Untergang: Taucher helfen Segler – Klassiker-Yacht aus 67 Metern Tiefe gehoben

"Die Clubfahne winkte noch ein letztes Mal"

Wie am Zürichsee ein 60 Jahre alter Nationaler Kreuzer auf Tiefe ging. Der 82-jährige Skipper hatte den Föhn unterschätzt. In 67 Meter Tiefe schien er verloren. Wie das Unglück passierte.

Als Julius Minder (82) mit seinem Nationalen Kreuzer (45er) im April auf dem Zürichsee einen Schlag mit seiner Tochter machen wollte, war Föhn angesagt. Und der erfahrene Skipper ließ sich von einem Bekannten warnen, dass gegen 15 Uhr eine Menge Wind erwartet werden würde.

Die “Aquila” taucht aus 67 Metern Tiefe wieder auf. © tauchershop

Bis dahin dauerte es noch eine Stunde. Das Duo kreuzte bei Sonne und Mittelwind unter Vollzeug los, reffte dann das Groß und barg die Fock als es auffrischte. Was dann passiert beschreibt der Skipper auf der Seite der Klassenvereinigung:

“Der Wind legte weiter zu, die Wellen nahmen zu. Wenigstens war es warm und trocken. Nach diesem Hack nahm der Wind ab und wir kehrten vorwind Richtung Zürich um…Dann setzte der zweite Hack ein und es war nicht mehr daran zu denken, an die Boje zu segeln. Wir kreuzten wieder seeaufwärts, um den Hack wie den ersten Hack auszusegeln.

Die “Aquila” nur unter Groß auf dem Zürichsee.

Der Föhn und Wellen nahmen weiter zu und die Wenden wurden schwieriger. Die letzte Wende vor Zollikon misslang und die Aquila drehte auf den alten Kurs landwärts zurück, allerdings mit wenig Fahrt und damit nicht mehr steuerbar. Die folgende Bö (etwa Windstärke 8-9) legte Aquila aufs Wassser.

Das Schiff füllte sich

Wasser drang über die Bordkante ca 20cm hoch ins Cockpit. Das Schiff füllte sich. Es richtete sich beim Sinken auf und versank in ca 2 Minuten. Die Clubfahne winkte noch ein letztes Mal und verschwand dann als Letztes. Wir schwammen im Wasser.”

Der 60 Jahre alte Oldtimer in der Tiefe. © tauchershop

Auf dem Ausflugschiff “Uetliberg” hatte man den Vorfall offenbar beobachtet. Und nach fünfzehn Minuten im 12 Grad kalten Wasser kam die Hilfe gerade noch rechtzeitig. “Wir hatten Glück im Unglück”, schreibt Minder. Aber da wusste er noch nicht, dass er seinen wunderschönen Kreuzer wohl nur durch ein Wunder wieder an der Wasseroberfläche sehen würde.

Der Masttopp nähert sich der Wasseroberfläche. © tauchershop

Denn die 10,5 Meter-Yacht lag auf einer Tiefe von 67 Metern im Zürichsee, der maximal sogar 136 Meter tief ist. Das Problem: Die Seepolizei darf nicht tiefer als 40 Meter tauchen. Und da auch keine Verschmutzungsgefahr des Sees bestand, wäre “Aquila” wohl in ihrem nassen Grab verblieben. Die Versicherung soll sie schon abgeschrieben haben.

Taucher packte der Ehrgeiz

Das Wunder geschah in Person des ansässigen Tauchlehrers Diego Cintula. Er sagte der Zeitung Blick: “Es war der Stolz, der uns gepackt hat. Wenn etwas im Zürichsee liegt, holen wir es raus.” Erst habe er nur die persönlichen Gegenstände des Eigners aus dem versunkenen Boot holen wollen, dann packte ihn mit seinen Kollegen der Ehrgeiz.

Das Wasser wird ausgepumpt. © tauchershop

Fünf Tauchgänge waren nötig, um die drei Tonnen schwere Yacht mithilfe von luftgefüllten Bergesäcken an die Oberfläche zu bringen. Problematisch war es, dass “Aquila” schon tief im Schlick steckte. Mit Seilwinden gelang es, den Kiel aus dem Schlamm zu lösen. Insgesamt hätten 12 Leute an der Rettung gearbeitet.

“Eine solche Hilfe kann man nicht erzwingen”, sagt Minder. “Das muss sich einfach bilden. Für mich ist das unglaublich.”

Das Schiff im Hafen mit gerissenem Großsegel. © tauchershop

Der Föhnsturm war mit bis zu 100 Kilometern pro Stunde über den Zürichsee gefegt und hatte für starken Wellengang und Chaos gesorgt. 16 Yachten rissen sich los von ihren Bojen, viele wurden beschädigt. Vier Segelschiffe wurden an Land gespült. 

So kann die Geschichte von Minder uns seinem Binnenkreuzer weitergehen. Für ihn sei das Schiff perfekt, sagte er kürzlich einem lokalen Magazin vor dem Untergang. Er könne “Aquila” trotz ihrer Größe wegen der guten Segeleigenschaften gut alleine segeln. Aber er freue sich, dass zuletzt auch Tochter und Enkel seine Begeisterung teilen.

“Aquila” ist sein zweiter 45er, nachdem er sich als Gymnasiast mit fünf Schulkollegen seinen ersten gekauft hatte. “Ich habe auf meinem Schiff einiges erlebt. Es musste manche Stürme überstehen, auch Havarien und Mastbrüche, aber wir haben noch jedes Unwetter gemeistert.” Nun ist sogar ein Untergang dazu gekommen.

 

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Carsten Kemmling

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Ein Kommentar „Untergang: Taucher helfen Segler – Klassiker-Yacht aus 67 Metern Tiefe gehoben“

  1. avatar Jenny Sommer sagt:

    No und jetzt wird es Zeit sich über Rettung und vielleicht sogar Auftriebskörper Gedanken zu machen. Kann ja auch einmal Pech haben und nicht vom Ausflugsschiff beobachtet werden.

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