Dienstag, den 20. September 2012 – Carino, Nordspanien
Als ich hier in die Bucht einlaufe, habe ich wahrscheinlich die schlimmsten 17 Meilen hinter mir, die man sich vorstellen kann. Ich habe das Wasser draußen so gesehen, wie nie zuvor. Das Wellenmaß war beeindruckend. Gegenan fahren, zu schlimm … umdrehen zu gefährlich.
Wie ein Indianer, bin ich ruhig da gesessen und habe mit jeder Welle gearbeitet. Der Winddruck nimmt zu, die Kraft des Außenborders ab. “Es sind nur noch 8 Meilen, Andreas … das Boot kann das!” Mit 3 Knoten schiebt sich dieses kleine Paket durch eine See, die einer 50 Fuß Yacht das Fürchten lehren würde. Die bis zu 600 Meter hohen Steilküsten, die hier ihren höchsten Punkt erreichen, halten keine Fluchtmöglichkeit bereit.
Meine Tüte mit den Pampelmusen, will sich langsam verabschieden, eine springt mir entgegen. “Du willst gegessen werden?… Auch gut!” Still grinse ich in mich hinein und denke nach, was es für ein Bild sein möge, dieses kleine Boot in dieser Situation von oben zu sehen, mit einem bärtigen Kapitän, der auch noch eine Pampelmuse auspellt. 🙂
Der Himmel ist grau und bedrohlich. Zwischendrin regnet es. Ich liebe es nicht, in diesen Situationen pinkeln zu müssen doch aber noch weniger, es einfach laufen zu lassen. Nicht sehr oft, aber manchmal doch, entsteht im Kopf die Frage: “Was um Himmels Willen, machst du hier?”
Beim Pinkeln von der Welle voll erwischt
Fünf Mal muss ich auf diesen 17 Meilen aus meinen wasserfesten Klamotten, um dieses urinale Gefühl der druckvollen Hilflosigkeit abzuwenden. Den Wellen scheint es ein Spaß zu sein und sie erwischen mich ein jedes Mal in dem Moment, in dem ich mich meiner Jacke bereits entledigte. Voller Schadenfreude, scheinen ihre Wellenspitzen im Wind zu springen, nachdem sie meine Fleecekleidung im richtigen Moment erwischten. Ich schreie wütend: “Das gefällt euch, he?… Daaas gefällt euch, he?… Ich habe euch nichts getan … NICHTS!!!”
Meine Stimmbänder werden kratzig und ich weiß, dass es wieder einmal zuviel war. Nach scheinbar endlosen Meilen, am Eingang der Bucht, runde ich die riesigen, vorgelagerten Felszinnen, an denen das Wasser auf beeindruckende Art und Weise hochdonnert.
Kurs Süd in die Bucht hinein, es wird kaum ruhiger … Kriege die See jetzt achterlicher und muss schon wieder … Das darf doch einfach nicht wahr sein. Das Boot liegt gut im Kurs, jeder Handgriff muss sitzen … Zum Pinkeln muss ich meine Sicherheitsleine mit der Rettungsweste ablegen.
Breitbeinig wird gekniet … Das Boot geht aus dem Kurs… “Rooooosch!!!!”… Klitschnass!!! Ich werde noch wütender, jetzt kriegt meine Karre ihr Fett weg: ” Weißt du, was ich dir schon immer mal sagen wollte? Manchmal bist du eine Pisskarre!!!! Eine richtige PISSKARRE!!!” ertönt es noch 37 Oktaven höher. “Bin ich nicht schon nass und kalt genug?”
Kein Gedanke mehr ohne Piss, Kack…
Ohne ein Lächeln, passiere ich die letzten 2 Meilen auf die Hafenmauer zu und denke darüber nach, wie ich den Fischern ihre blöden Pissbojen abschneide!!! Bis zur grünen Einfahrtstonne, war in meinem Kopf kein gedankliches Wort mehr ohne Piss, Kack oder Dreckzusatz!!!
Durchgefroren ist jeder Meter des Suchens nach einem geschützten Platz im Hafen – einfach nur zuviel. Der Ponton ist voller Angelboote. Ich gehe zwischen den Moorings durch an die Kaimauer … erstmal. Shakehands an der Betonkante, dann raus aus den nassen Klamotten. Alles lacht, als ich nackig vor ihnen stehe. Mein Lächeln kehrt zurück. Alles ist vergessen. Ich liebe das Meer … jeden Tag ein wenig mehr!! Wisst ihr was? Ich hab sie nicht alle!!!
21.09.2012 – Der Morgen danach
Der heimische Fischer Santiago hat mir geholfen die Karre noch gestern Abend auf Mooring zu legen. Mein Schlafplatz in seiner Fischereihalle war purer Luxus bei dieser Wetterlage. Sogar einen Waschraum mit warmer Dusche und Klo ist hier zu finden.
Aber ich hatte nicht einmal mehr die Kraft gehabt, den Duschkopf in seine Halterung zu stecken. Zum ersten Mal auf dieser Reise empfinde ich ein kränkliches Gefühl. Meine Stimme ist beschädigt und dieser feuchte Schlafsack in der etwas zugigen Halle B9, war wohl doch ein wenig zu viel des Guten.
Tolle Geschichte, ich wünsche alles Gute und viel Glück!
Super Beitrag, mehr davon! Like or Dislike:
9
0
Andreas, ist kein Wunder wenn Du ständig pinkeln musst. Vielleicht solltest Du einfach mal die Pampelmusen aus dem Kopp lassen! 😀
_
Super Beitrag, mehr davon! Like or Dislike:
4
0