Freitag morgen. Die Sonne scheint, der Wind ist gut – Ab zum Boot. Was an Bord gegessen wird, entscheide ich meistens eher zufällig.
In einem der Tests über Bente las ich, dass sich der einflammige Gaskocher „höchstens zum Aufwärmen von Ravioli eignet“. Ich habe vor etwa 25 Jahren zum letzten Mal Dosenravioli gegessen. Dosenfraß gibt’s an Bord nie. Die Wahl der abendlichen Speisen ist auch nicht an die Menge der Kochflammen gebunden. Eine Flamme reicht dicke. Mit einer Flamme geht fast alles.
Ich entscheide meistens erst beim Landgang spontan, was es abends gibt. Auf Digger hatte ich fast nie Vorräte an Bord – aus Platzmangel. Das hat aber den Vorteil, dass man fast immer frisches Zeugs kocht. Und kreativ werden muss.
Ich schrieb letztes Jahr schon mal ein paar Gerichte auf, die ich spontan entschied. Das, was man am und um den Hafen findet, reicht meistens für schöne Gerichte aus. Es macht (mir) viel mehr Spaß – und ist sicherlich auch gesünder – selbst was auszudenken, als eine Dose zu öffnen, in der alles bereits zusammen gemanscht ist und (mir) nichts davon lecker schmeckt. Heute fahre ich wieder nach Kappeln zum Boot und werde dort sicher wieder was kochen.
Wer schon mal in Kapppeln war, hat vielleicht mal was vom berühmten Laden Mohr gehört. Mohr öffnet immer nur Donnerstags bis Samstag und verkauft Waren aus Versicherungsschäden. Wenn also ein Winzer mal einen Wasserschaden hat oder eine Bootsausstellung einen Brand, bekommt man dort preiswerten Wein und günstige verrußte Aussenbordmotoren. Es gibt alles von A-Z.
Vor zwei Wochen habe ich zum ersten Mal von Mohr gehört. Also rein in den Laden. Bevor Sachen weg geworfen werden, kauft man sie besser und macht was draus. Als ersten fallen mir in der Lebensmittelabteilung französische Tagliatelle auf. Preis pro Beutel: 30 cent. Nudeln kann man nie genug an Bord haben. Danach erblicke ich zwischen allerhand unbrauchbarem ein paar Gläser mit Pfifferlingen, deren Etiketten irgend etwas arg zugesetzt haben muss. Preis pro Glas: 59 cent. Tagliatelle und Pfifferlinge passen schon mal recht gut zusammen. Das reicht schon fast für eine Mahlzeit. Der trockene Riesling, offensichtlich ein Fehldruck, ist der pefekte Begleiter dazu: zum Ablöschen und trinken. Für 1,47 Euro ein Schnapper.
Da man bei Mohr keine frischen Sachen bekommt, kaufe ich auf dem Rückweg noch ein Netz Schalotten, Knoblauch und Parmesankäse. Und noch etwas Creme Fin. Mit der Absicht, das alles am Abend zu einem leckeren Pastagericht zu kreeiren, denke ich an die armen Pfifferlinge und die Tagliatelle. Beim Brand oder Wasserschaden sahen sie sicher schon ihr Aus kommen. Irgendwie tun sie mir leid. Statt in guten Feinschmeckerabteilungen zu funkeln, standen sie nun zwischen Waschmaschinen und Eieruhren. Ich beschliesse, ihnen noch was Gutes zu tun und kaufe beim Metzger im Ort ein Bio-Schweinelendchen aus der Region.
Zusammen mit ein paar Kräutern, etwas Creme fraiche und viel Lust auf Kochen steht dann 2 Stunden später ein lecker bepackter Teller am Hafenrand. Mit einer Flamme gekocht. Entscheidend beim kochen ist nicht die Infrastruktur in der Küche oder Pantry. Auch nicht das Rezept. Entscheidend ist der Kopf. Auf dem Markt, am Fischkutter oder im Laden kann man im Geiste schöne Sache kreieren und umsetzen. Das dabei auch mal was schief geht, gehört zum Kochen dazu. Aus Fehlern entstehen oft neue Sachen – siehe Kaiserschmarrn. Der Legende nach hatte seinerzeit ein Hofpatissier einen etwas verunglückten Teig gezaubert. Der Kaiser ass ihn – wohl noch hungrig – mit den Worten: „Na dann geben’s schon her, den Schmarrn.“
Gerade in Dänemark findet man in und um die Marinas sehr oft Stände der Bauern aus der Region, die ihre Waren dort anbieten. Allein damit lässt sich meistens fantastisch kochen. An Bord zu kochen, gehört für mich immer dazu. Der Dosenöffner jedoch wird fast nie benutzt, weil es so selten was aus Dosen gibt.
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