America’s Cup: Was die Leistung bei der World Series für die Favoriten-Rolle 2017 bedeutet

Der Heilige Gral

Was sagt die America’s Cup World Series über den Leistungsstand der Teams für 2017 aus? Hat der Ausgang der Rennserie überhaupt eine Bedeutung für Bermuda?

Die America’s Cup World Series wird von den Veranstaltern so hoch gespielt, als wenn man daraus schon Rückschlüsse auf den Ausgang der Cup Rennen in Bermuda ziehen könnte. Tatsächlich entfernt sich die Serie immer weiter von dem Segeln, das wir 2017 sehen werden.

Ben Ainslie

Ben Ainslie mit Steuerrad statt Pinne auf den AC45S. © Harry KH / Land Rover BAR

Das hat ganz besonders mit dem Sportgerät zu tun. Die World Series wird mit so genannten AC45F Katamaranen gesegelt. Dabei handelt es sich um die selben Boote, die schon bei der Vor-Regatta für 2013 benutzt wurden wie auch für den Youth Amerikas Cup. Der einzige Unterschied wird durch das F in der Bezeichnung deutlich. F steht für Foiling. Den Kat-Plattformen wurden Foils verpasst.

Ben Ainslie

So steuert Ainslie auf den AC45F wie im Finn. Ausreiten mit Pinnenausleger in der Hand. © Harry KH / Land Rover BAR

Mit L-Tragflächen an den Schwertern und T-Flügeln an den Rudern benötigen sie eine Bootsgeschwindigkeit von etwa 20 Knoten, um sich aus dem Wasser zu heben. Dann erreichen sie einen Speed von nahezu 40 Knoten.

Das funktioniert ausschließlich auf dem Raum und Vorwind-Kurs. Bei wenig Wind und auf der Kreuz segeln die Schiffe im Low-Ride-Modus, also immer mit dem Leerumpf im Wasser. Daraus ergibt sich auch die Taktik bei den World Series Rennen. Es geht überwiegend darum, die Manöver möglichst gering zu halten.

Die “Stellvertreter”-Foiler

Dagegen heißen die Trainingsboote, mit denen die Teams im Tagesbetrieb trainieren AC45S. Das S steht für Surrogate (Stellvertreter) und diese Katamarane sind schon sehr nahe dran an dem eigentlichen Cupper AC50, der erst nach Weihnachten 2016 gesegelt werden darf.

Land Rover BAR Team

Das Land Rover BAR Team beim Amwind-Ausreiten in klassischer Starboot-Haltung auf dem AC45F.© Harry KH / Land Rover BAR

Land Rover BAR Team

Das sechs-Mann-Team im AC45S steht und arbeitet in den Rümpfen. © Harry KH / Land Rover BAR

Die AC45S unterscheiden sich von ihren veralteten Vorgängern dadurch, dass zwei Grinder-Anlagen montiert sind. Die Boote werden von sechs statt fünf Seglern bedient, die die reiteh auch nicht außenbords aus, sondern ihr Arbeitsplatz ist windschnittig in den Rümpfen versteckt. Im Vergleich muss gut 50 Prozent der alten F-Version umgebaut werden, um daraus ein S zu machen.

Diese Boote heben sich dann schon ab zehn Knoten Wind auf die Tragflächen und schaffen das auch am Wind. Inzwischen gelingt es den Teams nicht nur vor dem Wind bei den Halsen auf den Foils zu bleiben, sondern auch bei den Wenden. Das ist der “Heilige Gral” sagt Dean Barker im Interview (oben). Der Sieg werde unter denjenigen Teams vergeben, die es schaffen, während des gesamten Rennens auf den Tragflächen zu bleiben.

Größere taktischen Optionen

Dadurch vergrößern sich die taktischen Optionen. Das Spiel ändert sich enorm. Winddrehungen können ausgesegelt  und mit Wenden oder Halsen genutzt werden. Im Zweikampf kann sich das verfolgende Boot schnell aus einer Abdeckung lösen.

Den AC45S gelingt das, weil sie technisch von den Design Teams im Rahmen der vorgegebenen Box Rule weiterentwickelt werden dürfen. Während Rümpfe, Plattform und Segelflügel einheitlich sein müssen, experimentieren die Konstrukteure nach Belieben mit den Tragflächen und ihren Kontrollsystemen. Auf diesem Gebiet wird schließlich der America’s Cup entschieden.

Dafür haben die meisten Teams jeweils schon die zweiten Entwicklungsstufe ihres Katamarans gezündet. Artemis, Oracle und Japan fliegen längst damit über die Cup-Gewässer in Bermuda. Das Land Rover BAR Team foilt und testet vor seiner Basis in Portsmouth.

Können die Briten auch Foil-Tacken?

Während Oracle und das Softbank Team Japan schon gezeigt haben, dass sie seit April die Foiling-Tack beherrschen, halten sich die Briten noch bedeckt. Auf Nachfrage von SR-Reporter Jörg Müller Dünow in Toulon war Jim Johnston von der Innovation-Abteilung bei Land Rover BAR nur ein wissendes Lächeln zu entlocken. Aber er bestätigt das Ziel: “Wir müssen das Boot unter allen Bedingungen und in allen Manövern auf den Foils halten.”

Dabei scheinen die Engländer nicht weit weg von dieser Vorgabe. CEO Martin Whitmark sagt selbstbewusst: “Wir sind hier um den Cup nach 1851 wieder auf die Insel zu holen. Unser Ziel ist es, den Seglern das schnellste Boot zu geben.”

Dabei setzt er auf die Unterstützung von Land Rover. Die Autobauer helfen mit ihrem Know How insbesondere bei der Entwicklung der Hydraulik-Anlagen, mit denen die Kraft der Grinder auf die Foil- und Segel-Wing-Bedienung umgeleitet wird. Die Fahrzeug-Spezialisten haben allein 350 Sensoren am Katamaran angebracht, um genau die Last-Spitzen erkennen und interpretieren zu können.

Die Bedeutung der Crew

So haben diese Boote sehr wenig mit den AC45F zu tun, die von den Teams bei der World Series gesegelt werden. Diese sind exakt gleich vermessen. Kein Team hat einen technischen Vorsprung. Aber gerade diese Tatsache kann später dann eben doch einen großen Einfluss auf die Bedeutung der Cup-Regatten haben.

Denn trotz großer Design-Investitionen gibt es schon jetzt Vermutungen, dass die Geschwindigkeit der Cupper 2017 sehr nahe beieinander liegen könnte. Und da auch der Rennkurs keine Einbahnstraßen-Regatta wie in San Francisco verspricht, sondern zahlreiche Windschwankungen erwartet werden, kommt der Crew eine größere Bedeutung zu als vielleicht in all den Jahren zuvor.

Dann führt der Sieg insbesondere um eine perfekte Kommunikation an Bord. Und die wird geschult bei Rennen wie der World Series. Wer hier vorne liegt, zeigt also, dass er ein funktionierendes Team zusammen hat. Und wenn die Techniker ihren Job ordentlich gemacht haben, könnten die taktischen Entscheidungen den Unterschied ausmachen. Der America’s Cup 2017 hat großes Potenzial zu einem der spannendsten überhaupt zu werden.

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Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

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