Meinung America’s Cup Taktik: War Ben Ainslie besser als John Kostecki?

Strategie-Probleme

Am Ruhetag des America’s Cups wird in San Francisco  immer noch viel über die Leistung von Taktiker Ben Ainslie im sechsten Rennen diskutiert. Hätte er verhindern können, dass die Neuseeländer vorbei rauschen? Wäre es besser gewesen, den Neuseeländern nicht die rechte Seite am Leetor zu überlassen?

Oracle Strategie-Besprechung vor dem sechsten Rennen. Mit dabei Coach Philippe Presti (l.) und ex Alinghi Navigator Juan Vila (o.l.). neben Ben Ainslie. © ACEA / RICARDO PINTO

Oracle Strategie-Besprechung vor dem sechsten Rennen. Mit dabei Coach Philippe Presti (l.) und ex Alinghi Navigator Juan Vila (o.l.). neben Ben Ainslie. © ACEA / RICARDO PINTO

Ich weiß, dass Beobachter von Match Races gerne von einem klaren Fehler sprechen, wenn das führende Boot den Verfolger alleine lässt und ihn nicht deckt, also mit seinem Windschatten ausbremst. Aber so einfach ist es eben nicht.

Eine enge Deckung funktioniert nur dann, wenn das voraus segelnde Boot auch in einem Wende oder Halsenduell bestehen kann. Denn immer wenn das voraus segelnde Boot Windschatten spenden will, wird sich der Gegner mit einem Manöver lösen, Meter um Meter gewinnen und schließlich vorbei segeln.

Schwierige Verteidigung

In dieser Situation, die beim Match Race auch entsteht, wenn eine Crew zum Beispiel körperlich stärker ist und die Segel schneller dicht holt, oder mehr Gewicht auf die Kante bringt, macht es wenig Sinn, ein Wendeduell anzunehmen. Genauso schwierig ist die Verteidigung bei stark drehendem Wind.

Das Oracle Team ist in der schwierigen Lage, dass sein Boot deutlich schwächer wendet. Deshalb wird es in einem engen Zweikampf unterliegen. Das hat Rennen drei gezeigt. Der Sieg in Rennen vier kam dadurch zustande, dass Kostecki ab Mitte der Kreuz keine enge Deckung mehr wählte sondern primär die optimale Strömungs und Wind-Strategie für den Kurs wählte.

Verpatzte Halsen

Für meinen Geschmack zirkelte Ainslie eine starke erste Vorwindstrecke auf den Parcours. Zweimal geriet er mächtig unter Druck, als die Halsen völlig misslangen. Bei der ersten Halse gingen gleich 80 Meter Vorsprung verloren und die Kiwis rauschten fast drüber.

Auch bei der zweiten Halse verlor Oracle gut vier Knoten Speed zum Gegner als die Rümpfe ins Wasser platschten. Bei dem leichteren Wind klappten die Foil-Halsen der Kiwis deutlich besser. Sie rauschten bis auf fast eine Bootslänge heran, aber Ainslie platzierte sich so perfekt vor dem Gegner, dass er sie genau in der Abdeckung hatte. Der Vorsprung wuchs von 37 auf 83 Meter.

Die Kiwis halsten erneut und da lag die Entscheidung nahe, nicht wieder das Risiko einer verpatzten Halse einzugehen sondern den Vorteil zu nutzen, ein Manöver weniger auszuführen. Der Plan schien aufzugehen, denn der Vorsprung am Leetor betrug 115 Meter. Das sollte reichen, um den ersten Cross auf der Kreuz für sich zu entscheiden.

Der Alcatraz Kegel

Die linke Seite würde zwar am Anfang durch die etwas stärkere Strömung etwas ungüstiger ausfallen, aber der Effekt ist in diesem Bereich noch nicht so stark. Ainslie wählte die Wende exakt so, dass er perfekt auf den strömungsbegünstigten Alcatraz Kegel zuhielt.

Aber dann diese Wende. Der Speed sackte auf 7,8 Knoten ab, war also immer noch schneller als im fünften Lauf die verpatzte Foiling-Wende am Leetor. Aber die Neuseeländer auf der rechten Seite gingen fast drei Knoten schneller durch die Wende. Da kann auch der beste Taktiker nichts machen.

Mit der linken Seite des Tores hätte Ainslie erst zum Schluss nahe der Spiefeldgrenze bei der direkten Ansteuerung von Alcatraz ordentlich gepunktet. Aber jetzt kam er trotz eines komfortablen Vorsprungs ganz knapp nicht vor den Neuseeländern vorbei.

Auch die Kiwis segeln langsame Wenden. Hier sackt der Speed auf 6,4 Knoten ab und die Führung geht verloren.

Auch die Kiwis segeln langsame Wenden. Hier sackt der Speed auf 6,4 Knoten ab und die Führung geht verloren.

Wie gut die Positionierung für Oracle im strömungsbegünstigten Kegel eigentlich war, zeigte sich nach dem Ausweichen hinter dem Kiwi Heck. Rechts gingen sie wieder in Führung. Im Übrigen auch, weil bei den Kiwis nicht alles Gold ist, was glänzt. Bei der zweiten Wende sackte ihr Speed gleich auf 6,4 Knoten ab im Vergleich zu den 8,0 von Oracle.

Oracle-Sieg war möglich

Auch deshalb waren die Amis plötzlich wieder vorne. Aber der Höhenverlust durch das Abfallen hinter den Kiweis ließ ihn die Parcours-Grenze früher erreichen, als geplant. Der bessere Strömungseffekt konnte nicht so lange wirken wie gedacht.

Ich glaube, wenn Oracle diesen knappen ersten Cross für sich entschieden hätte, wäre ein so großer Vorsprung dabei herausgekommen, dass es für den Rennsieg gereicht hätte. Die Chancen waren so wohl größer, als wenn Ainslie auf klassische Weise die rechte Seite des Parcours abgesichert hätte.

Aber wer weiß das schon. Das alles sind Mutmaßungen. Fest steht, dass Ainslie und auch Kostecki zu den besten Seglern der Welt gehören. Sie mögen auch Fehler machen. Die gehören zum Segelsport dazu. Aber bei diesem Cup-Duell entstehen sie primär dadurch, dass Oracle das langsamer manövrierende Boot ist. Der Taktiker muss gößere Risiken eingehen, um sich einen Vorteil zu erarbeiten. Die unterschiedlichen Speed-Vorgaben machen es dabei ungeheuer schwierig, die nächsten Schachzüge vorauszuberechnen.

Durch diese Konstellation bleibt das Duell allerdings nach wie vor spannend. Oracle kann durchaus noch ein Rennen gewinnen, auch wenn die Polardiagramme von Cup-Info die Unterschiede der beiden Boote noch einmal klar zeigen. Wenn Spithill aber wieder einmal ein Start gelingt, könnte es klappen. Es wäre ja auch fies, wenn die Sieg-Bilanz am Ende 9:-1 heißen sollte. So ist noch kein Verteidiger untergegangen.

 

 

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

10 Kommentare zu „America’s Cup Taktik: War Ben Ainslie besser als John Kostecki?“

  1. Philson sagt:

    @Carsten: Interessant wäre es, wenn du mal darauf eingehst, wie die Amis das 3. Rennen gewinnen konnten.

  2. Wilfried sagt:

    Der Trugschluss ist das 115m ein wesentlicher Vorsprung auf nem Downwind sind. Letzlich zählen die Sekunden. Das bedeutet 115 m Downwind sind auf der Kreuz nur 60-70 m. Dann noch eine Extrawende (-30-50m) und keine Vorfahrt schon ist der Drops gelutscht. Ich glaube auch das die Angst vor ner Halse den split ausgelösst hat aber damit war auch verbunden dass sie falsch rum ums Leegate kamen und das war das entscheidende Problem.

    Ich möchte auch nicht auf der Kiste sitzen weil ETNZ die Jungs spätestens auf der Kreuz holt.

  3. pro ac sagt:

    Die Reduktion auf eine Disziplin (Segler, Konstruktion, Segelmacher…) funktioniert doch nie und nimmer. Ebenso die Schuldsuche bei einer Einzelperson.

    ENTZ hat das bessere Komplettpaket und somit (bisher) die bessere Teamleistung erbracht. Möglicherweise finden kreative Ideen mehr offene Ohren oder sonst was….

    Ein Grund kann aber ausgeschlossen werden: das Budget! Und das finde ich eine tolle Bestätigung für ETNZ und eigentlich für alle Segler oder 🙂

  4. Ballbreaker sagt:

    Irgendwann mal über Segeltaktik gelesen (Stuart H. Walker?):

    „It’s hard to look smart, when you’re slow!“

  5. Backe sagt:

    Carsten hat Recht, die Oracle-Taktiker haben nur einen sehr kleinen Spielraum. Weswegen ich glaube, dass das Thema inzwischen eigentlich abgefrühstückt sein sollte.
    Viel mehr Verantwortung liegt m.E. bei den Konstrukteuren, die einige Entwicklungen innerhalb diese zugegeben völlig neuen Form der Segelei falsch vorausgesehen haben. Stichworte sind: zu schmale Rümpfe, keine Selbstwendefock und auch das komplett hydraulische Schwertsysthem der Amis scheint anfälliger für Bedienfehler zu sein (Slingsby: „Shit, must have pushed the button …“) als das der Kiwis.

  6. thomas sagt:

    wie immer ein toller bericht !!!

    …. ich verstehe nur noch nicht den hintergrund des wechsels auf eine kleinere fock bei den amis – das erscheint mir segeltechnisch contraproduktiv besonders an der kreuz

    • andreas borrink sagt:

      Die Fock ist so ein Thema. Zum Anfahren, wenn sich die Strömung aufbaut und zum Wenden ist sie wichtig. Auf den schnellen Downwindkursen stört sie eigentlich nur, ich behaupte mal, da wären die Teile ohne Fock schneller.

      In Anbetracht der schlechten Wendeeigenschaften ist für Oracle, besonders bei leichtem Wind, wohl die größere Fock die bessere Wahl.

  7. Helmut Sprock sagt:

    Wenn die Summe aller schlechten Manöver den Ausschlag für den Erfolg von TENL gegeben haben soll, wird es dann TEUSA nicht Zeit für einen Tausch des Steuermanns?

  8. Stumpf sagt:

    Schöner Artikel.

  9. stefan sagt:

    „Es wäre ja auch fies, wenn die Sieg-Bilanz am Ende 9:-1 heißen sollte. So ist noch kein Verteidiger untergegangen.“

    …zwar waren bisher noch nie 9 Siege nötig, aber ein 0:4 (1987 Fremantle) oder 0:5 (1995 San Diego und 2003 Auckland) waren durchaus noch eindeutiger.

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