America’s Cup: Oracle schafft das unglaubliche Comeback – Endresultat: 9:8

Große Gefühle

In der Strömung überschlagen

Oracle war sichtlich angeschlagen. Eine Kenterung im Oktober 2012 hatte das Team offensichtlich weiter zurückgeworfen, als vermutet worden war. Das Schiff hatte sich in der wirbelnden Strömung unter der Golden Gate Bridge überschlagen und war fast vollständig zerstört worden. Bei der Reparatur ging wichtige Segelzeit verloren, die für Testfahrten und Entwicklung fehlte.

Das US-Team verlor Rennen um Rennen. Auch Fehler des amerikanischen Taktikers John Kostecki schienen ein Grund zu sein. Er wurde gegen den britischen vierfach Olympiasieger Ben Ainslie ausgetauscht. Eine hektische Last-Minute-Entscheidung, so schien es. Der Anfang vom Ende. Ainslie war noch nie als Taktiker gesegelt. Prompt verlor Oracle zwei weitere Rennen und lag mit 0:6 hinten.

Dean Barker

Dean Barker kann die Tränen nicht zurückhalten. © ACEA/Abner Kingman

Auch weil der australische Steuermann Spithill seinen Teil beitrug, indem er einige Starts verhaute. Aber Tag für Tag beharrte der Skipper auf seiner Aussage, dass man das alles noch aufholen könnte. Es sei doch erst zuende, wenn das letzte Rennen verloren sei. Durchhalteparolen.

Doch plötzlich begann das US-Team zu gewinnen. Das Schiff wurde schneller. Die schlauen Köpfe der US-Designabteilung schienen endlich die richtigen Antworten auf die bohrenden Fragen der Segler zu finden. Warum wenden wir so langsam? Warum passt die Geschwindigkeit am Wind nicht? Die neuen Konstruktionsregeln für die Katamarane ließen viel Raum für Verbesserungen. In vielen Bereichen betraten die Ingenieure Neuland.

Ainslies Comeback-Fähigkeiten

Die Neuseeländer begannen taktische Fehler zu machen. Die Präsenz von Ben Ainslie schien einen Effekt zu haben. Man erinnerte sich der besonderen Comeback-Fähigkeiten des Briten. Zwei olympische Goldmedaillen hatte er nach schier aussichtslosem Rückstand noch gewonnen. Und beim Stand vom 1:8 wurde er immer besser in der Arbeitsteilung und Entscheidungsfindung mit dem aktuellen australischen Laser Goldmedaillengewinner Tom Slingsby.

Aber diese Verbesserungen halfen nicht, als das Team New Zealand im zwölften Rennen bei wenig Wind den uneinholbaren Vorsprung von gut einem Kilometer heraussegelte. Das Moderatoren Duo im neuseeländischen Fernsehen rief schon zur Jubelstunde für den neuen America’s Cup Sieger auf. Der Matchball würde klar verwandelt werden. Bis ihnen klar wurde, dass es ein Zeitlimit von 40 Minuten gibt, in denen ein Cuprennen beendet sein muss. Die Kiwis überschritten es um die Nichtigkeit von drei Minuten. Das Rennen wurde nicht gewertet.

Dean Barker

Dean Barker wird von seiner Frau Mandy getröstet. © ACEA/Gilles Martin-Raget

Zwei weitere Duelle mussten Rennen wegen zu starken Windes abgebrochen werden. Beide Male lagen die Neuseeländer vorne. So langsam mochte sich die Mähr von der sich selbst erfüllenden Prophezeiung in den Köpfen festsetzen. Soll es vielleicht einfach nicht sein? Hat der Segelgott etwas gegen den Kiwi-Sieg? Der Druck wuchs beständig. Die ganze Nation saß Downunder morgens vor den Fernsehern. Niemand ging zur Arbeit, bevor die Rennen des Heimteams nicht beendet waren.

Oracle war im Unterschied zu den ersten Rennen auf dem Wasser längst ein ebenbürtiger Gegner. Seglerische Fehlentscheidungen häuften sich bei den Neuseeländern. Steuermann Dean Barker verlor plötzlich Starts, die er sonst gewonnen hatte. Taktiker Ray Davies unterliefen ungewohnte Fehler. Das Drama nahm seinen Lauf.

Den Code geknackt

Aber erst im vorletzten Duell wurde endgültig klar, dass die Oracle Designer den Code zum Geheimnis für mehr Speed geknackt haben. „Sie segelten 1,5 Minuten schneller auf dem Amwindkurs im Vergleich zur ersten Woche“, sagt Kiwi Teamchef Grant Dalton. „Sie hatten einfach mehr Sprit im Tank.“

Was technisch genau den Unterschied ausgemacht hat, wollte Larry Ellison selbst auf der Abschluss-Pressekonferenz nicht sagen. Sein Skipper Spithill bekundet, dass sich das Team auf jedem Gebiet ein wenig verbessert hätte. So hob sich das US-Schiff zuletzt nicht nur beim Vorwindkurs auf die Tragflächen, sondern auch beim Kreuzen gegen den Wind. „Wir haben gelernt, das Schiff besser zu segeln“, sagt Spithill. Es gibt aber auch Gerüchte, dass neu konstruierte Tragflächen, die ausgerechnet von einem Lieferanten in Neuseeland stammen, zum neuen Turbo-Boost geführt haben könnten.

Sicher ist, dass die Kiwis im letzten Rennen keine Chance mehr hatten. Sie behaupteten ihren Vorteil beim Start, lagen an den ersten beiden Wendetonnen vorne, mussten sich dann aber ohne große taktische Schnitzer überlaufen lassen. (Der Spiegel Online live Ticker von SegelReporter)

Grant Daltons Abschied

Das große Wunder ist ausgeblieben, die Neuseeländer erlebten eine große Enttäuschung. Skipper Dean Barker konnte seine Tränen nicht unterdrücken, Teamchef Grant Dalton kündigte seinen Abschied an und er hatte auch zuvor schon das mögliche Ende seines Teams im Falle einer Niederlage vorhergesagt. Noch einmal könne sein kleines Land einen solchen finanziellen Kraftakt nicht stemmen.

Aber der nächste America’s Cup soll deutlich günstiger werden. Das versprach Larry Ellison noch einmal in aller Öffentlichkeit. Deshalb wird vermutet, dass die riesigen Katamarane ins Museum wandern. Russell Coutts, der CEO des Oracle Rennstalls, hatte schon geäußert, dass er sich den Cup auch mit 45 Fuß Katamaranen auf Tragflächen vorstellen kann. Viel wird auch über die Einführung einer Nationalitäten Regel gesprochen, der zufolge zumindest ein Teil der Crew aus dem Land stammen muss, für das es startet.

Larry Ellison hat wieder einmal ein weißes Blatt Papier vor sich liegen, auf dem er eine neue Vision von der Zukunft des Segelsports skizzieren kann. Beim letzten Mal hat es ihm niemand geglaubt. Milliardären traut man nicht. Aber nun ist er überzeugt: „Diese Regatta hat das Segeln für immer verändert. Mehr Menschen haben das erste Rennen dieses America’s Cups gesehen als alle Rennen zusammen in der Geschichte des America’s Cups. Ich denke, dass das ein Erfolg ist.“

America’s Cup Abschluss-Pressekonferenz mit Larry Ellison:  [media id=1128 width=640 height=390]

 Dean Barker und Grant Dalton beim Interview am Steg:

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

82 Kommentare zu „America’s Cup: Oracle schafft das unglaubliche Comeback – Endresultat: 9:8“

  1. JP sagt:

    Dean Barkers Gänsehaut-Blog von heute morgen: „its over“
    http://www.kiwiyachting.co.nz/dean-barkers-blog/its-over
    So traurig. So groß.

    What a man. Hope to see you back soon!

  2. Ballbreaker sagt:

    Woher auf einmal die 5 kt mehr Speed von Oracle herkommen ist jedoch wirklich eine Frage wert.

    Das die Amis absichtlich irgendwelche Rennen verloren haben oder bewusst langsamer gesegelt sind, kann ich nicht glauben. Dafür ist das Risiko generell beim Segeln, dass das andere Team doch mal mit einem Glücksschlag durchrutscht und den Sack zu macht, zu hoch.

    Somit bleibt eigentlich nur die Erklärung, dass das Boot anhand der gewonnenen Erkenntnisse wirklich vom Shore-Team permanent nachts optimiert, umgebaut und weiterentwickelt wurde. Und das geht nur mit Geld, VIEL Geld!

    Geld was Neuseeland nicht hatte! Ich glaube durchaus, dass auch die Kiwis die eine oder andere Optimierungsmöglichkeit am eigenen Boot gesehen haben, diese in der Kürze der Zeit und wegen des dafür benötigten finanziellen Volumens aber nicht mehr haben umsetzen können.

    Geld schießt halt doch Tore……..

  3. Poet sagt:

    After all is said and done, what remains is a very true word:

    „Just sail the boat, mate“.

    (Quoted from: Ben Ainslie, AC 2013)

  4. Trostspender sagt:

    Also, ich sag mir jetzt einfach: Die Aussis haben zum zweiten Mal den Cup geholt. Egal wo er jetzt steht! Und schon geht’s mir besser 😉

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