man die Flucht nach vorn. Zunächst wurden Tablets nur als reine Betrachtungsknechte eingesetzt, mittlerweile kann man seinen eingebauten 4000 Euro Plotter damit steuern. Auch daran sieht man, dass der Siegeszug von iPad und Co. nicht mehr aufzuhalten ist.

Die Tablets mit ihren einfach zu bedienenden Touchscreens haben den Herstellern mächtig Feuer unterm Hintern gemacht.  Vor 3 Jahren auf der Boot war nahezu jeder Plotter, der noch mit Joystick oder Pfeiltasten bedient werden musste, mit Fingerschmierspuren auf dem Bildschirm als altbacken gebrandmarkt. Die Leute touchen, sie klicken nicht mehr.

Diese Entwicklung hatte zur Folge, dass in den letzten 2 Jahren immer mehr Apps auf den Markt kamen. Zunächst die notwendigen Programme wie Plottersoftware und Ankerwache. Dann Taktikapps für Regattafreaks und Fragenkataloge für SKS-willige. Gleichzeitig schafften sich immer mehr Skipper Tablets an, weil sie so einfach zu bedienen sind und vergleichsweise wenig kosten. Großes Angebot und hohe Nachfrage ergeben einen Hype (wenn man in unserer kleinen Szene überhaupt dieses Wort gebrauchen kann). Und hohe Nachfrage – siehe den eingangs zitierten Post – gibt es noch immer. Im Moment wird meistens nach AIS Implementierung auf der Plottersoftware gefragt. Es geht immer weiter mit “Habenwollen”.

Bei mir war das nicht anders. Das Tablet war schon da, die Apps kamen nach und nach dazu. Als ich vor 2 Jahren von iPad auf Android wechselte, habe ich in meiner iTunes Bibliothek gesehen, wie viel Unsinn ich im AppStore gekauft und geladen hatte. Nahezu jede Plottersoftware, mehrere Ankerwachen, Kompass-Apps, VMG-Apps und und und. Was man halt in den Wintermonaten so macht: Man stöbert in den AppStores, findet neue Programme, lädt sie runter und auf dem Sofa funktionieren sie alle toll.

seapilot-ipad-screenshot-2

seapilot-ipad-screenshot-2 @ seapilot

Auf dem Boot bekam ich dann oft die Krise und das Tablet Sodbrennen von dem ganzen Zeug. In der Praxis sieht das alles nämlich ganz anders aus. Tablets können zwar Multitasking, aber wer will bei Nässe und klammen Fingern eigentlich multitasken? Letzte Saison auf der Bente habe ich in der Praxis gesehen, dass in engen Fahrwassern und Revieren mit vielen Flachs das umschalten zwischen der Plottersoftware und der Instrumentensoftware zwar geht, aber man ständig auf seinem Tablet wischen muss. Dann wartet man, bis das gewünschte Programm wieder langsam aufwacht und klar kommt. Multitasking ist auf den Dingern nämlich oft eher “wegparken und einschlafen lassen”.

Infoscreen ohne Schnörkel © Delius-Klasing

Infoscreen im Plotter App ohne Schnörkel © Delius-Klasing

Man lernt nie aus. Mittlerweile habe ich aus Erfahrung einen klaren Plan, wie ich das Gerät einsetze: Als Plotter. Und das macht es ganz wundervoll. Mein Tablet steht unter dem Dodger (Sprayhood) und verrichtet den ganzen Tag Navigationsarbeit. Ich brauche es nicht mal zu berühren. Es ist immer an und plottet auf voller Helligkeit den ganzen Tag durch. Nun ist im Schiff auch wieder ein festes Instrument eingebaut, dass mir Speed, Tiefe, Wind anzeigt. So muss ich nicht auf die Plotteranzeige verzichten, wenn ich die Tiefe oder den Wind ablesen will. Früher hatte ich mit vavuud so ein Windmesserrädchen mit passender App. Ich habe das nur zu Demozwecken für mich und andere genutzt. Niemals auf einem Törn.

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Ich muss auch nichts von dem ganzen Kram unterwegs mühsam bedienen. Das Plottertablett zeigt mir zuverlässig meinen Kurs, meinen Speed über Grund und meine Umgebung an. Keine andere Anwendung im Hintergrund belastet das Gerät, den Akku oder mich. Die digitale Seekarte ist übersichtlich und auf einem Blick ablesbar. Keine bunten AIS Symbole, die das Kartenbild nur unruhig machen und optisch zerstören. Mehr brauche ich nicht. Und das ist für ein Gerät, dass eigentlich für das Sofa daheim gebaut wird, ziemlich gut.

Ankerwache mit Satellitenbild

Ankerwache mit Satellitenbild

Die Plottersoftware selbst soll das machen, wozu sie gedacht ist: routen, plotten, tracken. Es ist zwar ein ganz drolliges Feature, im Zielhafen mit ein paar Klicks die Telefonnummer des Hafenmeisters, das Wetter und den Tidenhub ablesen zu können – manche Programme zeigen einem sogar die Kontaktdaten des Griechen neben dem Hafenbüro an- aber will ich das unterwegs ansehen? Und will ich mit meinem Plotter (!) unterwegs Fotos machen, die ich dann in den Track einspeise und hinterher auf diesem Google Earth veröffentliche? Es geht zwar, aber ich kennen niemanden, der das macht. Daher sind mir mittlerweile Apps lieb, die sich auf das, was sie machen sollen, beschränken. Der Rest ist wie der kleine Deko-Sonnenschirm im Cocktailglas im Hafenrestaurant: Ich brauche ihn nicht, er ist überflüssig.

Abends im Hafen lese ich auf dem Gerät eMails, checke das Wetter (yr.no)  surfe im Internet (chrome), schaue mir auf diesem Google schöne Törnziele an, sehe fern (zattoo) oder lasse es als Musikknecht (soundcloud, google music) laufen. Aber auch das immer weniger, weil ich nicht auf dem Boot bin, um digital zu sein. Ich will dort so oft es geht analog leben. Am Ankerplatz läuft eine Ankerwachenapp (die funktionieren alle, egal welche).

yr.no Wetter

yr.no Wetter

Sind Testsegler an Bord, läuft noch die DigiHUD App mit, die in großen Leuchtlettern den Speed anzeigt. Aber auch das ist irgendwie überflüssig, denn das macht der Plotter ja auch. Versuche, das mit einem zweiten Gerät, dem Smartphone allein anzeigen zu lassen, haben sich als untauglich erwiesen. Denn nach einigen Minuten schaltet es sich ab und man muss wieder wischen.

Fazit: Das Bordtablet ist in erster Linie eine tolle Alternative zum Plotter. Um es gut dafür nutzen zu können, braucht man ein wenig Peripherie wie Halterung, Stromversorgung und Case. Ausserhalb der Törns ist es ein Alleskönner, Wetterstation und PC Ersatz. Allein diese Funktionen auf einem Gerät zu niedrigen Preisen sind fantastisch. Wenn man Tablets mit Funktionen und Apps überlädt, überlädt man sich zwangsläufig selbst. Und das meist nicht, weil man es braucht, sondern weil es geht.

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Digger Hamburg

Kleiner segeln - größer leben. Filmemacher und Autor Stephan Boden verbringt jeden Sommer auf dem Wasser. Früher auf seiner VA18 "Digger" jetzt auf der Bente24, die er selbst initiiert hat. "Auf See habe ich Zeit, das schärft den Blick für Details." Zu seinem Blog geht es hier

2 Kommentare zu „Bordtablet, Teil 3. Apps“

  1. avatar Martin Weißmüller sagt:

    Vielen Dank Digger für den konzentrierten und informativen Artikel! Ich – als Segelanfänger mit noch nicht 1.000 sm – rüste gerade mein erstes eigenes Boot aus und bin beim wasserfesten Outdoor-Tablet und Navionics-App angekommen. Mir fehlt noch eine stabile Halterung um das Tablet unter der Sprayhood zu befestigen. Kannst Du einen Tipp geben?
    Viele Grüße aus dem Winterlager in Eckernförde von Martin

  2. avatar cris sagt:

    Betrifft nicht den Artikel, aber da will man schon mal auf die Werbung klicken und dann passiert nix. Welche Werbung nicht funktioniert können die Segelreporter js selbst rausfinden

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