Karu: Ergonomisches Familyskiff im Test in der Flensburger Förde

Alle haben Spaß

Entspannt Performance genießen, sportlich im Trapez hängen oder ganz gechillt im Cockpit übernachten. Die Karu ist unglaublich vielseitig, heißt es.

Familyskiff, diese Bezeichnung trifft auf ihre neue Jolle am besten zu, meinen die Erfinder. Sie glauben, mit der Karu einen vollkommen neuen Bootstyp kreiert zu haben und behaupten, das knapp fünfeinhalb Meter lange Boot segle sicher, könne unter Einsatz seines Doppeltrapezes zu sportlichen Höchstleistungen animieren, tauge zum Wasserwandern, sei nahezu wartungsfrei und damit bestens auch für Segelschulen geeignet. Ob und wie all diese Eigenschaften wirklich zutreffen, wollen wir testen und reisen dafür an die Flensburger Förde, wo die Karu bereits zu Wasser gelassen und mit angeschlagenen Segeln auf uns wartet.

Der Blick von außen zeigt eine ungewöhnlich geformte Jolle, die sich tatsächlich in keine Norm pressen lässt. Mit ihren ausgeprägten Knickspanten ähnelt sie einem Piraten, mit ihrem flachen Unterwasserschiff einem Laser, mit ihrem riesigen Cockpit einer J/70 oder J/80 – andererseits ist das Design der Karu vollkommen eigenständig, allein schon durch ihr leicht konvexes Deck, das mit elegantem Schwung in die Rümpfe hineinläuft, ihr offenes Heck mit dem formverleimten Reitbalken und ihre komplett rund gestalteten Seitentanks.

Diese außergewöhnlichen Details fügen sich zu einem äußerst attraktiven Gesamtbild, das auf jeden Fall zum näheren Hinschauen verleitet. Nur dann bemerkt man überhaupt, dass die Seitendecks und das Cockpit nicht mit echtem, sondern mit Kunst-Teak ausgelegt sind, womit gleichzeitig klar wird, was mit Wartungs- beziehungsweise Pflegeleichtigkeit gemeint ist. Das verarbeitete Flexiteek kann mit einem Hochdruckreiniger gesäubert werden, ohne dadurch Schaden zu nehmen. Kratzer und blanke Stellen werden einfach weg- oder raugeschliffen, schon sehen sie aus wie neu und haben ihre gewünschte Rutschsicherheit zurück. Mit Ausnahme des Reitbalkens und der Pinne, für deren Winter­überholung der Pinsel geschwungen werden muss, kann der Rest der Jolle ebenfalls mit Wasser, Schwamm oder Kärcher bearbeitet werden, denn Rumpf und Deck sind in GFK gearbeitet und ganz bewusst ohne starke Vertiefungen gestaltet, um das Sauberhalten so einfach wie möglich zu machen. Unser Testboot ist dunkelbau mit rotem Unterwasserschiff, doch es gibt eine riesige Auswahl an Farbvorschlägen. Bevor man sich für eine Kombination entscheidet, sollte man die gebotene Gelegenheit nutzen und sich per Konfigurator und 3-D-Brille anschauen, wie die gewünschte Farbkombination am Schiff tatsächlich wirkt.

Dass es sich nicht nur um formschönes, sondern auch ausgesprochen formstabiles Schiff handelt, merkt man schon beim Einsteigen. Ich trete auf das Seitendeck (was bei vielen Jollen schon zur Fastkenterung führt) und spüre nur ein leichtes Schaukeln. Im Cockpit selbst ist Platz ohne Ende, beziehungsweise ohne Ecken und Kanten. Das liegt daran, dass der Schwertkasten in den Boden eingelassen ist und auf das Ausbringen eines Baumniederholers verzichtet wurde. Als großer Pluspunkt schlägt daher zu Buche: Sich im Vorschiff von einer Seite auf die andere zu schwingen, ist möglich, ohne sich die Schienbeine zu stoßen und ohne den Kopf einziehen zu müssen!
Eine derart komfortable Bewegungsfreiheit auf einer Jolle erleben zu dürfen, ist eine absolute Ausnahme. Auch der Steuermann sitzt ungewöhnlich bequem. Zum einen, weil der Reitbalken ganz achtern über dem offenen Spiegel angebracht, zum anderen, weil die Seitentanks wunderbar rund geformt sind.

Hier kommt Dr. Benjamin Stoelck ins Spiel. Der Mediziner ist einer aus dem dreiköpfigen Freundesteam, das für die gemeinsame Entwicklung der Karu verantwortlich zeichnet und hat alles darangesetzt, dem Schiff ergonomisch sinnvolle Formen zu verpassen. Um die optimale Tankform zu finden, hat es aufwändige Studien und zwölf eins-zu-eins-Modelle gegeben. Überhaupt haben die Freunde Malte Momme Schmidt, Marinus Liebherz und Benjamin Stoelck viel Sorgfalt und Tüftelei in die Entwicklung ihres Familyskiffs gesteckt. Von der ersten Idee bis zur Fertigstellung der Baunummer eins sind mehr als drei Jahre Entwicklungszeit vergangen. Nicht mitgerechnet die Zeit, in der Malte Schmidt mit einer fast fertigen Skizze in der Tasche Überredungsarbeit leistete, vor allem bei Marinus Liebherz, der zu diesem Zeitpunkt noch sein Schiffbaustudium absolvierte und die Berechnungen für die Karu ausführen sollte. Dass die drei Freunde trotz ganz unterschiedlicher Berufe (Bootsbauer, Arzt, Schiffbauingenieur) und Lebensmodelle schließlich zur Verwirklichung eines gemeinsamen Projekts zusammenfanden, liegt an ihrer Begeisterung für den Segelsport und am Wunsch, eine ganz besondere Jolle zu schaffen, die rundum Spaß bringen, schön anzuschauen und vielseitig einsetzbar sein soll.
Der Wind zeigt sich am Testtag von seiner kapriziösen Seite, er pendelt zwischen Südost und Südwest und spickt die eigentlich sehr angenehme Zweier-Brise mit kräftigen Böen, die gern auch mal die Dreier-Marke überschreiten und 50-Grad-Dreher mitbringen. Um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, packen wir die Trapezgurte ein, denn für den späten Nachmittag ist das Eintreffen einer Schlechtwetterfront vorausgesagt.

Mit vollem Groß und ausgerollter Fock (die Rollanlage sitzt verborgen unter Deck) bringt die Karu stolze 22 Quadratmeter an den Wind (zum Vergleich: Ein Pirat hat zehn Quadratmeter Segelfläche bei einer Länge von 5,00 Metern und ein Zugvogel 18 Quadratmeter bei 5,80 Metern Länge). Die Segelfläche ist bewusst so groß angelegt, damit auch diejenigen, die sportlich segeln wollen, ihre Freude an der Karu finden. Während des Tests sind wir zu zweit an Bord, können uns aber sehr gut vorstellen, zwei weitere Mitsegler dabeizuhaben. Platz genug ist auf jeden Fall vorhanden. Obwohl wir mit leichten zwei Beaufort starten, legt die Karu gleich ordentlich los, doch weder Trapez noch Reff sind jetzt gefragt, auch dann nicht, als später die kräftigeren Böen über uns hinwegziehen. Zwar beginnt die Karu recht früh zu krängen und baut dabei auch leichten Ruderdruck auf, doch sobald sie auf der Kimmkante liegt, stabilisiert sie sich. Dass die Jolle so stabil ist, liegt nicht nur an den Knickspanten, sondern auch am schweren 1,70 Meter tief reichenden Ballastschwert. Es besteht aus GFK und hat einen 60 Kilogramm schweren Bleikern.

Natürlich probieren wir das Trapez aus, doch wirklich vonnöten ist es nicht. Noch können wir die Windspitzen durch Fieren des Travellers abfedern. Doch so viel steht fest: Eine Windstärke mehr, und wir würden entweder ein Reff einbinden (zwei gehören zur Standardausstattung der Jolle) oder ins Trapez steigen. So aber genießen wir das Gleiten auch ohne turnerische Action, denn Gleitfahrten erleben wir mit vielen Böen, die wir raumschots oder halbwinds aussteuern – und das sowohl mit als auch ohne Gennaker.
Auf der Rückfahrt in den Hafen widmen wir uns dem Außenborder, einem E-Motor mit Pod-Antrieb, für den eigens eine Halterung entwickelt wurde, die achtern am Spiegel montiert ist. Das Einsetzen des Außenborders ist vollkommen unkompliziert. Dasselbe gilt für den Außenborder selbst, der sich per Fernbedienung steuern lässt.

Zurück am Liegeplatz wollen wir die Wandertauglichkeit unter die Lupe nehmen und das Cockpitzelt aufbauen. Weil der Lümmelbeschlag verschiebbar ist (ein Bestandteil, der auf der Liste der Extras steht, aber beim Testschiff zur Ausrüstung gehört), können wir den Baum ein gutes Stück anheben. Das auf dieses höhere Maß zugeschnittenen Zelt erhält dadurch deutlich mehr Volumen als eine normale Persenning. Vom Schnitt ist es ihr aber ähnlich und entsprechend einfach lässt es sich aufbauen.

Da der Cockpitboden – bis auf den Fußbeschlag der Großschot – frei von Beschlägen ist, kann die Fläche mit Isomatten oder sonstigen Polstern zu Kojen umfunktioniert werden. Bei einer Länge von 2,93 und einer Breite von 0,90 Metern bleibt Platz für zwei Personen, die sich allerdings mögen müssen. Wer es besonders romantisch mag, fährt zum Übernachten an den Strand. Ist das Schwert komplett eingeklappt, lässt sich die Karu mit beherztem Schwung an Land ziehen.

Gefertigt wird bei Fiberglas Technik Lehmann vor den Toren Hamburgs, die Segel kommen von Oleu, die Beschlagsausrüstung von Spinlock und Harken. Insgesamt macht das Schiff einen gut durchdachten und gut ausgerüsteten Eindruck. Als nettes Extra steht die sogenannte Karu-Box mit Tablet-/Smartphone-Anbindung auf der Angebotsliste, außerdem gibt es Drahtlos-Instrumente von Tacktick, die ganz einfach in vormontierte Halterungen eingeklickt werden können, und eine wasserfeste Stereoanlage von Fusion, die bei Bedarf für die gewünschte musikalische Untermalung sorgt – beim Segeln und beim Zelten.

Fazit

Dass man auf vielfältige Art mit der Karu Spaß haben kann, hat der Test bewiesen. Ab guten drei Windstärken bietet die große Segelfläche sportliche Herausforderung, der man mit Trapeznutzung begegnen kann. Wer es gemütlicher mag, legt ein oder zwei Reffs ein. Weil das Cockpit groß genug ist, das voluminöse Vorschiff viel Stauraum bietet und wenig Spritzwasser ins Schiff kommt, taugt die Jolle auch zum Wandersegeln.

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