America’s Cup: Briten knapp vorbei und doch daneben – Team New Zealand führt 4:0

Im richtigen Moment am Rad drehen

Endlich einen Start klar gewonnen, endlich auf der Kreuz vorne gelegen, Ben Ainslie hat den Ärger des Vortages und den Penalty bestens verarbeitet. Die Briten scheinen zurückschlagen zu können. Aber am Ende reicht es dann doch wieder nicht. Wo das Problem liegt.

Peter Burling mag 4:0 in Führung liegen, aber seine Stimmung scheint sich in dem Ergebnis nicht widerzuspiegeln. Er hat einfach keine Lust, sich den bohrenden Fragen der Pressemeute zu stellen. Oder er weiß inzwischen, dass er so wirkt – auch wenn er sich Mühe gibt. Er verschränkt die Arme, spricht, sagt aber wenig. Wenn ihm ein Gefühl rausrutscht, dann dieses Signature-Lachen – ein typisches zweimaliges Meckern. Er fühlt sich nicht richtig wohl. Was wollen die Menschen alle von ihm?

Peter Burling © ETNZ

Draußen auf dem Wasser, da ist sein Spielfeld, sein Job. Da funktioniert er perfekt. So wie wieder einmal an diesem heutigen Tag. Er muss nicht viel reden, nur im richtigen Moment am Rad drehen. Mit dem richtigen Gefühl. Warum den Alleinunterhalter spielen? Das können andere besser. Wie sein neuer Kollege Nathan Outteridge. Der glänzt auch am Mikro. Ebenso „best buddy“ und 49er-Partner Blair Tuke.

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Ben Ainslie war auch einmal so wie Burling. Er bekam die Zähne nicht auseinander, war schüchtern, abweisend, unsicher, wenn er etwas über seinen Sport erzählen sollte. Er hat an dieser Schwäche gearbeitet. Wie an seiner Fitness- oder einem Höhe-Problem beim Amwindsegeln. Ohne Fortschritte auf diesem Gebiet, hätte er nie das Standing erreicht, das ihm nun schon drei America’s Cups unter eigener Regie beschert hat, ein riesiges Budget und ein ordentliches Auskommen.

© Susanne Sgrazzutti 

Burling braucht dafür vielleicht noch ein wenig Zeit. Vielleicht sind es die 14 Jahre Altersunterschied. Im Moment genügt es aber auch einfach, den Job auf dem Wasser zu machen. Nicht viel reden, einfach gewinnen. Wichtig is‘ auf’m Platz. Zwischen den Boundaries liefert Burling gerade beeindruckend beständig auf höchstem Niveau ab.

Neue Startvariante von Ainslie: Großer Abstand nach Lee mit einem weiten Schlenker nach Luv von wo aus die Beschleunigung gelingt. © Ian Roman / America’s Cup

Dabei sind die Neuseeländer in diesem vierten Rennen so gefordert, wie nie. Das Duell zwischen INEOS Britannia und Team New Zealand wird immer knapper. Diesmal liegen die Briten früh vorne. Bei 8-12 Knoten Wind aus nordöstlicher Richtung zeigen Ainslie und Co die erwartete Reaktion nach den schmerzenden drei Niederlagen…

NZL bremst mit beiden Foils im Wasser Zeit von der Uhr und erwartet, dass sich GBR davor legt…
…Aber GBR hat etwas anderes vor. Sie drehen hoch in eine Wende…
…und positionieren sich weit in Luv von NZL. Die Position wäre gefährlich, wenn NZL die rechte Anliegelinie zum Start treffen würde. Dafür liegen sie aber zu weit in Lee…
…GBR kann den Luv-Abstand in Geschwindigkeit umsetzen und länger raumschots segeln. NZL fehlt dafür der Platz nach Lee…
…Beim Start ist GBR fast drei Knoten schneller…
…Daraus entwickelt sich ein Vorsprung bis zur Boundary…
…GBR gelingt eine perfekte Leewende…
…NZL wird zum Wegwenden gezwungen. Der Platz zur Spielfeldgrenze reicht kaum aus, um zu beschleunigen. Zwei Downspeed-Tacks sollten einen großen Nachteil für NZL bedeuten…
…Aber der Vorsprung von GBR ist trotz zweier gesparter Wenden nicht so groß, wie erwartet. Erstaunlich, wie sich NZL aus dieser Situation gerettet hat…
…Der zweite Cross geht nur knapp zu Gunsten von GBR aus. Ainslie versucht noch einen Schlenker nach Lee (Dial Down) um den Gegner etwas abzubremsen, das klappt aber nicht. NZL beschleunigt perfekt beim Abfallen und ist 4 Knoten schneller…
…Der Speedüberschuss verwandelt sich schnell in einer Führung von NZL…
…Nachdem beide Boote gewendet haben, kommt GBR ohne Wegerecht schon nicht mehr klar vor NZL durch…
…GBR setzt zum Ausweichen hinter dem Heck an…
…aber NZL gelingt die perfekte Leewende genau auf der Layline zum Luvtor…
…GBR wendet sofort zur gegenüberliegenden Marke. Beide Boote liegen gleichauf…
…Die linke Seite scheint vom stärkeren Wind bevorteilt…
…Beim Vorwindcross hat NZL Vorfahrt. GBR protestiert, wohl weil NZL den Kurs geändert haben soll. Das scheint aber nicht den Tatsachen zu entsprechen…
…Beim nächsten Cross liegt NZL nur knapp vorne, kann sich dadurch aber die Leetonnenrundung aussuchen…
…Dann verpatzt GBR die Rundung und ist fast 6 Knoten langsamer. Da hilft auch der stärkere Wind nicht…
…Beim nächsten Aufeinandertreffen liegt NZL auf der rechten Seite vorne…
…Nach dem klaren Cross kommt GBR nicht mehr heran.

Am Ende siegt Team New Zealand mit 23 Sekunden Vorsprung. Das ist nicht viel und deutet an, dass sich INEOS Britannia durchaus im Vergleich verbessert hat. Aber trotzdem steht es 0:4. So langsam verlieren die britischen Fans den Glauben, dass es noch zum Comeback kommen kann.

Ben Ainslie erklärt: „Es war ein gutes Rennen, ein guter Start, und wir haben die erste Kreuz gut hinbekommen. Aber sie sind einfach gut unterwegs, wirklich gut. Also müssen wir herausfinden, wie wir weitere Leistungssteigerungen erzielen können, um sie zu schlagen.“ Bleddyn Mon erklärt im SR-Interview, dass man durchaus eine Leistungssteigerung festgestellt habe. Beim Einsegeln etwa seien die schnellsten Wenden bisher gelungen.

Die Wenden waren zuletzt der große Unterschied zwischen den beiden Booten. Team New Zealand beschleunigt einfach schneller aus dem Manöver heraus auf dem neuen Bug. Die Daten von den letzten drei Rennen belegen allerdings, dass das Problem noch nicht behoben ist.

VMG Werte im vergleich Die VMG-Werte der Wenden im zweites Rennen.

Die VMG-Werte der Wenden im vierten Rennen.

Die Tabelle „Distance gained/lost“ weist nach wie vor eine Schere auf der rechten Seite auf. Im Schnitt scheinen die Briten pro Wende gut 25 Meter zu verlieren. So sind diese engen Rennen nicht umzudrehen. Nun dürften am Dienstag, an dem keine Rennen stattfinden, die Drähte zum Formel1-Stützpunkt in Brackley bei London heißlaufen. Vielleicht findet sich noch ein Weg, die Performance zu verbessern.

Die erste Leewende gelingt Ainslie perfekt. TNZ muss sofort wegwenden. © Ian Roman / America’s Cup

Ansonsten sieht es düster aus. Ben Ainslie hat unter Druck einen perfekten Start abgeliefert. Aber nun zeigt sich, dass das allein nicht ausreicht. Eigentlich wäre für die Kiwis das Rennen in dem Moment verloren gewesen, als sie die Doppelwende auf der ersten Kreuz ausführen mussten. Das hätte für INEOS ausreichen sollen, um eine enge Deckung zu platzieren. Aber mit ein wenig mehr Speedgewinn in den Wenden haben sie sich aus der misslichen Lage befreit.

Richtige Entscheidung der Kiwis am Leetor. Sie wählen die rechte Kreuzseite. © Ian Roman / America’s Cup

Nathan Outteridge bemüht sich allerdings, dem Gegner nicht zu viel Hoffnung zu machen. Auch die Neuseeländer werden die Hände nicht in den Schoß legen. „Ich denke, wir haben mit der Leistung des Bootes wieder einen Schritt nach vorne gemacht und segeln insbesondere am Wind sehr gut. Damit sind wir natürlich sehr zufrieden, aber es kommt noch viel mehr.“

Die Übertragung

ServusTV undServusTV On zeigen das Match Race um den 37. America’s Cup (12.–27.10.), an allen Renntagen jeweils live ab 14 Uhr. Am Dienstag wird nicht gesegelt. Für Mittwoch sind zwei Rennen geplant. Dabei wird ein stärkerer Wellengang erwartet. Es wäre eine neue Spielart, in der sich beide Designs neu beweisen müssen.

  • Moderation vor Ort:Christian Baier/Nicole Oberlechner und Olympia-Bronzemedaille-Gewinner Tom Zajac
  • Kommentatoren: Doppel-Olympiasieger Roman Hagara und Gerhard Leinauer

Die Wettervorhersage für Mittwoch: 11–16 Knoten aus Süd. Für Sonntag sind 8 – 10 Knoten aus Ost in Aussicht gestellt. Montag und Dienstag sind Reservetage. An diesem Wochenende kann also schon eine Vorentscheidung fallen.

3 Antworten zu „America’s Cup: Briten knapp vorbei und doch daneben – Team New Zealand führt 4:0“

  1. PL_drschumi

    sagt:

    Nix für ungut aber vielleicht solltet Ihr eine korrekte Quellenangabe zu den Manöver Grafiken machen? Die stammen nämlich von einem User im Sailing Anarchy Forum, wenn ich das richtig sehe?

  2. bix

    sagt:

    Sehr gute Doku Carsten. Insgesamt gesehen eine niederschmetternde Performance des englischen Teams! Sie werden ja richtig vorgeführt. Maritime Grüße. Bix

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    1. Christian

      sagt:

      Vorgeführt sieht aber anders aus. Es ist auf der entscheidenden ersten Kreuz immer sehr eng. Danach ist das führende Boot stark bevorteilt, weil die Abwinde sehr große Auswirkungen haben. Auch Downwind übrigens, das ist anders als beim klassischen Segeln.
      Anyway, die Kiwis segeln sehr smart, der Sieg wäre wahrlich verdient.

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