Knarrblog: boot-Begegnung. Günther „Känguru“ Ahlers

Der Mann, der einmal Angst und Schrecken verbreitete

Ex Vermesser-Pabst und Regel-Hüter Günther Ahlers auf der Messe. Die Hand zittert etwas beim Fotografieren. Es ist der gelernte Fluchtreflex. © C. Kemmling

Heute auf der boot in Düsseldorf. Siebter Tag. Langsam wird es hart. Reden, berichten, planen. Kunden treffen, Freunde sprechen, Kontakte knüpfen, Karten verteilen. Plötzlich steht Günther Ahlers vor mir, Erfinder des Teeny, ex Chefvermesser des DSV, ehemals der am meisten gefürchtete Mann auf den Regattabahnen.

Seine Erscheinung löst einen spontanen Fluchtreflex aus. Er ist gelernt. Jahre lang bedeutete es nichts Gutes, wenn Ahlers mit seinem Motorboot in die Nähe kam. Alarm, Alarm, Regattapolizei. Er hat zwar ein freundliches Gesicht, einen herrlichen Humor, ein bewegtes Leben und viel zu erzählen.

Aber auf dem Wasser mochte man ihn nicht treffen. Er nahm seinen Job als Vermesser überaus ernst. Meine letzte Begegnung mit dem Graubart endete mit einer Disqualifikation. 1996 bei der Kieler Woche im Laser.

Ahlers bestand darauf, dass alle 150 Laser eine 12 Meter lange Schleppleine mitführen müssen. Vermutlich nicht, weil er von der Sinnhaftigkeit überzeugt war. Es stand halt in der Segelanweisung. Die Kieler Woche Organisatoren hatten in die Ausnahmeregelung für die kleine Plastikschüssel vergessen. Überall sonst in der Welt wurden sie mit der gleichlangen Schot geschleppt.

Ich wollte diesen Blödsinn nicht akzeptieren, nahm keine Leine mit. Aufstand des kleinen Mannes. Ahlers erwischte mich nach dem Ziel. Ausrüstungskontrolle. Ich versuchte noch wegzusegeln. Das Winken vom Motorboot zu ignorieren. Fahrerflucht zu begehen. Aber der Mann kannte seine Pappenheimer. Es gab keine Flucht-Chance. Am Ende prangte ein dickes, fettes DQ in der Ergebnisliste statt eines schönen Top Ten Platzes. Die Serie war verdorben.

[AD-CONTENTRIGHT]ONSAILCTM[/AD-CONTENTRIGHT]Ahlers machte den deutschen Regattasegler vielleicht ein wenig vorsichtiger und regeltreuer als den internationalen Durchschnitt-Segler. Aber ein Denkmal dürfte ihm dafür kaum gesetzt werden.

Dabei ist es sicher nicht fair, den kenntnisreichen Konstrukteur auf seine Polizeistreifen-Tätigkeit zu reduzieren. Er erlangte 1996 ungewollt eine gewisse Bekanntheit, weil der von seinen Entführern ausgesetzte Jan Philipp Reemtsma zufällig nach 33 Tagen in Gefangenschaft und Todesangst an Ahlers Haustüre klopfte.

Eine herrliche Geschichte, wenn der Mann erzählt, wie er sich mit dem Millionär erst einmal entspannt ins Wohnzimmer setzte und über die Segelszene sprach. Anknüpfungspunkt war der erfolgreiche OK- und Drachensegler Reemt Reemtsma, der zu Ahlers Bekannten gehört.

Als bleibenden eigenen Verdienst kann er sich der Hamburger Holzboot-Liebhaber unter anderem die Erfindung des Känguru-Starts an das Revers heften. In den wenigen Minuten der Messebegegnung klärt er darüber auf, wie der Name zustande kommt.

Man könnte denken, weil das schnellste Schiff zum Schluss startet und dann an den anderen vorbei hüpfen muss, oder so…Tatsächlich hat Ahlers so lange in Australien gelebt und gearbeitet, dass er nach seiner Rückkehr den Spitznamen „Känguru“ verpasst bekam.

Das Yardsticksystem, bei dem Schiffe nach einer festgelegten variablen Handicap-Startzeit lossegeln und theoretisch alle gleichzeitig ins Ziel kommen müssten, wurde folgerichtig „Kängurus“-System genannt.

Ahlers hat inzwischen den Ruhestand angetreten. Und auf den deutschen Regattabahnen wird vermutlich wieder ein wenig mehr gemogelt. Aber der Mann bleibt ein sympathisches Unikum in der Szene. Er bewegt immer noch einen „Hansa Roller“ wie er seine Hansa Jolle liebevoll nennt. Im vergangenen Jahr hat er das Schiff an den Limfjord getrailert, um dort Urlaub zu machen. Segeln pur.

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

3 Kommentare zu „Knarrblog: boot-Begegnung. Günther „Känguru“ Ahlers“

  1. Sabine Sommer sagt:

    Lass uns mal in Kontakt treten, mein lieber Günter. Trinken wir mal ein Glas Wein ? Liebe Grüße Sabine Sommer

  2. stefan sagt:

    G.O. hat bei der TraWo mal zwei zusammen getapte Rohrzangen als Anker akzeptiert. Ob uns das Konstrukt wohl vor dem Abtreiben zum Klassenfeind bewahrt hätte? Ich habe da so meine Zweifel.

    • Günter Ahlers sagt:

      Ehrlich gesagt kann ich mich an diese Begebenheit nicht erinnern, aber bezweifel auch, daß es sich so abgespielt hat. Einen Anker erkenne ich, und ein Anker bleibt ein Anker.
      Genau der von Stefan angegebene Grund war die Ursache dieser Vorschrift, dass bei der TW, solage es diese unsinnige Grenze zur SBZ gab, auf allen Booten Anker gefahren werden mussten.
      Im übrigen ist es ja so, daß nicht der Vermesser betrogen wird, sondern die Konkurenz, welche sich um die Einhaltung der Regeln bemüht.

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