Unmöglicher Törn: Im Gummiboot von Alaska nach Russland – Amerikaner wollte nach China

„Verzweifelte Tat als Tür-Öffner“

Es war ein verrückter Plan. John Martin III. machte sich im Sommer auf den Weg, um allein in einem 8-Fuß-Gummiboot von Alaska nach China zu segeln. Aber der Obdachlose, der einst monatelang auf dem Bürgersteig vor dem Rathaus von Anchorage campierte, um gegen die Obdachlosen-Politik des Bürgermeisters zu protestieren, startete entgegen aller Warnungen seinen Törn an der Mündung des Yukons.

Und tatsächlich schaffte er es, die Beringsee im Norden des Pazifiks zu überqueren. Nur kam er nicht nach China, sondern landete im August an der sibirischen Küste. Seit vier Monaten ist der 45-Jährige vor Ort. Nun wollen ihn die russischen Behörden abschieben. Aber Martin muss Geld sammeln, um die Reise zu ermöglichen.

John Martin III. mit seinem abenteuerlichen Gummiboot.© ADN

Martin war mit seinem besegelten Gummi-Dinghy mit kaum mehr als einem Eimer voller Lachsstücke, einem Krug Traubensaft, Wasser und Brot als Verpflegung sowie einem Handkompass gestartet und wollte eigentlich an Russland, Japan und Nordkorea vorbei chinesisches Territorium erreichen.

Dort plante er, sich am Strand niederzulassen und ein Treffen mit Frau und Kind zu bitten, die er seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen hat. Er habe gehofft, dass die Chinesen ihn gewähren lassen. „Manchmal kann eine verzweifelte Tat Türen öffnen“, sagte er in einem aktuellen Telefonat mit dem lokalen Medium Anchorage News.

Wie durch ein Wunder überlebt

Aber Martin kam mangels Wind vom Kurs ab und wurde nach Lawrentija vertrieben, einem abgelegenen 1400 Seelen-Ort auf der Tschuktschen-Halbinsel. Für die US-Behörden ist es immer noch ein Wunder, dass er mit seinem Gummiboot die Überfahrt von mehreren hundert Seemeilen in einem der gefährlichsten Seegebiete der Welt überlebt hat.

Der Mann beteuerte, dass Frau und Sohn in einer großen Stadt der Provinz Guangdong auf ihn warten. Er soll sie im Chat eines frühen chinesischen Messenger-Programms kennengelernt haben und war 2007 nach China gereist, wo sie heirateten und einen Sohn bekamen. Die Familie lebte zusammen in der Provinz Guangdong, aber dann wurde Martin von seiner Vergangenheit eingeholt.

Martin protestiert vor dem Rathaus von Anchorage. © ADN

Während der Zeit in China, widerriefen die US-Behörden die Gültigkeit seinen Passes, weil Martin mit den Unterhaltszahlungen für die Kinder mit seiner ersten Frau im Rückstand war. Zuvor war er verurteilt worden, sich an einem 15-jährigen Pflegekind zu haben, das er und seine damalige Frau aufgenommen hatten. Er war damals 23 Jahre alt und verbrachte in Der Folge acht Jahre im Gefängnis. Danach ließen er und seine Frau sich scheiden, und der Kontakt zu den drei Kindern brach ab.

Wegen dieser Straftat durfte er offenbar seine chinesische Frau und den Sohn nicht in die Vereinigten Staaten bringen. Martin kehrte von China nach Anchorage in Alaska zurück wurde religiös und gab schließlich den Job bei einer Akupunkturpraxis auf, um im Freien zu leben. Bekannte berichten, dass ihn übertriebenes Gottvertrauen zu dem Törn animiert haben könnte.

Alkoholisiert am Steuer

Lokale Medien schreiben, dass der Amerikaner vor vier Jahren auch in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt war, bei dem er alkoholisiert am Steuer saß und die Frau, mit der er zusammenlebte, starb. Vor Gericht konnte die Jury kein Urteil gegen ihn fällen – auch weil offenbar Zweifel an seinem Geisteszustand aufkamen – aber er bekannte sich schuldig.

Diese Ereignisse mögen Martin zu dem unglaublichen Törn getrieben haben. In einer Flaute driftete er, von den Meeresströmungen angetrieben, nach Norden statt nach Süden. Und ihm ging nach zwei Wochen auf See das Wasser aus. Eigentlich wollte er Regen mit einem Plastik-Duschvorhang sammeln, aber es regnete nicht.

Der Amerikaner bei seiner Abreise auf dem Yukon. © ADN

So landete er auf der Suche nach Wasser auf russischem Boden. Die Brandung wusch ihn auf den Strand. Durchnässt schleppte er sich zum nächstgelegenen Haus. Die Einheimischen halfen ihm mit trockener Kleidung, und stillten seinen Durst und Hunger. Danach riefen sie die russische Behörden und er wurde in die tschuktschenische Stadt Anadyr gebracht, wo seine illegale Einreise überprüft wurde.

Martin drohte ein langer Gefängnis-Aufenthalt. Stattdessen wurde er in ein Krankenhaus gebracht und durfte dort dreieinhalb Monate bleiben, bewacht von einem russischen Grenzschutzbeamten. Die Anklage gegen Martin wurde schließlich fallen gelassen. Er durfte frei durch die Stadt wandern und verbrachte die Zeit damit, Tauben mit Brot zu füttern, spontanen Englischunterricht in einem Café zu geben und zu schreiben.

Nun hat er von den Behörden Bescheid bekommen, dass er abgeschoben werden soll. Allerdings muss er den Weg nachhause selber bezahlen, verfügt aber nicht über die nötigen Mittel. Er wurde von der Familie eines Mannes aufgenommen, den er in einem Restaurant kennengelernt hat. Martin will jetzt ein Buch über seine Geschichte schreiben, und damit das nötige Geld sammeln, das ihm den Weg nach China ermöglicht.

 

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