49er Olympia Tag 4: Wie im Märchen – Bergmann/Wille segeln um eine Medaille

"Absolut verrückt"

Die jungen Hamburgerinnen Marla Bergmann und Hanna Wille haben schon einige Wunder vollbracht. Beim morgigen Medalrace können sie das nächste schaffen. Sie sind nahe dran.

Bergmann/Wille

Bergmann/Wille mit Helm am Dienstag. © Sailing Energy

Was für ein schwieriger Tag in Marseille. Stark drehende, oft leichte und unterschiedlich einsetzende Winde. Man musste gut starten und dann hellwach sein. Für die junge 49erFX Crew ging es mühsam los. Am Start von Rennen 10 halten sie sich erneut zurück. Der Frühstart vom vierten Lauf mag noch in den Köpfen sein. Eine weitere volle Punktzahl könnte den Einzug in das Medalrace kosten. Es gibt nur einen Streicher.

Sehr vorsichtiger Start in Rennen 10. Trotzdem behauptet GER mit die Lücke nach Lee, schiebt sich in die erste Reihe vor und kommt auf Platz drei in Luv an – auch im Ziel …

Aber das Duo nutzt den Platz nach Lee, beschleunigt stark und kann die freie Spur zur linken Seite halten. Es ist an diesem Tag die richtige Strategie. Von links kommt GER als Dritter an die Luvtonne. Schade nur, dass genau die beiden Teams vorne liegen, die in der Gesamtwertung noch erreichbar wären, Schweden und Norwegen.

Im nächsten Lauf funktioniert der Start besser. Die Hamburgerinnen setzen die Schwedinnen in Luv über ihnen unter Druck.

Deutlich bessere Startposition in Rennen 11…

…aber plötzlich bleiben sie in einer entscheidenden Phase fast stehen. Die Schweden überlaufen in Luv…

…GER muss wegwenden ist 14. an der Luvtonne und im Ziel.

Schade. Denn Schweden gewinnt das Rennen und auch Norwegen setzt sich mit Platz fünf nach vorne ab. Aber dahin schauen Bergmann/Wille nicht. Vielleicht wollen sie auch nicht wahrhaben, dass tatsächlich eine Medaille in Reichweite ist. Der Einzug in das Medalrace am Mittwoch wäre ein grandioser Erfolg.

Es muss sich im 12. Rennen entscheiden. Das gehen sie erneut sehr verhalten an. DEN rauscht in Luv drüber und ITA in Lee raus. Sie müssen wegwenden. der Weg zur starken linken Seite ist verbaut. In einem solchen Fall könnte man Panik bekommen. Wie gewonnen so zerronnen?

Im 12. Rennen sieht es auch nicht gut aus zu Beginn. Zu spät dran beim Start in der zweiten Reihe…

…Mit einer Wende raus aus den Abwinden…

…In der Mitte wieder zurück. Das sieht nicht gut aus…

Aber von wegen. Die Youngster lassen einen solchen Gedanken scheinbar nicht zu. Abgebrüht warten sie auf ihre Chance. Ob sie im Blick haben, dass in diesem Rennen alle ihre ärgsten Konkurrentinnen ebenfalls massive Probleme haben?

Sie wenden wieder. Hinter dem linken Pulk geht’s noch weiter raus auf die linke Seite. Der Anschluss zur vorderen Reihe gelingt. In Lee der Chinesinnen geht’s zur Luvtonne. Die Rundung erfolgt auf Platz 9. Die vier in der Gesamtwertung vor ihnen liegenden Top Teams belegen die Plätze 14, 15, 16, 18. Es geht nach vorne bis auf Platz 5. Den belegen sie nun auch in der Gesamtwertung.

Was für eine schöne Geschichte. Marla Bergmann (23) und Hanna Wille (22) stehen im olympischen Medalrace. Sie können es genießen. Sie haben nichts mehr zu verlieren. Wenn sie nicht Letzte werden ist Platz 7 sicher. Ein toller Erfolg.

Und es kann sogar weiter nach vorne gehen. Bronze liegt zehn Punkte entfernt. Wenn sie gewinnen, müssen die Schwedinnen mindestens fünfte werden, die Norwegerinnen vierte. Warum denn nicht? Der Wind soll wieder eher schwach wehen. Dabei waren die Skandinavierinnen bisher nicht so stark.

Der Traum lebt. Hanna Wille sagt: „Es ist absolut verrückt, wir sind sprachlos darüber im Medal Race zu sein. Es ist so viel mehr, als wir von diesem Event erwartet haben. Wir haben heute hart gekämpft und es ist einfach erstaunlich, dass wir bis zum Ende alles zusammenhalten konnten.“ Ihr Plan für das Medalrace? „Gewinnen!“

Meggendorfer/Spranger

Meggendorfer/Spranger bei vollem Druck. © Sailing Energy

Für ihre männlichen Teamkollegen lief es lange Zeit fast ebenso gut. Aber nun ist für Jakob Meggendorfer und Andreas Spranger die Olympiaregatta beendet. Nach Platz 7 im 10. Rennen waren sie noch für das Medalrace qualifiziert. Aber dann folgten die Plätze 17/14. Am Ende fehlen 15 Punkte zu Rang zehn.

Jakob Meggendorfer erklärt: „Wir waren die ersten zwei Tage sehr gut im Flow. Die letzten zwei Tage jetzt nicht mehr so gut. Die Woche ist nicht so gut zu Ende gegangen wie sie angefangen hat. Das Potenzial war da, wir hatten viele Chancen, aber wir konnten sie nicht ganz nutzen“.

Als Zwölfte können sie aber erhobenen Hauptes nachhause fahren. Sie haben gezeigt, dass ihre Last-Minute-Nominierung viel Sinn gemacht hat. Möglicherweise versteht man beim DOSB besser, dass beim Segeln Chancen entstehen können, die sich in anderen Sportarten nicht ergeben.

Vielleicht haben die Bayern mit ihrer starken Performance nachfolgenden deutschen Spitzenseglern einen Weg geebnet, nominiert zu werden, auch wenn man bei der Qualifikation auf der Kippe steht. Vielleicht kann Julia Büsselberg ab morgen im ILCA6 weitere Argumente liefern.

How to follow

Hier hat die ARD den Livestream verlinkt, hier fasst das ZDF die Übertragungen zusammen. Die Rennen können dann später auch im Rückblick in den jeweiligen Mediatheken gesehen werden.

Ergebnisse Olympische Segelregatten 2024

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

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