Nach langer, schwerer Krankheit verstarb vergangene Woche der Hamburger Hochseesegler Volker Andreae in seinem 70. Lebensjahr. Der erfolgreiche Software-Unternehmer nahm mit seiner Yacht „Inschallah“ an zahlreichen Regatten auf Nord- und Ostsee teil, galt als glühender Verfechter von IRC und schuf mit dem German Offshore Award, dem Senatspreis seiner Heimatstadt Hamburg, einen der wichtigsten Preise der deutschen Segelszene.
Schiffe und die Liebe zum Segelsport waren Volker Andreae, von Kindheit an Mitglied im Norddeutschen Regatta Verein (NRV) und auch Alsterpirat, quasi in die Wiege gelegt. Als Ur-Enkel von Hermann Blohm (Blohm + Voss), der die Flugzeugwerft auf dem heutigen Airbus-Gelände in Hamburg gründete, war er von Kindheit an mit der Seefahrt und dem Regattasport vertraut.
Schon sein Vater Wolfgang war aktiver Segler, mit seiner mit einem Bermuda-Rigg getakelten Yacht, auf den Traditionsnamen „Inschallah“ („So Gott will“) getauft, nahm er bereits 1953 am ersten Fastnet Race nach Kriegsende teil. Die Familie Andreae ist eine der eingesessenen, alten Familien des NRV, die im wahrsten Sinne das Fundament für den heutigen Verein mit dem prächtigen Haus an der Außenalster gelegt haben: Mit dem Stahl der Werft Blohm + Voss wurde für den Wiederaufbau des im Krieg zerstörten NRV-Clubhauses an der Außenalster ein Stahlrahmen geschweißt, auf dem das aus Trümmern neu errichtete Gebäude anstelle eines soliden Fundaments stand. Inzwischen wurde das Haus nach einem Brand abgerissen und durch einen Neubau ersetzt.
Auch Sohn Volker Andreae, der auf der Alster und der Yacht seines Vaters segeln lernte, war immer auf der Suche nach neuen Lösungsansätzen. Dabei faszinierten ihn besonders technisch neue Möglichkeiten und Innovationen. Als junger Mann begeisterte er sich fürs Jollensegeln und segelte 505er und Korsar, parallel betrieb er im Eigenverlag die Zeitschrift „Regatta“.
Tüftler und Entwickler
Optisch unverkennbar, mit wirren, dunklen Locken, von denen jede einzelne stellvertretend für eine Idee stehen könnte, war er als Tüftler und Bastler seiner Zeit oft weit voraus. „Als 18-jähriger wohnte Volker in der Hafenstraße, direkt mit Blick auf das Dock von Blohm + Voss“, erinnert sich sein langjähriger Segelfreund Carl Friedrich Schott. „Wenn der Wecker klingelte, erschien an der Decke eine leuchtende Uhr, dazu ging die Kaffeemaschine an und das Rollo hoch.“
Jahrzehnte später, vor rund 20 Jahren, präsentierte Volker Andreae, der eine eigene Firma zur Softwareentwicklung hatte, ein von ihm entwickeltes Fahrrad mit einem Elektromotor, der auf dem Vorderrad montiert war – Jahre, bevor leistungsfähige E-Bikes als Alternative zum Autoverkehr entwickelt wurden. In diesen Zeitraum fallen auch seine Zeichnungen für große Masten für Frachtschiffe und seine selbstgebaute, an eine sehr große Spinne erinnernde Drohne, die er von seinem Tablet aus steuerte und an Bord einsetzte, um die Fallspannung der Genua und das Mastfall seiner „Inschallah“ zu überprüfen.
Wiederbelebung der Regatta „Rund Bornholm“
Als aktiver Regattasegler nahm er nicht nur an Regatten teil, er entwickelte sie zum Teil auch neu oder engagierte sich für ihre Wiederbelebung. Während seiner Amtszeit als Vorstandsmitglied im NRV für den Bereich Seesegeln kam es zur Neugründung der traditionsreichen Regatta „Rund Bornholm“ im Rahmen der Warnemünder Woche. Später führte er den Baltic Sprint Cup, eine Kombination aus Etappenrennen und Sommertörn für „Family & Friends Crews“ in der Ostsee, unter dem neuen Namen Hanse Race fort. Weitere Formate folgten, z.B. eine deutsche IRC Bestenermittlung oder der Midnight Cup. Immer stand für ihn eine schlanke, effiziente Regattaorganisation im Vordergrund. In Ermangelung eines Wettfahrtleiterteams wurde der Torstart wiederbelebt und für den Zieldurchgang mussten die teilnehmenden Crews ein Foto von einer Tonne inklusive Uhrzeit und Datum machen, das dann digital an die Regattaleitung übermittelt wurde.
IRC-Verfechter
Als sich zwischen den beiden konkurrierenden Vermessungssystemen IMS und IRC ein erbitterter Konkurrenzkampf entwickelte, wurde er zum leidenschaftlichen Verfechter der seiner Meinung nach gerechteren Handicap-Formel IRC. Vor allem mit Wolfgang Schäfer, Vize-Präsident des Deutschen Segler-Verbandes, lieferte er sich hitzige Debatten im sogenannten „Formelstreit“.
Initiator des German Offshore Award
Parallel zu seinem vehementen Einsatz für die IRC-Formel kämpfte Volker Andreae dafür, die deutsche Hochseeseglerszene wieder zu alter Blüte zu führen und gründete mit der German Offshore Owners Association (GER-OO e.V.) eine Gemeinschaft, in der die Interessen der Eigner von Rennyachten über 35 Fuß, die an der internationalen Regatten teilnehmen, gebündelt werden sollten. Zunächst als bewusstes Gegengewicht zur Regattavereinigung Seesegeln (RVS) gegründet, suchte Volker Andreae später mit Erfolg die Versöhnung mit DSV und RVS.
Gemeinsam mit der Freien und Hansestadt Hamburg organisiert die GER-OO seit 2008 den German Offshore Award, der jährlich im Hamburger Rathaus für die erfolgreichste deutsche Hochseeyacht der vergangenen Saison vergeben wird. „Mit dem German Offshore Award hat Volker einen der wichtigsten deutschen Segelpreise initiiert, dessen Strahlkraft weit über seine Heimatstadt Hamburg hinaus geht“, sagt Friedrich Hausmann, Nachfolger von Volker Andreae als Vorsitzender der GER-OO. „Mit seinem Charisma und seinen zuweilen genial-verrückten Ideen war er ein sympathischer Menschenfänger. Zugleich konnte er sehr hartnäckig sein, wenn er etwas wirklich wollte.“
Angetrieben von der Idee, dem deutschen Hochseesegelsport wieder zu neuem Schwung und internationalem Ansehen zu verhelfen, veranstaltete er zudem das mit internationalen Top-Referenten besetzte „International Yacht-Forum“. „Schneller Segeln“ war der Titel dieser Symposien, zu denen neben Konstrukteuren und Designern vor allem Eigner und professionelle Seglerinnen und Segler anreisten.
„Inschallah VI“ wird von Freundeskreis gesegelt
Zugleich war Volker Andreae über Jahrzehnte auf den nationalen und internationalen Regattabahnen und Hochseerennen mit seinen Regattaschiffen unterwegs. Nach einem Eintonner folgte eine Mumm 36, später eine Class 40. Mit seiner dunkelblauen „Inschallah VI“, einer JV 41 one design, konnte er zuletzt 2015 selbst an Regatten teilnehmen und mit seiner Familie auf Tour gehen, danach zwang ihn eine heimtückische Krankheit, sich aus dem Berufs- und Segelleben zurückzuziehen.
„Der Kreis, den Volker auf der ‚Inschallah“ versammelte, war ein ganz enger Freundeskreis, der weit über den normalen Kontakt einer Segelmannschaft hinaus ging“, sagt Juliane Zerbst, die auf der „Inschallah VI“ jahrelang als Vorschiffsfrau dabei war. „Als Skipper an Bord war Volker nie von oben herab, wir haben in der Crew immer viel diskutiert, auch navigatorisch, und uns dann als Team auf die beste Lösung verständigt.“
Die Stammcrew der „Inschallah“, die aktuell in Travemünde liegt, segelte noch in den ersten Jahren nach der Erkrankung von Volker Andreae zahlreiche Regatten auf Nord- und Ostsee. Vor allem Miteigner Carl-Peter Forster, der inzwischen als Eigner der TP 52 „Red Bandit“ eine Jugendcrew unterstützt, setzte sich sehr für den Fortbestand des erfolgreichen Projekts ein. Inbesondere die Cowes Week und das Fastnet Race waren für die Crew der „Inschallah“ Regatten, an denen sie stellvertretend für ihren Skipper und Förderer Volker Andreae, der auch Mitglied im Royal Ocean Racing Club (RORC) war, teilnahm. Die enge Verbundenheit von Volker Andreae zu dem großen englischen Club kam auch in seiner Freundschaft mit dem ehemaligen RORC-Commodore David Aisher („Yeoman“) zum Ausdruck, der zur Trauerfeier in Hamburg erwartet wird.
„Mit Volker verliert die deutsche Segelszene einen umtriebigen, begeisterungsfähigen Charakterkopf, der sich für jede technische Neuerung und Designentwicklung brennend interessierte“, sagt Carl-Friedrich Schott. „Wäre Volker nun noch unter uns, würde er begeistert die neuen Geschwindigkeitspotenziale, die mit foilenden Yachten möglich sind, verfolgen und sich mit eigenen Ideen engagieren.“
Bei der nächsten Verleihung des German Offshore Award im Februar 2024 werden das seglerische Vermächtnis von Volker Andreae und seine Verdienste für die deutsche Hochsee-Segelszene besonders gewürdigt werden.
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