Zum Silverrudder 2018 waren nach knapp 28 Minuten 81 Teilnehmer in der kleinsten Klasse “Mini” gemeldet, zu dem wegen Sturm verschobenen Start am Samstag erschienen dann neun an der Linie und drei (!!!) beendeten das Einhand-Langstrecken-Martyrium.
Alleine diese drei Zahlen lassen jedem Regattaerfahrenen Segler Schauer über den Rücken laufen, was wohl da los war und das folgende stellt meine rein persönliche Erfahrung und Meinung dar.
Samstagmorgen um 8:15 uhr war er endlich da: Der seit zehn Monaten herbeigesehnte Start zu meinem 3. Silverrudder. Nach zwei Anläufen, in denen ich viele Führungsmeilen hatte, aber nur 4. und 2. Wurde, sollte es dieses Mal der große Wurf werden, und natürlich trotz aller äußeren Coolness „stand der Kessel mächtig unter Dampf“.
Die Seascape/Beneteau Werksmannschaft hatte neben Vorjahressieger Per Cederberg und mehrfach Runner-Up Bjarne Lorenzen noch Hochsee-Ass Phil Sharp einfliegen lassen.
Das kleine T-24 Team konnte dagegen nur Chef-Konstrukteur Thomas Wiberg aufbieten, der extra zwei Tage mit seinem Sohn Oskar, seines Zeichens Composit-Experte, gekommen war, um Jynx eigenhändig zu signieren , anzufeuern und mitzufiebern, aber das sollte sich auszahlen.
Ich möchte hier nicht kommentieren, ob der Upwind-Start in die schmale Brückendurchfahrt mit den dicken Betonpollern bei 25+ Knoten Wind richtig oder falsch war; meine Lösung für das Problem war als erster zu starten und mithilfe des Stroms mit einer Wende durchzukommen.
Aber alle, die in die Brückenpfeiler gekracht sind, müssen sich nach Studium der Videos fragen lassen, ob sie mit ein wenig Verlust an Distanz und weniger „mit dem Kopf durch die Wand“ die Schäden an Booten und Seele nicht hätten vermeiden können. Wie beim Skippers Meeting ausdrücklich gesagt, wird diese Regatta NICHT auf den ersten 500 Meter gewonnen, aber man kann sie mit Sicherheit dort verlieren.
Nach der Brücke kochte das Wasser aufgrund der Tatsache, dass hier der noch freier und stärker blasende Wind voll gegen den Strom stand, der uns mit zwei bis drei Knoten aus dem Sund katapultierte.
Segelgott Harry mit seiner wieder super eingestellten Platu 25 hatte aufgeschlossen und trieb mich in den ersten Fehler. Am Donnerstag hatte ich beim Training zwar den Sund hinter der Brücke noch wassertiefenmäßig vermessen, aber der Wasserstand war seitdem um mehr als einen halben Meter gefallen und so saß ich nach einer synchronen Deckungswende mit dem Honk-Treiber auf Schiet und bis ich frei war, hatte er 300 Meter Vorsprung rausgesegelt.
Da ich aber bereits in der ersten Wende meine Garmin Navigation mit der Fockschot vom Mast in den Svendborg Sund gerissen hatte, fand ich die Idee eines Pfadfinders vor mir gar nicht so schlecht, und verlegte mich auf die Position des abwartenden „Schakals“, während unser Zweikampf von einem dänischen Mini-Heizer mit wesentlich passender Segelgarderobe ergänzt wurde.
So trieben wir uns bis nach Flæskholm an und schenkten uns nichts, während der Wind bereits deutlich in Richtung 30 Knoten zugenommen und wir die Komfortzone bereits deutlich verlassen hatten – nach noch nicht einmal zehn von 134 Meilen.
Da ich ohne eine Ahnung um meine Position zu den Flachs unterwegs war, wurde jede Erinnerung an das letzte Jahr hervorgekramt, mit der Realität verglichen und eher „im Zweifel für die sichere Option“ entschieden. Und dann kam diese Inselchen, das letztes Jahr für die Vorentscheidung gesorgt hatte, da ein sehr weit vorgelagertes Flach frühzeitig nach Westen zu umfahren war.
Just dort sah ich Harald wie er von rechts kommend auf meine Layline wollte und mir schwante böses. Eine halbe Minute später lag die Honk, die in voller Fahrt mit reichlich Schräglage aufgelaufen sein musste, auf kaum mehr als einem Meter Wassertiefe bei einem Tiefgang von 1,65 Meter, sodass Teile der Kielfinne sichtbar wurden.
Da Wind und Seegang gegen ihn arbeiteten und ich ihn beim Segelbergen an Deck sah gab ich ein PANPAN Relay per VHF an die Dänische Marine weiter, die gerade von einer Übung an uns vorbei fuhren und wusste nach positiver Rückmeldung, dass Hilfe organisiert wurde.
Weiter kreuzend hinter Lyö, etwas unter Land nach Schutz suchend, passierte mich Wolfram Heibecks „Black Maggie“ mit atemberaubender Pace und scheinbar unter voller Kontrolle gegen Wind und See arbeitend. Wir hatten zwei Tage vorher noch bei ihm an Bord gefachsimpelt und grüßten einander per Winken, um uns gegenseitig anzufeuern. Eine Wende später sah ich aus kurzer Distanz das nächste große Drama, als sein Mast ansatzlos und ohne extra böeneinwirkung über die Leeseite ging.
Ich war schockiert, denn wenn schon bei jemandem, der so akribisch und detailverliebt in sein Boot ist, der Katastrophenfall eintritt, was würde da noch kommen?
Nachdem ich mich versichert hatte, dass er okay war und anfing sein Deck zu klarieren, versuchte ich weiter zu segeln, aber just da schlug Petrus nochmal in Form der bis dahin schlimmsten Windfront mit über 40 Knoten zu. Der Wind blies das Wasser waagerecht von den Wellenkämmen und die konfuse See begann sich, auf den Wellen zu brechen.
Ich hatte die vorletzte Reffstufe erreicht, indem die Fock komplett weggerollt war, und nur noch das bereits gereffte Groß übrig blieb.
Leider war damit das Anfahren nach einer Wende extrem erschwert und mehr als einmal verlor ich die Kontrolle und Jynx trieb ohne anliegende Strömung an den Anhängen einfach quer durchs Wasser. Dazu die Wellen mit kurzer Abfolge und wir waren im vollen Überlebensmodus, in dem das „nicht Überbordgehen“ Vorrang vor dem Boatspeed hatte…..
So ging es die nächsten zwei Stunden und da der dänische Mini mit Problemen inzwischen aufgegeben hatte, war ich als vermeintlich Führender, ohne den nächsten hinter mir auch nur sehen zu können, in Zwietracht mit dem inneren Schweinehund, der für die Nacht ein kuscheliges Schläfchen in Svendborg verlangte und dem Racer, der das Ding nach Hause bringen wollte. Das dauerte dann so lange, bis der rettende kleine Belt mit einer zu erwartenden Verschnaufpause und dem anschließenden Raumwindsegeln um den Rest Fynens näher war, als zurück nach Svendborg zu laufen. Da gab dann der kleine Köter auf, und als der Wind durch den Kurs raumer wurde durfte auch die Fock ihre Arbeit wieder aufnehmen.
Im Kleinen Belt fing es dann kräftig an, von vorne zu strömen und aus flotten sieben bis acht Knoten wurden ganz schnell drei bis vier über Grund und damit war der Silverrudder Rekord von gut 23 Stunden auch wieder ganz weit weg. Nach der Autobahnbrücke setzte ich dann den Killercode, um dem ganzen möglichst schnell ins offene Wasser hinter Fredericia zu entkommen, und später für den harten Downwinder nicht den Gennaker riskieren zu müssen. Leider hielt der Gegenstrom noch drei bis vier Meilen an und kostete weiter Zeit, denn selbst als die Logge bereit zweistellig war, zeigte das inzwischen aktivierte Backup-GPS nur sieben Knoten über Grund an.
Aber im offenen Kattegat nahmen Wind und Wellen wieder schnell zu, und die Rauschefahrt unter fast-Vollmond ging los. Hinter Aebelö waren wir dann bei knapp 30 Knoten wieder im roten Bereich, und die Rundung der mit Untiefen bestückten Ecke bei Fyns Hovet stand an.
Bei dem Gedanken mit über 15 Knoten Speed mit der Kielbombe einen Felsen Nachts um Ein Uhr zu treffen, und mit abgeschertem Kiel einen „Highsider“ mit anschließender Durchkenterung zu riskieren, wurde mir mehr als unwohl, aber aus meiner Position waren weder der Furler noch das Garmin GPS erreichbar, um die exakte Position zu checken.
Schon wieder ohne Optionen dem Boot ausgeliefert, und in akuter Gefahr, mehr als Material zu verlieren. Ich hasse das und versuche es deshalb zu 100 Prozent zu vermeiden. Nach dem dritten Abflug bei dem Versuch das Unkontrollierbare zu kontrollieren, und in der Reeling hängend um nicht als MOB in der Ostsee zu enden, brachte ich schließlich Jynx absichtlich in den Wind, um den wild schlagenden und sich selbst auflösenden Code der schon so viele Regatten entschieden hatte, zu einer Wurst zu rollen.
Gefühlte fünf Minuten gingen dabei wohl drauf, und danach lief die Hütte selbst unter Groß noch mehr als zwölf Knoten, aber immerhin konnte ich den Autopiloten einhaken und mich um die sichere Kurswahl kümmern.
Nach einem weiteren Stunt auf dem Vordeck ohne Bugkorb, um die „Wurst“ herunter zu bekommen, während der elektrische Kumpel „Piet“ das Boot auf Kurs hielt, hatte ich von nächtlichen Abenteuern zu nahe am Wasser vorerst die Schnauze voll und brachte Jynx auf Südkurs.
Nach einem Check der Zeit und der noch zu segelnden Distanz schien ein Rekord jedoch wieder machbar, wenn wir einen Schnitt von sieben Knoten die Ostküste runter schaffen würden, und da die Logge sogar zwischenzeitlich mehr als acht Knoten zeigte, siegte mal wieder das Teufelchen auf der Schulter.
Und so wurde die Fahrt zur Großen Beltbrücke in wundervoll gleißendem Mondlicht ein einziger Fitnesstest mit beinhartem Hiken im Gurt über der Kante und direktem Großschottrimmen aus der Hand.
Ehrlich: während ich das hier schreibe, komme ich mir ziemlich bekloppt vor, aber alleine mit über 30 Kilometer Vorsprung vor dem zweiten Boot führend, erschien es mit so erstrebenswert, hatten doch Harry und ich auf der Nordseewoche geschworen, diesen verdammten Rekord zu brechen und das Miniruder auf dem Holzbrett zu holen.
Nach der Brücke wurde allerdings der Kurs zu spitz, der Wind nahm ab und zusätzlich hatte ich in meiner (Kopf-)Rechnung die Meilen ab Thurös Rev bis Svendborg unterschlagen, und so verabschiedete sich dieser Traum im wunderschönen, aber kalten, Sonnenaufgang über dem Langelandbelt.
Die letzten Meilen in und durch den Sund zur Ziellinie waren so herrlich bei moderatem Wind und schiebendem Strom, wo noch letztes Jahr in der stockdunklen Nacht erbärmliches Short Tacking gegen Flaute und Strom Stunden verschlungen hatte, dass mit einem Mal die 24 Stunden Martyrium davor fast belanglos wurden, nur der unglaublich schmerzende Rücken mahnte dann doch bei jeder Bewegung.
Auf der Ziellinie kamen dann die Emotionen hoch und Tränen schossen mir in die Augen, als die ersten Zuschauer schon um kurz nach acht Uhr in der Früh mit Applaus die Sieger und Geschlagenen empfingen. Aber eigentlich war jeder der nur 53 Finisher dieser Ausgabe ein ganz großer und kann sein Shirt mit vollem Stolz tragen.
Danke Silverrudder Team, dass ihr uns die Möglichkeit gegeben habt, über uns selbst zu wachsen und dennoch soviel Selbstzweifel in uns erzeugt um zukünftig noch sicherer und umsichtiger zu segeln!
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