Es gibt etwas, das ich mittlerweile am Segeln gar nicht mehr mag. Es ist der Umgang mit einem Begriff. Er wird herumgeworfen wie ein Gummiball. Besonders die vermeintlichen „Bessersegler“ haben ihren Spaß damit.
Kleiner segeln – größer leben. Filmemacher und Autor Stephan Boden verbringt jeden Sommer auf dem Wasser. Früher auf seiner VA18 „Digger“ jetzt auf der Bente24, die er selbst initiiert hat. „Auf See habe ich Zeit, das schärft den Blick für Details.“ Zu seinem Blog geht es hier
48 Antworten zu „Digger’s Blog: Diskussion um gute und schlechte „Seemannschaft““
sagt:
Als ich vor Jahren bei Starkregen mit Tempo 30 auf der Autobahn in Aquaplanig geraten und in den Graben gerutscht bin kam die Polizei und der Beamte meinte ich wäre zu schnell gewesen… Ich hab natürlich protestiert bei Tempo 30 auf einer Autobahn… er hielt dagegen, jeder der einen Unfall baue sei zu schnell gewesen, auch wenn man mit Tempo 5 ein Garagentor rammt war man offensichtlich zu schnell… was soll ich sagen, da hat er recht.
Das Gleiche ist es mit der schlechten Seemannschaft. Wann auch immer einem etwas ungeschicktes passiert war es unbestritten schlechte Seemannschaft. Ich zitiere mal „Seamanship is the art of operating a ship or boat“ folglich ist alles was unerwünscht passiert per Definition schlechte Seemannschaft, völlig unabhängig davon wie gut oder schlecht jemand vorbereitet war, wenn etwas ungeplantes passiert war es nicht gut genug. Die Frage ist meines Erachtens eher ob man anderen schlechte Seemannschaft vorwerfen sollte bzw. ob etwas das jemand anders macht als man selbst dadurch unbedingt schlechte Seemannschaft ist.
Meines Erachtens ist das aber keine Frage der Seemannschaft, sondern der Menschen bzw. der Gemeinschaft und Gesellschaft in der Menschen miteinander leben. Wann schlechte Seemannschaft beginnt und wo sie Endet ergibt sich auch aus dem Begriff meine ich. Wenn z.B. unter Deck nicht klariert ist und dies in irgend einer beliebigen Situation Einfluss auf die Schiffsführung hat war es wohl eine Frage der Seemannschaft, ja auch, wenn es darum geht dass eine nicht ordentlich aufgeschossene Leine sich vertüdelt hat und daher nicht rechtzeitig zu Verfügung stand, wenn nicht, der Segler einfach ein Schlamper. 😀
Eines sollten meiner Meinung nach aber Alle nicht vergessen: Leben und leben lassen. Wer bitte hat noch nicht aus seinen Fehlern lernen müssen und weil man über mehr Erfahrung verfügt, ein anderes Sicherheitsbedürfniss hat oder schlicht anderer Meinung ist, muss man sich nicht über andere Stellen, auch nicht moralisch, denn das sind die Diskussionen über Seemanschaft doch oft, ein aufspielen aus moralischer Sicht und nicht mehr.
sagt:
Starker Beitrag, gerade weil er zur Kontroverse einlädt.
Aber das dann wieder über Schwimm- und Rettungswesten oder Leinen aufschießen debattiert wird zeigt, wie richtig Digger liegt 🙂
sagt:
Nein – es zeigt wie gut er polarisieren kann, um auf sich aufmerksam zu machen. Die Plattform hier ist viel zu schade für solche sinnfreien Beiträge. Es interessiert mich nicht wenn irgendjemand in irgendwelchen Foren von irgendwelchen Trollen negatives Feedback zu seinen Bildern bekommt.
Vielleicht wäre ein Leserbrief an die Seglerbild das richtige Medium. Neben grandiosen Beiträgen wie „Vater-Sohn-Ding“ hat so ein polemisches Geschreibsel nichts verloren.
sagt:
Polarisieren geht schnell. Stell‘ dich mal ne Stunde auf den Steg. Der eine kommt vorbei und sagt: „Na? Schön die Aussicht geniessen?“ Der andere kommt an und mault: „müssen sie hier im Weg stehen?“
sagt:
Starker Tobak, den du hier aushalten mußt, Digger Hamburg 🙁 Und das für die authentischen, persönlichen Einblicke in die Erlebnisse eines sensationellen Törns, der die Seglergemeinde beteiligen und motivieren wollte für das, was die meisten vergessen zu haben scheinen: es geht in unserem Sport um Spaß und die Möglichkeiten diesen so individuell auszuüben, wie man das für sich persönlich als die besten Variante(a) ansieht. Die Besserwissereien, die über Kritik an elementaren Dingen wie Schwimmeste tragen hinaus gehen führen hoffentlich nicht dazu, dass sich jemand mit den Erzählungen über einen herausragenden Törn zukünftig öffentlich zurückhält. Wobei Textpassagen aus deinem eigenen Blog heraus zu verwenden, um Dir zu verdeutlichen, dass „ein Eigner und Skipper einer Varianta 18“ sich sogar öffentlich zu schlechter Seemannschaft bekannt hat, schon was von Comedypreis-verdächtigem Witz hat 🙂
sagt:
1. Bitte zitiere vollständig. Auch der Wikipedia-Artikel enthält eine sehr umfangreiche und gute Definition der Dinge, die ‚Seamanship‘ ausmachen.
2. Dieser Artikel spricht auch deutlich von „guter Seemannschaft“: ‚However, the practice of good seamanship should be the goal of all.
3. Ja, aus Fehlern lernt man. Aber nicht immer, manchmal ist es danach zu spät.
Eine ausgerauschte Großschot, weil jemand den Knoten vergessen hat? Bei 5kts Wind kein Problem. Bei 30 kts Wind bringt der schlagende Baum dich um.
4. Seemannschaft bedeutet also, bewährte „Standard-Arbeitsabläufe“ an Bord durch kontinuierliches Training zu übernehmen, damit Schaden im Voraus vermieden wird und man nicht erst aus den eigenen Fehlern lernen muss. Oder wie es ‚dein‘ Wikipedia-Artikel sagt: „Above all, Seamanship means Safety onboard and this is managed through continuous training and implementation of good working practices“
5. Die Entscheidung, einen lang geplanten Traumtörn abzubrechen, weil es die Varianta eben doch nicht so weit packt: Exzellente Entscheidung und (gute) Seemannschaft. Besser im nächsten Sommer wiederkommen als nie mehr wiederkommen. Vor Cornwall wird gerade eine Seglerin vermisst, die sich übernommen hat: http://alturl.com/yqjph
6. Mit welcher Schnoddrigkeit hier in einigen Kommentaren/Votings mit dem Thema Rettungsweste umgegangen wird: Schlimm, wirklich schlimm. Ja, sie ist unhandlich, ja, sie ist schwer, ja, man schwitzt im Sommer drunter, ja, ihr werdet sie wahrscheinlich nie wirklich brauchen. Und wenn doch? Mir ist die Weste x-mal lieber als „Todesursache: Faulheit“. (Gilt natürlich auch für den Lifebelt).
sagt:
Ja, ich habe den Artikel natürlich gelesen. Und zwar ganz. Ich beziehe mich aber nur den einen zentralen Satz. Er gefällt mir. Und er sagt eigentlich alles.
sagt:
Wenn du ihn ganz gelesen hast, warum tust du dann so, als würde sich hinter diesem „zentralen Satz“ ein luftleerer Raum auftun, den jeder nach Belieben mit seiner eigenen Art füllen kann.
Schau, diese Beschreibung eines Anlegemanövers, das der Eigner und Skipper einer Varianta 18 im Mai auf Lyö vollbracht hat, ist sicherlich nicht gerade die „art of operating a ship or boat“:
Zitat Anfang:
„Dummer Fehler 1 – Mit zu wenig Geschwindigkeit in die Box. Dalben hinten belegt und einen kurzen Gasschub am Außenborder.
Dummer Fehler 2 – Ich stand dabei blöderweise auf einer Heckleine, so dass ich sofort seitlich abtrieb und etwa durch 3 Boxen quer fuhr. Kathleen stand schon auf dem Vorschiff und guckte mich ziemlich fragend an.
Der Segler am Steg schaute weg.
(…)
Also wieder Gas gegeben und dabei machte ich:
den dummen Fehler 3: beim Gasgeben habe ich wohl die Pinne quer gestellt, so dass ich wieder quer durch die Boxen fuhr.
Der Segler am Steg schaute erstaunt. Ich begann zu schwitzen und konzentrierte mich darauf, die Ruhe auszustrahlen, die ich nicht mehr hatte. Es war mir peinlich.
Nochmal zurück. Und nochmal ansetzen. Und dann:
Wiederholung des Dummen Fehler 2: die Heckleinen hatten sich vertüdelt. Ich fuhr zum 3ten Mal quer. Dieses mal jedoch etwas mehr an den Steg. Kathleen wollte dem Segler die Vorleine zuwerfen. Sie musste weit werfen, denn ich hatte bereits das Ende der Heckleinen in meiner Hand. Sie hat gut geworfen. Wir waren fest. Zwar 3 Boxen weiter weg als geplant, aber das wurde durch Ziehen von Leinen wieder gerichtet.“
Zitat Ende
Kommt dir irgendwie bekannt vor, oder?
Angekommen? Ja. „Art“? Nein.
sagt:
Huch, das bin ja ich. Nein, das ist sicherlich keine gute Seemannschaft. Anlegemanöver versemmeln ist ganz ganz sicher ’schlechte‘ Seemannschaft.
Ich weiss auch nicht, ob es in dem Falle besser gewesen wäre, Kathleen auf dem Vorschiff zu beschimpfen, um von meiner eigenen Unzulänglichkeit abzulenken. Es wäre in jedem Falle eine denkbare, weil stark verbreitete Alternative gewesen.