America’s Cup: Hatte Oracle doch kein Stabilität-System?

Gangschaltung statt Computer

Der renommierte britische Segeljournalist Matthew Sheahan glaubt nicht daran, dass dem Oracle Katamaran von einem Stability Augmentation System (SAS) auf die Flügel geholfen wurde. Er fand andere Verbesserungen.

America's Cup

Der Oracle Triumpf. Mit einem schnellen Boot fiel der Sieg leichter. © Jens Hoyer

Sheahan recherchierte nach den Cup-Rennen vor Ort für die Zeitschrift Yachting World und erfuhr von einer Art mechanischer Gangschaltung, mit der die Tragflächen in verschiedenen Winkeln angestellt werden konnten.

Viel mehr Gewicht misst der langjährige AC-Berichterstatter der Modifikation der Ruderflügel bei. Die hätten zu Beginn stark unter dem Phänomen der Kavitation gelitten. Die tritt ein, wenn der Wasserdruck unter den Dampfdruck des Wassers sinkt. Dann entstehen Dampf- oder Gasblasen, die plötzlich kollabieren und zu Strömungsabrissen und höherem Widerstand führen.

Die Oracle Ingenieure hätten dieses Problem erst während der Rennen besser in den Griff bekommen. Sie sollen eine Hohlkehle sowie einen kleinen Wulst angebracht haben. Der verringerte Widerstand sei für einen besseren Gesamttrimm des Bootes verantwortlich gewesen sein, so dass auch der Anstellwinkel der Hauptschwerter und damit die Reibung im Wasser signifikant vermindert werden konnte.

Asymmetrisches Setup

Außerdem soll eine Art Spoiler am Heck gute Dienste geleistet haben. Aber besonders das konsequent asymmetrische Setup sorgte für Speedverbesserungen. Da der Wind jeweils etwas weiter von links über den Parcours wehte, wurde jeweils eine längere Strecke mit Wind von Backbord gesegelt.

Der Winkel des Steuerbord-Schwertes soll stärker angestellt worden sein, um auf diesem Bug eher in den Foil Modus zu kommen. Damit soll das überlegene Verhalten des Oracle Kats im 18 Rennen erklärt werden (Video-Sequenz), als die Kiwis dem Gegner bei ihrer Leewende zu viel Raum ließen und überholt wurden.

Als weitere Verbesserungen nennt Sheahan eine verbesserte Balance durch verstärkten Mastfall sowie einen verstärkten Twist im Flügelsegel sowie ein runderes Profil in der unteren Sektion.

Als generell großen Unterschied zwischen den beiden Kontrahenten gelten die kürzeren Tragflächen bei dem Oracle Boot. Die Foils der Amerikaner ragen ein Meter weniger tief in das Wasser. Das verringert den Widerstand, erhöht aber auch die Abdrift am Wind.

Übermenschliche Anstrengungen

Diese Sichtweise der Dinge deutet darauf hin, dass es eben nicht das eine System gab, das den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage beim 34. America’s Cup machte. Es würde den Leistungssprung des Oracle Teams schnell erklären. Aber so einfach ist es dann wohl doch nicht.

Genauso wenig wie die von James Spithill beschworenen übermenschlichen Anstrengungen den Unterschied zu einem Team ausmachen können, das genau so hart arbeitet, baut man mal eben an einem Ruhetag ein kompliziertes System ein, das ungetestet sofort funktioniert.

Vielmehr ist es dann doch wahrscheinlicher, dass die hochbezahlten Oracle Ingenieure während des Rennverlaufs auf kleinen Gebieten Fortschritte gemacht haben. Sei es jetzt wirklich das Kavitationsproblem am Ruder oder der Trimm des Flügels gewesen, die Summe macht den Fortschritt aus.

Unter dem Druck der drohenden Niederlage haben die Techniker für ihre Vorschläge eher ein Kopfnicken bekommen als zuvor. Kein Segler möchte während einer wichtigen Regatta Änderungen an seinem Sportgerät vornehmen. Aber diesmal war es sicher nötig. Es ist immer noch unfassbar, dass es schließlich doch noch für Oracle geklappt hat.

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

11 Kommentare zu „America’s Cup: Hatte Oracle doch kein Stabilität-System?“

  1. T.K. sagt:

    Nu legen wir mal schnell alle ein paar Euros aus der Portokasse zusammen und kaufen und einen der Oracle Kats. Dann können wir uns vergewissern was nu die ursache war.

    Hier der link zur ersten VK Anzeige des AC 72

    http://www.bnrwatersport.nl/index.php?option=com_content&view=article&id=98&Itemid=569&ObjectID=1231

  2. liebersegeln sagt:

    Ich halte es für unrealistisch, dass Oracle während der Finalrennen noch nennenswerte Entwicklungsarbeit geleistet hat. In diesem Bereich, in dem dort gesegelt wurde stoßen sämtliche Strömungssimulationsprogramme an ihre Grenzen. Um überhaupt verwertbare Ergebnisse zu erhalten benötigt man viel Zeit, zwei Wochen reichen dafür nicht (auch auf den größten Clustern in den USA nicht).
    Ich kann mir vorstellen, dass die Modifikationen vor dem ersten Rennen schon geplant waren nur die technische Umsetzung nicht mehr möglich war, sodass nach und nach die Veränderungen zwischen den Rennen durchgeführt wurden, bis man schließlich vom Material her den Neuseeländern überlegen war.

  3. Night Engineer sagt:

    Böse Oracles, Gute Kiwis… ??? Die Leistungssteigerung der Amis nach dem Flautenrennen ist schon auffallend…. Irgendwie müssen die Amis nen Schalter gefunden und umgelegt haben, der Ihnen den deutlichen Speedvorteil brachte…. Da sind der Spekulation doch Tür und Tor geöffnet worden.

    Klar eine Summe aus vielen Bausteinen ist nachvollziehbar. Oder doch ein Geniestreich, ein Wundergerät?
    Ich denke die Amis wußten sehr genau, was Ihr Boot schneller machte, nur hat man es sich wohl nicht getraut einzusetzen (Illegal, zu gefährlich). Nach dem Flautenrennen (vielleicht auch schon früher) müssen wohl die Hemmungen dann wohl doch gefallen sein.
    In einer solchen Situation (8:1) mit dem Rücken zur Wand, kommt es oft zu chaotischem Aktionismus. Nur der geht in der Regel eher nach hinten los. In solchen Sitationen ist es sehr schwer ein weiteres Planvolles vorgehen durchzusetzen. Ich kann mir die Meetings sehr gut vorstellen: Großese Stochern im Nebel. Sollen wir doch dieses oder besser jenes machen? Die einen werten noch Daten aus, und wollen nix sagen, die anderen dürcken auf Entscheidungen… Chaos halt. Wenn man Zeit hat, für Tests, ließe sich die Leistungssteigerung alles gut erklären. Hatten sie aber nicht. Also wird alles auf die eine oder anderen Karte gesetzt. Und dann hat durch Zufall alles gepasst ?
    Unverschämtes Glück… ??? Ich denke man wußte das die Änderung die gewünscht Leistungssteigerung bringen würde. Ob das dann illegal oder betrügerisch war ist eine ganz andere Frage? Könnte ja auch sein, das man aus Sicherheitsgründen eine bestimmte Technik nicht einsetzte? Damit sind die Diskussionen nicht mehr chaotisch, sondern drehen sich nur noch um das: Wollen wir? Die dann letztlich positiv beschieden wurde.

    Andere Frage, die bisher kaum angesprochen wurde: Warum haben sich die Kiwis so in Ihr Schicksal gefügt? Hatten SIe alles ausgereitzt? Kein Brikett mehr aufzulegen? Alles Pulver verschossen? Keine Idee mehr zu Verbesserung des Bootes gehabt? Oder einfach nur arrogant… „Wir sind schnell genug“????
    Warum fahren sie anfangs eine tolle Taktik, und dann auf einaml fahren sie einen Mist zusammen, machen Fehler? Einfach nur der Druck? Oder vielleicht doch absichtlich langsam gefahren? Ist die Leistungssteigerung der Amis gar nicht so groß?

    Da gibt es noch soooo viiiieeeellleee ungestellte Fragen mit noch viel mehr fehlenden Antworten…!

    Es lebe die Verschwörungstheorie… ;-))

    • Alex sagt:

      Sie sind nicht von einem auf den anderen Tag schneller gewesen.
      Am Anfang der Aufholjagt nach der Pause waren sie meines Erachtens gleich schnell nur taktisch besser. Schneller wurden sie, gerade auf der Kreuz, erst in den letzten ca. 3 Rennen.

  4. dubblebubble sagt:

    So so, langsam wird sogar bei SR zurückgerudert. Habe eigentlich eher auf einen Artikel gewartet in dem die Heiligsprechung von Team NZ oder besser eines jeden Neuseeländers vorgeschlagen wird. Bei den vor Liebe blinden NZ-Fans allerdings wird wohl trotzdem weiter die Mär vom bösen Egoisten und Betrüger Ellison und seinen skrupellosen Söldnern vorherrschen.

    • ac pro sagt:

      Na ja, ist das nicht ein wenig übertrieben. Ich glaube die Story „Mini-Insel am andern Ende der Welt schlägt einen Multimilliardär“ ist einfach sehr sympathisch oder?

      Und die Aufholjagt mit dem tragischen Ende für ETNZ ist für die Medien (auch Segelreporter) ein gefundenes Fressen (durchaus im possitiven Sinne). Polarisierende Aussagen gehören da einfach dazu.

  5. Ketzer sagt:

    Meint er bei den Ruder Kavitation oder Ventilation? Wird von Laien schnell durcheinander gebracht.

    Ich hätte dann aber doch gerne eine Eklärung dafür, wie die Amis am Wind mit tief getauchtem Flügel ohne aktiver Steuerung stabil fliegen können. Entweder das geht durch eine aktive Regelung, oder der schräggestellte Flügel muß sich der Oberfläche annähern und sich infolge der Auftriebsreduktion regeln.

    • liebersegeln sagt:

      Der meint schon Kavitation! Also das bilden von Wasserdampf auf der Unterdruckseite des Profils, es reduziert in der Regel den Wirkungsgrad des Ruders und kann Schäden am Material verursachen, wenn die Dampfblasen wieder zusammen fallen (also noch auf Ruderhöhe). Letzteres dürfte bei den kurzen Rudern kein Problem sein.

  6. Drahtzieher sagt:

    Jetzt wissen wir auch, warum „die Teams“ (vielleicht war es auch nur Oracle alleine) dem alternativen Rennkurs nicht zugestimmt hatten als der Wind aus der „falschen“ Richtung wehte. Dann hätte das asymmetrische Setup nicht mehr gepasst.

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