Wenige Tage vor Neujahr hat der schwedische Einhandsegler Magnus Reslow einen Albtraum erlebt. Der 64-Jährige wehrte sich auf seiner Laurin 32 gegen Angreifer mit Leuchtraketen, Hammer und einem Molotow-Cocktail.
Nicht einmal, nicht zweimal, sondern dreimal wurde Magnus Reslows Laurin 32 auf der Überfahrt von Santa Marta nach San Blas vor der kolumbianischen Küste von Piraten angegriffen. Der Schwede berichtet dem deutschen Langfahrtsegler Jens Brambusch auf dessen YouTube-Kanal Sailing Dilly-Dally fünf Tage nach dem Vorfall über das Horror-Erlebnis.
Am 28. Dezember brach er auf, um nach San Blas zu segeln. Zuerst ging ein kleines Boot längsseits, drei Männer stürmten an Bord, schlugen ihn und begannen, Sachen zu stehlen. Sie verschwanden so plötzlich wie sie gekommen waren. Kurz danach näherte sich ein weiteres Boot. Die Besatzung enterte das Schiff des Schweden und schlug ihn erneut. Weitere Ausrüstung verschwand und die Angreifer verließen das Schiff.
An den folgenden, dritten Überfall kann sich Reslow am besten erinnern: „Als sie das dritte Mal an Bord kamen, war ich vielleicht fünf Meilen von der Küste entfernt. Ich habe meine Hand ausgestreckt und ‚Amigo‘ gesagt. Als einer der Piraten danach griff, brach ich ihm den Daumen.“
Mit einem Brotmesser zugestochen
Der Pirat wurde wütend und stach mit einem Brotmesser, das sich an Bord befand, auf ihn ein. Der Segler wehrte sich mit einem Hammer. Und er schaffte es, die drei Männer vom Boot zu jagen. Sie sprangen ins Wasser. Er feuerte ihnen Leuchtraketen hinterher.
War es das nun? Reslow traute der Situation nicht und erwartete einen weiteren Angriff. Diesmal würde er besser vorbereitet sein. Mit Brennstoff, einem Stück Stoff und einer Plastikflasche bastelte er einen Molotow-Cocktail. Den wollte er den Piraten ins Boot werfen, falls sie ein viertes Mal zurückkamen.
Zurück in der Kajüte hörte er erneut Motorengeräusche. Er rechnete mit dem Schlimmsten. Aber diesmal war es die Küstenwache. Sie reagierten auf einen Hilferuf, den der Einhandsegler kurz nach dem ersten Angriff per Textnachricht über ein Mobiltelefon an einen Freund in Schweden geschickt hatte. Dieser kontaktierte die Rettungszentrale in Göteborg, die wiederum die Marine von Kolumbien benachrichtigte.
An Land angekommen, konnte Reslow weder gehen noch stehen. Er verlor Blut und musste mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht werden. Danach erhielt er viel Hilfe von der Segel-Community vor Ort.
Spendenaktion für den Schweden
Aufgeben will er das Segeln nicht. Auch wenn er Angst hat. „Was kann ich tun? Ich muss weitermachen. Der Plan ist jetzt, mich zu erholen, und wenn ich einmal wieder auf See bin, werde ich weiter weg von der Küste bleiben und mit anderen im Konvoi segeln.“
Brambusch hat inzwischen eine Spendenaktion für den Schweden ins Leben gerufen, der nun nahezu mittellos auf seiner Yacht verweilt. Er erklärt:
„Leider haben die Piraten fast alles von seinem Boot gestohlen. Segel, Fender, Blöcke, Batterien, Ersatzteile, Werkzeuge, alles Wertvolle und sogar seine schmutzige Kleidung. Nachdem die Küstenwache ihn nach Santa Marta geschleppt hatte, verbrachte Reslow eine Nacht im Krankenhaus und erholt sich jetzt im Jachthafen, wo er kostenlos wohnen darf, bis er weiter segeln kann.
Reslow ist ein Low-Budget-Segler, der seit 30 Jahren auf Booten lebt. Sein größter Verlust ist seine Nähmaschine. Für sein Einkommen nähte er Biminis, Sprayhoods, Lazy Bags und Bezüge für andere Segler. Reslow würde gerne eine neue Nähmaschine kaufen, um etwas Geld für sein Einkommen zu verdienen. Aber er ist völlig pleite. Zum Glück sind Nähmaschinen in Kolumbien nicht so teuer – sie kosten um die 500 USD. Aber zu viel für Reslow, um sich zu bemühen.“ Umgerechnet fast 3000 Euro sind schon zusammengekommen.
Schon oft verschollen
Damit hat der Schwede gute Chancen, das Leben auf seiner Yacht fortzusetzen. Kritische Situationen ist er gewohnt. Zuletzt war er 2022 auf dem Weg von den von den Kanarischen Inseln nach Trinidad in Seenot geraten und nach Aruba geschleppt worden. 40 Tage lang galt er auf See verschollen und wurde gesucht.
2007 geriet er in die Schlagzeilen, als er vor der italienischen Küste im Sturm einen Asthmaanfall erlitt und auf seiner kleinen Sechs-Meter-Yacht bewusstlos wurde. Als er wieder zu sich kam, schoss er eine Leuchtrakete ab, die zufällig von der Küstenwache gesehen wurde. Sie wollte ihn Richtung Hafen schleppen, aber die Leinenverbindung brach im schweren Seegang, Reslow ging über Bord. Sein Schiff wurde an Land gespült.
Die Küstenwache fischte ihn aus dem Wasser und brachte ihn in ein Krankenhaus. Als er zum Boot zurückkehrte, war es zerstört und vollständig geplündert. Damals blieb ihm immerhin die Nähmaschine und er kam wieder auf die Beine. Er bekundete, sich kein schlimmeres Schicksal vorstellen zu können, als eine Landratte werden zu müssen.
Dieses Los blieb ihm erspart. Er segelt und lebte weiter auf kleinen Yachten. 2015 ging er erneut auf Langfahrt – und wurde von den schwedischen Behörden als vermisst gemeldet. 85 Tage lange fehlte von ihm jede Spur. Schließlich kam er mit seiner 6-Meter-Yacht „Nymue“ in Las Palmas an. Der Arm war verletzt und musste behandelt werden.
Er verfügte weder über Telefon oder E-Mail-Adresse, über die er kommunizieren konnte. Er bat eine Seglerin, die Nachricht zu überbringen, dass er in Sicherheit ist. Dazu sagte er: „Es tut mir sehr leid, dass ich Menschen dazu gebracht habe, sich Sorgen um mich zu machen. Denn ich bin es, der dieses Leben gewählt hat.“ Später meldet er sich noch einmal über die Netzwerke von den Kapverden. „HALLO! Danke, dass ihr so positiv auf mein verrücktes Segeln reagiert. Es hat mein Leben wirklich in etwas sehr Schönes verwandelt.“
Tipp: André Mayer
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