WWW vor Schilksee – Warten auf Wind und Wetter hieß es am dritten Tag der Kieler Woche für die Crews in den zehn internationalen Bootsklassen und für die seegehenden Yachten.
Gewitterzellen rund um die Kieler Förde ließen den Montag (20. Juni) zum Geduldsspiel werden. Während die Yachten zu ihren Kiel-Cup-Regatten früh Richtung Seebahn auf dem Stollergrund geschickt wurden und dort in Starkregen-Schauern auf eine segelbare Brise warteten, konnten sich die Aktiven in den Jollenklassen intensiv im Olympiahafen Schilksee im Wechselspiel von Sonne und Regen auf das Auslaufsignal vorbereiten. Wetter-Experte Dr. Meeno Schrader sah für den späten Nachmittag eine Chance auf ein segelbares Wetterfenster und behielt Recht. Immerhin die 29er mit drei Finalrennen zum Euro Cup, ILCA 6 und Waszp gingen noch mal aufs Wasser – bis weit nach 20 Uhr. Und die Seesegler schafften sogar das komplette vorgesehene Programm mit einer kurzen Up-and-Down-Wettfahrt und einem mittellangen Rennen um feste Seezeichen.
Die Favoriten sorgten im späten Licht des Tages für die Glanzpunkte. Bei den 29ern bleiben die Neuseeländer George Lee Rush/Sebastian Menzies souverän an der Spitze. Kieler Woche-Vorjahressieger Ole Schweckendiek verteidigte auf seinem Heimatrevier die ILCA-6-Führung, die er am Vortag ergattert hatte. Und weiterhin als schnellster Foiler ließ Paul Farien (ebenfalls Kiel) seine Waszp über den Kurs fliegen.
Bei den 29er klar vorn bleibt also „Günther“. Das Charterboot von Bootshändler Holger Jess aus Eckernförde bringt den Neuseeländern offenbar Glück. Zwar konnten sie ihre makellose Siegesserie aus der Vorrunde nicht fortsetzen. Ein dritter Platz und zwei weitere Siege ließ sie locker die Führung vor Carl Krause/Max Georgi (Rostock) und den Sach-Brüdern verteidigen.
Anton und Johann Sach, die Kieler Woche-Titelverteidiger, arbeiteten sich weiter nach vorn. Rang vier und zwei in den ersten beiden Finalläufen führte sie in der Gesamtwertung auf Rang drei. Der verpatzte dritte Lauf des Tages (Rang 25) ist für die beiden das Streichresultat. „Das war ärgerlich. Da sind wir schlecht gestartet. Daher heißt es morgen noch mal Angriff. Denn wir wollen versuchen, alles rauszuholen. Die Neuseeländer sind allerdings schwer zu kriegen. Die kommen mit den Bedingungen gut zurecht und sind vor allem Downwind sehr schnell“, so Johann Sach.
Nach seinem Start in die Serie mit einem vierten Platz hat Ole Schweckendiek in einen Rhythmus aus einem Wechsel von ersten und zweiten Plätzen (2, 1, 2, 1, 2, 1, 2) gefunden, der ihn vor dem Abschlusstag souverän auf Kurs Titelverteidigung steuern lässt. Die Rumänin Ebru Bolat ist nach ihrer Führung an Tag eins dagegen aus dem Tritt gekommen. „Ich hatte heute einen Plan, aber der ist nicht aufgegangen. In der schwarzen Wolke war anders als gedacht kein Wind, und dann konnte ich nicht mehr aufholen.“ Die 22-Jährige kämpft nun um einen Platz in den Top-Ten und eine gute Vorbereitung für die zweite Hälfte der Kieler Woche, wenn sie im Feld der olympischen Frauen-Disziplin starten will.
Für die Waszp wurde der späte Einsatz zu einem Ritt auf der schmalen Klinge, von der jeder schnell abrutschen konnte. Die Unterwasserflügel heben die „Wespen“ und ihre Piloten nur bei ausreichender Fahrt beständig aus dem Wasser. Die war aber bei den schwankenden Winden nicht immer garantiert. Und so ging der Sieg über die Fähigkeit, lang auf den Foils zu bleiben. Das beherrscht der Kieler Paul Farien perfekt. Der Vize-Europameister des vergangenen Jahres ließ in den Wettfahrten vier und fünf die Siege drei und vier folgen und führt das Feld der 16 Waszp vor dem finalen Tag klar an.
Wartezeit heißt Zeit für mentale Arbeit und Bootspflege. So nutzten die wartenden Segler die Chance zur Politur der Rümpfe, zum Check des Riggs und zu Kleinreparaturen. Durch den bisher leichten bis mäßigen Wind an den ersten drei Kieler-Woche-Tagen gebe es zwar keine Intensivarbeiten zu erledigen, hieß es aus dem Zelt des Kieler Woche-Servicepartners North Sails. Aber für aufgeschobene Reparaturen an Segeln und Trapezhosen sowie frisch einzuklebende Segelnummern waren doch einige Crews zur North-Pagode geschlendert.
Ansonsten gab es auf den Liegeplatz-Arealen viel Zeit für Smalltalk. „Wir sind tiefenentspannt, sitzen an unseren Booten und haben eine gute Zeit. Wenn es losgeht, geht es los. Wenn nicht, dann nicht“, genoss Folkeboot-Steuermann Ulf Kipcke die Zeit mit den Konkurrenten des Gold Cups. Für die Folkeboot-Flotte ging es schließlich nicht mehr los. Ihr Weg auf die Bahn Foxtrott wäre zu lang gewesen, um die kurze Zeit des guten Windes zu nutzen.
Die 2.4mR konnten sogar früh ihre Wartezeit beenden. Da sich die Inklusionsklasse ihre Bahn mit den Waszp teilt, war klar, dass an diesem Montag für sie kein zeitlicher Spielraum für Wettfahrten übrigblieb. Denn die Waszp mussten vorrangig behandelt werden, sie sind nach dem Sonntag ohne Rennen ohnehin schon in Verzug. So liefen die foilenden Skiffs kurz nach 17 Uhr gemeinsam mit den ILCA 6 und den 29ern aus. Die Rennen in allen weiteren Klassen wurden für den Montag abgesagt.
Der späte Start der beiden Nachwuchsklassen gab Hendrik Ismar die Chance, sehr fokussiert seine Schützlinge in den Blick zu nehmen. Der Bundesstützpunktleiter des Deutschen Segler-Verbandes in Kiel ist bereits in Vorbereitung für die Youth Worlds in Den Haag (8. bis 14. Juli). Und mit Ole Schweckendiek sowie Amaya Escudero jeweils im ILCA 6 und den Brüdern Anton und Johann Sach im 29er sieht er drei Medaillenkandidaten für das wichtigste Jugendevent des Jahres. „Im vergangenen Jahr gab es einmal Gold für Deutschland und 2019 zweimal Bronze. In diesem Jahr haben wir die Chance, in der Anzahl der Medaillen sogar noch besser abzuschneiden als 2019“, so Ismar.
Allerdings haben die Hoffnungsträger noch ein strammes Wettkampfprogramm zu absolvieren, bevor es in die Niederlande geht. Amaya Escudero startet auch noch im zweiten Teil der Kieler Woche im Elitefeld der ILCA-6-Frauen, Ole Schweckendiek und die Sach-Brüder schieben noch die Europameisterschaft vor der WM ein. Hendrik Ismar: „Die Regeneration ist dann schwierig. Sportfachlich ist die Belastung nicht optimal. Wir hoffen, dass die Sportler das gut verkraften. Der Fokus sollte auf der Jugend-WM liegen, denn sie gilt auch als Kaderkriterium für den NK2.“
Favoritensiege gab es auch auf der Seebahn. Die „Intermezzo“-Crew von Jens Kuphal (Berlin) bewies sowohl auf dem kurzen Up-and-Down-Rennen als auch beim „Round the cans“ um feste Seezeichen, dass sich die Modifikationen am Boot auszahlen. Mit einem Doppelsieg steht sie bei den großen Yachten vor Aalregatta-Sieger „Xenia“ (Ralf Lässig, Wulsdorf) auf Platz eins. Bei den kleineren Yachten bildet die „Halbtrocken“ von Knut Freudenberg (Flensburg) mit einem ersten und einem zweiten Platz die Spitze vor der „Sophus“ von Jochen Kunze (Langballigau).
Nach den Ausfällen am vorletzten Tag des ersten Kieler Woche-Teils wird es in allen Klassen (außer der Seebahn und 2.4mR) am Dienstag (21. Juni) eine Stunde früher, also um 10 Uhr, losgehen. Denn um 14 Uhr besteht die letzte Startmöglichkeit. Meeno Schrader macht Mut: „Wahrscheinlich setzt sich eine mäßige Westbrise durch, die hoffentlich nicht zu früh durch Thermik aufgehoben wird.“ Denn bis zu 15 Stunden Sonne soll es geben, und nachmittags dadurch dann einen typischen Sommerwind aus Ost.
Ergebnisse Kieler Woche 2022
Das Segelprogramm der Kieler Woche (18. – 26. Juni 2022)Dienstag, 20. Juni
10 Uhr
Letzter Wettfahrttag für Gold Cup Nordische Folkeboote, 29er Euro Cup (Live-TV), Contender, Europe, Flying Dutchman (FD), ILCA 4, ILCA 6 (offen), Waszp und OK-Jollen
11 Uhr
Kiel Cup der seegehenden Yachten
12 Uhr
2.4mR
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