Knarrblog Sommertörn: Schären-Erlebnis. Blöd, wenn nachts der Wind dreht

Trügerischer Traumspot

Der Traumspot in den Schären in Malö Hamn wird in der Nacht ungemütlich. © SegelReporter.com

Gut 40 Meilen von Anholt bis zum Naturhafen Malö Hamn. Ein raumer Schlag nach Schweden. Leichter Nordwest, angenehme Backstagbrise, neun Stunden entspannte Segelei. Nichts deutet auf die ereignisreiche erste Nacht im Schärengarten hin.

Die Crew döst und liest in der Sonne. Der Pinnenautomat tut seine Arbeit mit dem üblichen nervigen Summen. Nur Lasse macht etwas Action als er auf die Idee kommt, sich bei dreieinhalb Knoten hinterher ziehen zu lassen.

Die dunkle Wolke, die vor dem Bug passiert, sorgt für etwas Aufregung. Zumal sich ein Finger herunter zu tasten scheint. Eine beginnende Wasserhose? Aber das Teil zieht schnell vorüber, bringt die erhoffte Rechtsdrehung und Druck für den finalen Sprint nach Schweden und zaubert in Lee über der Yacht der Freunde einen kräftigen Regenbogen in den Himmel.

Das schwedische Festland präsentiert sich visuell als feste, scheinbar undurchdringliche Felsenküste. Aber Karte und Plotter sagen etwas anderes. Wie konnte man dieses Seegebiet eigentlich vor der Erfindung des Plotters befahren? Schwer vorstellbar.

So ist dieses Naturschauspiel ein ansprechender Genuss, wenn man sich vorsichtig an den Felsen vorbeischiebt und nach Öffnungen im Granit sucht.

Aber die Freunde haben schon einen netten Platz ausgesucht. Windgeschützt neben einem hübschen roten Häuschen mit spielenden Kindern und weidenden Kühen.

Der Heckanker fällt, die Bugleinen werden an den Felsen fixiert. Vorgänger haben Löcher durch Steine gebohrt. Tampen können hindurch gefädelt werden. Das Wasser ist fast spiegelglatt. Ein sicheres Gefühl. Abendessen im Cockpit. Die warme Sonne versinkt hinter der Schäre.

Der Wind dreht leicht nach links Richtung West. Der Windschatten funktioniert nicht mehr optimal hinter den Felsen. Aber jetzt noch verholen? Wir liegen so schön. Faulheit dominiert. Ich bringe mit dem Gummiboot noch einen zweiten Heckanker aus. Das sollte für eine sichere Nacht reichen.

Gegen vier Uhr nachts drückt die Blase. Oder der sechste Sinn? Der Wind hat weiter gedreht und aufgefrischt. Er wird jetzt durch den Einschnitt, durch den wir einen Blick aufs Meer hatten per Düseneffekt verstärkt. Er drückt seitlich auf die Bordwand und verstärkt den Zug auf die beiden Heckanker.

Die Situation droht ungemütlich zu werden. Die Freunde nebenan werden auch wach. Zusammen beratschlagen wir über die besten Optionen. Eigentlich hatten wir uns für diesen Fall vorgenommen, einfach den Platz zu wechseln. Um die Ecke gibt es genügend besser geschützte Plätze.

Aber das rückwärtige Ablegen ist nicht so einfach. Denn der deutsche Nachbar in Lee würde unweigerlich Bekanntschaft mit unserem Bug machen, wenn wir nach achtern abdampfen und die Bugleinen lösen. Der Wind dürfte die Spitze nach Lee schwingen lassen.

Ich überlege mit Kumpel Willi weitere Optionen, die den Nachbarn nicht stören. Wir winschen die Ankerleinen nach, lösen die Bugleinen. Aber die Situation ändert sich ständig. Der Wind nimmt zu und dreht weiter. Dann beginnen die Heckanker zu rutschen.

Jetzt erscheint auch der Nachbar an Deck. Ich erkläre die Situation. Wenn er abliefe, könnten wir schnell unseren Platz verlassen. Aber er glaubt, dass sein Anker hält. Der Motor sei nicht verlässlich und überhaupt …

Die Situation ist längst nicht gefährlich, aber nervig. Wenn er nicht geht, müssen wir eben mit dem Bug in den Wind. Annette hat die beste Idee. Per Paddelboot bringen wir einen Anker an langer Leine nach Luv aus. Willi zieht daran seine Spitze von den Steinen weg, die Landleinen können gelöst werden, das klappt gut.

Inzwischen hat der Nachbar seine Meinung geändert. Sein Anker slippt auch. Er will ebenfalls weg. Wir helfen beim Abhalten seines Bugs von den Felsen. Dann ist er weg.

Wir haben inzwischen ebenfalls die lange Ankerleine übernommen, um den Bug durch den Wind zu drehen. Aber nun rutscht auch dieses Grundeisen plötzlich. Ein beherzter Vollgasschub achteraus klärt die Situation. Allerdings stehen die beiden großen Söhne noch an Land.

„Die finden uns schon“, höre ich mich sagen, während wir abdampfen auf Suche nach einer besser geschützten Stelle in der Bucht. Die Mutter verdreht die Augen und ist offenbar anderer Ansicht. Aber das erneute Anlegen an dieser Stelle ist keine Option.

Wir finden eine freie Boje und holen die Jungs per Gummiboot von Land ab. Mit einem Tee bewundern wir gemütlich den Sonnenaufgang. Warum sind wir nicht gleich hierher gefahren? Die Anspannung macht der Müdigkeit Platz. Gut vier Stunden hat der Spaß gedauert. Willkommen in den Schären.

Knarrblog Sommertörn 2011 :
2. Teil: Tauchspaß im Hafen
1. Teil: Entspannt in die Nacht

 

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

3 Kommentare zu „Knarrblog Sommertörn: Schären-Erlebnis. Blöd, wenn nachts der Wind dreht“

  1. Minnisemmel sagt:

    …Du gibst freiwillig zu, dass Annette, auf dem Schiff wo Du Skipper bist, eine gute Idee hat? 😉 Unglaublich…;-)

  2. Egon sagt:

    Ob die Nummer von Anholt oder diese, ist doch immer wieder ermutigend, zu lesen, dass es anderen auch nicht besser geht. 😉

  3. uli sagt:

    ‚mal eine technische Frage zu dem neuen Garmin Instrument (lot,log,wind) auf dem Holzbrett. Seit ihr mit diesem nmea2000 Instrument zufrieden ?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert