Der unglaubliche Törn. Charteryacht fuhr 150 Meilen ohne Kiel. Ein Crewmitglied berichtet

"Wir legten uns auf die Seite..."

Die Sun Odyssee "Polbream" ohne Kiel. © Stever Worner

Die Sun Odyssee "Polbream" ohne Kiel. © Stever Worner

SR hatte Anfang des Jahres über die drei Törns der Charteryacht  „Polbream“ ohne Kiel berichtet. Die Jeanneau Sun Odyssey 37 legte 150 Meilen zurück, ohne dass jemand den fehlenden Kiel bemerkte. Er war bei einer Unterwasser-Berührung auf den Scilly Islands vom Rumpf gefallen.

Viele hielten die Geschichte für Seemannsgarn. Aber die britische Segelzeitschrift Yachting Monthly hat die Fakten inzwischen in einer größeren Abhandlung bestätigt.

Man konnte sich den langen Törn bisher nur so erklären, dass die Crews überwiegend unter Motor gefahren sind. Aber nun findet sich in einem Forum auch die Erklärung eines Seglers, der beim letzten Törn ohne Kiel an Bord war.

Demnach hat sich die Yacht offenbar mehrfach auf die Seite gelegt, ist in den Wind geschossen und richtete sich wieder auf. Kaum zu glauben! Eine Durchkenterung hätte wohl ein Desaster bewirkt.

Der britische Segler schreibt, dass ein „sehr netter Skipper“ ihn und drei weitere absolute Neulinge für einen Törn an Bord genommen habe. Er selber sei vor 26 Jahren zuletzt als Kind gesegelt.

Der Skipper habe bei der Übernahme die Kielbolzen geprüft, und alle hätten sich an ihrem Platz befunden. „Er bemerkte aber beim ersten Schlag, dass das Boot sehr schlecht zu manövrieren ist.“ Doch sei er nie mit diesem Typ Yacht gesegelt. Er war sich seines Urteils nicht sicher. Zumal die erste Etappe bei wenig Wind unter Motor ohne besondere Vorkommnisse verlief.

„Am nächsten Tag fuhr der Skipper nach dem Verlassen des Liegeplatzes einen Vollkreis unter Motor, um das schlechte Verhalten des Bootes zu demonstrieren. Wir diskutierten, ob ein Netz am Kiel oder Ruder hing. Wir nickten alle und ignorierten es dennoch.

Der Skipper gab mir das Ruder in die Hand als er mit der Crew die Segel setzte. Genua und zwei Reffs im Groß bei 5 bis 6 Beaufort. Ich wendete und halste. Das Schiff verhielt sich beschissen. Aber ich hatte keinen Vergleich und keine Bedenken…Bis wir das erste mal aus dem Ruder liefen. Wir legten uns auf die Seite.

Wir Neulinge erschreckten uns sehr. Aber nur der Skipper wusste, dass sich das Boot nicht normal verhielt. Er machte keine Panik, blieb sehr ruhig und versuchte Telefonkontakt aufzunehmen.

Mein Instinkt sagte mir, dass etwas nicht stimmt. Aber ich habe nicht mehr gesegelt, seit ich zehn war. Nach meinem Wissen vom Windsurfen hätte ich jetzt die Segel gefiert. Aber da der Skipper das nicht erwog tat ich das auch nicht. Ich drehte in den Wind, und wir richteten uns wieder auf. Aber in einer weiteren starken Böe kippten wir wieder um.“

Er habe es gerade noch geschafft, sich mit einer Hand am Steuerrad festzuhalten. Erneut drehte er in den Wind und bat den Skipper, das Ruder zu übernehmen. Aber der habe gesagt: „Du machst das gut.“ Er wolle mit dem Vercharterer Cornish Cruising telefonieren.

„Ich wollte endlich von diesem verdammten Wasser runter, oder wenigstens die Segel bergen, damit wir nicht wieder kippen würden.“ Aber schließlich kam der Skipper wieder aus der Kajüte. Er hatte den Vercharterer erreicht. Die Segel wurden geborgen, der Skipper übernahm das Ruder und motorte Richtung Hafen.

Das Anlegemanöver gelang nur mit der Hilfe eines Motorbootes. „Der Fahrer bemerkte, dass wir zwei Fuß zu hoch im Wasser lägen.“ Der Vercharterer meinte schließlich, dass es sich wohl um ein Ruderproblem handeln würde. Er wollte mit einer Unterwasser-Kamera das Problem sichten. Aber der Versuch scheiterte.

„Er bot uns eine Ersatzyacht an. Wir willigten ein, ließen aber unsere Sachen auf dem alten Schiff, um nicht noch mehr Zeit mit dem Umstauen zu vertrödeln. Gut dass wir nicht lange nachgedacht haben. Ich glaube, wenn wir nicht sofort wieder auf das Wasser gegangen wären, hätte ich wohl für immer darauf verzichtet.“

Die Angst saß tief bei den Neulingen nach den Vorfällen auf „Polbream“. Aber nun wunderten sie sich über das exakte Steuerverhalten der neuen Benetau Oceanis Clipper 331. „Wie ein Traum.“

„Es war ein toller Segeltag. Und am nächsten Tag sahen wir `Polbream´ im Kran. Ohne Kiel. Ich muss zugeben, dass ich froh war, dass es ein echtes Problem gab! Ich dachte schon, es läg an meinen Steuerkünsten.“

Zum Thema: Kiel ab und keiner merkt es

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

5 Kommentare zu „Der unglaubliche Törn. Charteryacht fuhr 150 Meilen ohne Kiel. Ein Crewmitglied berichtet“

  1. Peter sagt:

    Gut und von Formstabilität hat hier noch keiner was gehört oder wie?

  2. O.H. sagt:

    Ich denke, dass sie sich wieder aufgerichtet hat, liegt an der Maschine, die bringt schliesslich auch sehr viel Gewicht an eine „günstige“ Stelle. Wo hat das Boot eingentlich seine Tanks? Wenn die voll sind wirkt das bestimmt auch günstig.

  3. Schlaufux sagt:

    Und ich dachte die Vercharter schicken bei jeder Übergabe einen Taucher runter.
    Aber das scheint an der englischen Südküste wohl nicht nötig.
    Normalerweise heisst es wg. der Versicherung.
    Zumindest machen sich die 100,- € toll auf der Rechnung.

  4. ada-schein@gmx.de sagt:

    spricht aber doch für die Sun Odessey, dass sie nicht gleich gekentert ist und sich wieder aufgerichtet hat – oder?

  5. Andreas Ju sagt:

    Nicht zu fassen, was für Pappnasen man im Chartergeschäft das Leben von Menschen anvertraut!

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