Seit der Düsseldorfer Messe gibt es die neue Start Boating Kampagne. Was soll das werden?
Wenn Kampagnen vorgestellt werden, ist das immer mit großen Reden verbunden, in denen die Gründe dargelegt werden, warum diese Kampagne greift. Ich war bei der Präsentation während der Messe dabei. Danach gabs ein kostenloses Buffet. Ich habe kaum einen Bissen runter bekommen. Mir war der Appetit irgendwie vergangen.
Der Wassersport konkurriert vor allem bei jungen Menschen mit vielen anderen Aktivitäten, die sehr gut aufbereitet sind, teilweise von der Großindustrie gesponsert werden und durch atemberaubende Bilder und großartige Kampagnen flankiert werden. Da mitzuhalten, erfordert viel Kraft, Kreativität, eine gute Strategie. und gute Leute. Für Start Boating sei mit der Industrie gesprochen worden, hiess es.
Als ich das Layout der Kampagne Start Boating sah, dachte ich an das Theaterprogrammheft von „Mein Schiff“. Das ist zwar eine Geschmacksfrage, aber ob man junge Menschen damit anspricht, darf man durchaus anzweifeln. Ja, man will den Mainstream erreichen, aber das machen die, die erfolgreich sind, nicht mit Mainstream Kampagnen.
Die Kampagne wurde mit einem Film eingeläutet, bei dem auf wirklich schön geschnittene Bootszenen Headlines gelegt wurden, die durch Alliterationen den Betrachter einfangen sollen. Jedoch würden die meisten Headlines in vielen Textmeetings wohl sicherlich abgeschossen werden, denn die mit viel Denkarbeit gefundene Alliteration steht im Vordergrund, der Inhalt ist meines Erachtens teilweise unglücklich. Nehmen wir: „Spaß statt Sportschau“. Wollen wir damit konkurrieren? Mit der Sportschau? Warum macht die Sportschau keinen Spaß? „Abenteuer statt Autobahn“ machts auch nicht besser. Und „On Board statt online“ ist vor allem für junge Menschen nicht gerade verlockend,. Vor allem nicht für eine Kampagne, die online aktiv werden will. Durch so etwas bringt man junge Menschen dazu zu denken, wir Wassersportler würden das Internet verabscheuen. Dabei sitzen wir alle mit Tablets im Hafen und versuchen irgendwie, die WLAN Verbindung zu erwischen. Dennoch hat so eine Line sehr konservative Züge.
Bereits der textliche Grundansatz gefällt mir gar nicht, weil er meines Erachtens nicht mehr dem heutigen Freizeitverhalten entspricht. Die Leute wollen vielfältigeren Dingen nachgehen. Wassersport „statt“ irgendwas ist der falsche Einstieg. Das ist 80er Jahre denken. Wassersport muss sich eingliedern, nicht konkurrieren. Die Leute wollen heute alles.
Das ist zwar für viele sicher Erbsenzählerei, aber dieser bittere Beigeschmack hat sich bei mir persönlich wie ein roter Faden durchgezogen. So wurde auf der Bühne erzählt, dass dieser neue Anlauf einer Kampagne nun auf jungen Kanälen wie Facebook und Youtube gestreut wird. Gebe ich in der Youtube Suche „start boating“ ein, finde ich den Film gar nicht. Ausserdem sollte jedem klar sein, dass diese Kanäle ständig gefüttert werden müssen, um sie zum laufen zu bringen. Ich bin gespannt, wie das umgesetzt wird. Daran scheitern die meisten. Nur diese Kanäle zu haben, bringt nichts – man muss wissen, wie man sie bedient.
Auf der Website wird knapp erzählt, was mit der Kampagne eigentlich erreicht werden soll. Und das Wassersport einzigartig ist. Ein großes Kontaktformular lädt zum Anmelden ein. Trägt man sich ein, bekommt man einen Newsletter. „Wir hatten bereits Anmeldungen“ hiess es auf der Bühne. Natürlich. Die Frage ist, wie viele externe Menschen sich bereits angemeldet haben? Das gleiche gilt für die Facebook Seite. Etwas über 500 Follower. Das ist schon mal nicht schlecht, aber wie viele davon sind von den Initiatoren und deren Umfeld? In unserem Bereich bewegt man sich bei 3000 Followern immer noch innerhalb der Kernszene. Die Kampagne soll jedoch die Menschen ausserhalb erreichen. Und sorry – aber das Vorstellen der Inititatoren auf einer Facebook Seite bringt einen auch nicht weiter. Das bringt auch keine neuen Follower. Es zeugt meiner Auffassung nach eher von einem Mangel an Ideen. Nun haben wir eine Facebook Seite – was machen wir damit?
Apropos „innerhalb der Szene“: Es wurde ein hochwertiges, mehrseitiges Infoblatt gedruckt, nahe an den Wassersportmagazinen angelehnt. Die werden den Wassersportmagazinen beigelegt. Aber auch darüber hinaus? Denn in den Fachmagazinen erreicht man meiner Vermutung nach jetzt nicht sooo viele Neulinge. Ich habe noch nicht herausgefunden, wie das Neueinsteiger erreichen soll oder Leute, die einen Schein haben aber nicht mehr auf dem Wasser sind, zu reaktivieren. Vielleicht komme ich ja noch dahinter.
Und so wurde einen Tag nach der Präsentation in den Gängen unter den Ausstellern bereits geunkt. Das hilft zwar auch keinem weiter, aber vielleicht würde es Sinn machen, mal alle an einen Tisch, bzw ins Boot zu holen. Es gibt auch ausserhalb der üblichen Verbände/Strukturen viele kreative Köpfe und viele gute Ideen in der Branche. Vielleicht sollten solche Kampagnen mal zu Kreativagenturen als Pitch gegeben werden, statt nach dem „ich kenne da jemanden“ Prinzip vorzugehen. Pitches sind üblich.
Ich kann an so etwas nicht einfach vorbei gehen. Ich finde da zu viele Pferdefüße. Ich hätte gerne in einem Artikel darüber geschrieben, wie toll ich diese Kampagne finde. Aber ich kann das leider nicht. Ich bin nicht der, der hinter vorgehaltener Hand unkt und dann öffentlich nickt.
Die Ancora Boat Show ist das nächste Event, bei dem sich Nichtwassersportler kostenlos für Probeschläge anmelden können. Das ist zum Beispiel ein ganz guter Weg, nur muss man die Leute auch erreichen. Bin gespannt, wie das auf Dauer funktioniert. Bei der Ancora als Startevent kommen sicherlich einige Leute zusammen. Aber wie soll es danach weiter gehen?
Eines möchte ich hier klar stellen: Ich wünsche mir sehr, dass diese Kampagne greift. Ich glaube allerdings nicht dran. Hoffentlich liege ich falsch.
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