Oyster Stellungnahme: Werft räumt Fehler ein bei „Polina Star“ – Bilanz der Kielverluste

„Mögliche Schwächen“

Die britische Oyster Werft hat jetzt erstmals ausführlich zum Kielverlust seiner Yacht Stellung genommen. Dabei wurden mögliche Struktur-Schwächen eingeräumt.

Das Laminat hat sich vom Kielbereich bis über die Wasserlinie gelöst. © La Taberna del Puerto
Das Laminat hat sich vom Kielbereich bis über die Wasserlinie gelöst. © La Taberna del Puerto

Oyster hat sich jetzt doch dem öffentlichen Druck gebeugt und mehr Details zur Untersuchung des dramatischen Kiel-Verlustes bei der „Polina Star“ preis gegeben. In einer Stellungnahme auf der Website (ENG) spricht das Unternehmen davon, die Preisgabe von Untersuchungsergebnissen nicht länger verzögern zu wollen, um Eignern das Vertrauen zu geben, dass sich vollkommen sicher segeln.

So räumt die Werft ein, dass Untersuchungen bei Yachten vom Typ 825 „mögliche Schwächen beim Bau-Prozess der inneren Strukturen“ ergeben hätten. Ein Prozess, der in den vergangenen 40 Jahren bei keiner anderen Oyster stattgefunden habe und nun auch nicht mehr verwendet werde.

Nach der Untersuchung seien die Strukturen für die schon segelnden Baunummern eins bis drei neu gebaut und verstärkt worden. Die im Bau befindliche vierte Version der Oyster 825 sei ebenfalls geprüft worden und für die fünfte Yacht soll auf die bewährten Methoden zurückgegriffen werden.

Es ist davon auszugehen, dass die Werft den Kielverlust technisch in den Griff bekommen wird. Und da nur wenige Exemplare des 825 Typs ausgeliefert sind, werden die Nachbesserungsarbeiten nicht so dramatisch ausfallen, wie sie bei einer massiven Rückruf-Aktion etwa in der Auto-Industrie stattfinden würde.

Großer Vertrauensverlust

Aber der Vertrauensverlust bei den Kunden ist groß. Denn es gibt für Segler keine schlimmere Vision, als die vom abbrechenden Kiel. Man mag das noch von den am Limit gebauten Hochsee-Rennern mit Neigekiel erwarten, die für den Fall der Fälle extra eine Luke im Heck eingebaut haben. Dadurch können die Segler bei einer Durchkenterung aus dem Innenraum entkommen.

Cheeki Rafiki
Die „Cheeki Rafiki“ ohne Kiel, mitten im Atlantik © US Navy

Bei einer Fahrtenyacht mag man sich das allerdings nicht vorstellen. Gut im Gedächtnis ist noch der Tod von vier Seglern 2014, als auf der Bénéteau 40.7 „Cheeki Rafiki“ der Kiel verloren ging. 2005 sorgte der Kielverlust einer Bavaria Match 42 in Kroatien mit einem Todesopfer für Schockwellen in der Branche und eine Rückrufaktion der Werft.

2012 stand erneut Bavaria in den Schlagzeilen, als eine 390 den Kiel verlor. Die beiden dänischen Segler konnten gerettet werden. 2005 dagegen starben sechs Segler als der Fast 42 „Moquini“ der Ballast verloren ging.

72 Fälle von Kielverlusten

Das mögen Einzelfälle sein, aber die ISAF hat eigens eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit Kiel Strukturen beschäftigt und bei der Risiko-Verminderung helfen soll. Eine seit 1984 geführte Liste weist immerhin 72 Fälle von Kiel-Ablösungen auf, die zu insgesamt 24 Todesopfern geführt haben.

Dabei ist die Dunkelziffer deutlich höher. Vercharterer haben kein Interesse daran, Kiel-Probleme bei ihren Yachten öffentlich zu machen. Und die Wartungsarbeiten mögen nicht immer perfekt ablaufen. So ist nach wie vor der Fall aus 2011 schwer nachvollziehbar, als der Kielverlust bei einer Charteryacht nicht bemerkt wurde und sie noch drei Törns unternommen hat.

Man kann wohl davon ausgehen, dass die Branche generell sensibilisiert ist für Probleme mit der Kiel-Stabilität. Andererseits stehen viele Werften zurzeit unter großem ökonomischen Druck. Das mag Qualitätsprobleme mit sich bringen.

Dafür könnte der Fall der großen Oyster zum Wachrütteln dienen. Die Aufmerksamkeit ist verstärkt. Kiel-Strukturen mögen noch einmal überprüft werden. Aber jeder Skipper ist auch selber gefragt, zum Beispiel die Kielbolzen in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren und eine härtere Grundberührung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

 

 

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