Knarrblog: NRV-Mittwochsregatta. Verkeilte Drachen, erhitzte Gemüter

Chaos an der Leetonne

Chaos an der Leetonne bei der NRV-Drachen-Mittwochsregatta. © K. Lahme

Mittwochs auf der Alster. Was für ein Alarm! Was für ein Chaos!! Herrlich!!! Der Job-Alltag ist ruckzuck vergessen. „Wichtig ist aufm Platz“, sagt der Fußballer. Knapp eine halbe Stunde Segeln reicht aus, damit das Adrenalin so richtig schnell durch die Adern pulsiert. Auch bei den Drachen.

Die Langkieler mögen erhaben aussehen und die Crews entspannt. Aber nach den intensiven After-Work-Runden auf dem Wasser stehen die Menschen in Gruppen auf dem Steg echauffieren sich mit erröteten Gesichtern, erhitzten Gemütern, rudernden Armen und erhobenen Stimmen und erörtern die kniffeligen Situationen auf dem Wasser.

Diesmal ist es besonders intensiv. Bugspitzen krachen auf Bordwände. Tiefe Erinnerungskerben bleiben zurück. Es wird nach Schuldigen gesucht. Wir stecken mittendrin.

Was ist passiert? Ein herrlicher Segeltag. 23 Drachencrews versammeln sich um Punkt 18.30 Uhr an der Linie vor dem Norddeutschen Regatta Verein. Gegen Mittag sagt Stammvorschoter Jörg ab. Dirk kontaktet Matschi, der kann nicht, dann kann er doch. Rast von Kiel nach Hamburg, steckt im Stau, kann also doch nicht, ruft Felix an, der rast mit dem Taxi vom Büro zum NRV, steht im Anzug am Steg, zieht kurz Schuhe und Sacko aus und springt beim Ablegen zehn Minuten vor dem Start auf das Schiff.

Wir instruieren Felix noch, dass er nicht wieder so rumbluten soll wie damals auf der „Hochwürden“. Denn die Segel sind noch schön weiß und das Deck ist frisch geschrubbt.

Segel hoch, Spi hoch und schon geht es mit einem Vorwindstart vor dem Klubhaus raus auf die Alster. Wir probieren es in der Außenkurve unter Land. Da ist es diesmal ziemlich flau, aber an der ersten Ecke verhilft der Kap-Effekt und die Winddrehung meistens doch zu einer guten Position.

Wir rauschen in der Spitzengruppe am Ufer entlang. Jetzt muss man nur von links auf die rechte Seite wechseln, weil die Leetonne rechts liegen bleiben soll. Es tut weh, die Position für eine gute Rundung aufzugeben. Schon scheint der Plan missglückt, aber schließlich rauschen wir doch mit Innenraum in den Dreilängenkreis.

Nur ein Boot schafft es vor dem Pulk. Der grandiose Dirk Rose mit Kamerad Haidinger, der tagszuvor beim Segel-Hallensport noch gewohnt knüppelhart in die Beine grätschte, steuert filigran, entspannt vor dem Pack um die Tonne.

Wir sind immerhin zweites Boot innen und sollten als dritte um die Marke gelassen werden. Aber das ist hoffnungslos. Die Crew der äußeren Yacht ist davon überzeugt, dass beim Eintritt in den Dreilängenkreis kein Gegner innen überlappt hat und will auf direktem Weg zur Tonne.

Es ist ein sportlicher und optimistischer Versuch, das vermeintliche Recht durchzusetzen. Denn plötzlich hat definitiv ein Schiff in Lee überlappt, erwischt den Außenlieger am Heck, drückt ihn herum wie beim Stockcar-Rennen und plötzlich liegt der Kollege quer vor fünf Bugspitzen. Unter anderem vor unserer.

Wir werden mit dem Pulk wie mit einem sechsstämmigen Floß herumgetrieben. Natürlich vorbei an der falschen Seite der Tonne. Eigentlich eine witzige Situation. Besonders die folgenden Crews dürften gelacht haben. Sie konnten einigermaßen frei hinter uns runden.

Es dauert seine Zeit, bis sich das Floß wieder auflöst. So einen Drachen schiebt man nicht mal eben weg. Dazu kommen die Schiffe, die die Leetonne korrekt gerundet haben und nehmen uns im Päckchen mit auf die Kreuz. Wir müssen stoppen, wenden und abfallen, um noch wieder irgendwie zur Marke zu kommen. Ein erstaunliches Chaos!

Vermutlich als vorletztes Boot geht es endlich um diese verdammte Tonne. Aber der Segelgott hat ein Einsehen. Er schickt die fällige Wiedergutmachung, die das Regelwerk für solche Fälle nicht vorsieht. Eine 30-Grad-Rechtsdrehung weht über die Alster und plötzlich sind wir wieder vorne mit dabei. Die Bilanz am Ende: Platz sechs und ein Loch im Spi.

Der eigentliche Spaß beginnt aber erst an Land. Alle Beteiligten finden sich schließlich um einen Tisch versammelt wieder. Der Wettfahrtleiter, Schiedsrichter und NRV Sportchef Klaus Lahme bringt seine Tupperdose mit Schiffchen mit. Es wird diskutiert.

Es geht nicht nur ums Rechthaben sondern auch um die Begleichung von Schäden. Einige Bugspitzen haben Blessuren abbekommen, als sie auf die Seite des Außenliegers prallten.

Klaus erklärt, was eine Jury wohl bei einem richtigen Protest sagen würde – ist ja nur Mittwochsregatta – und sieht die Schuld beim Außenlieger. Schwer zu beweisen, dass er rechtzeitig im Dreilängenkreis war. Der beharrt zwar auf seiner Unschuld, gibt aber eine Runde Bier aus und einigt sich wohl mit den Beteiligten. Alles geht relativ ruhig und gesittet zu. Ehrenmänner eben.

Das Malheur sorgt einen ganzen Abend Gesprächsstoff, und sicher auch noch in der Woche. Bis zur nächsten Mittwochsregatta.

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

1 Kommentare zu „Knarrblog: NRV-Mittwochsregatta. Verkeilte Drachen, erhitzte Gemüter“

  1. Marc sagt:

    Naja und morgen steigen die Beiträge bei Pantenius 😉

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